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Acrylamid

WELCHE GEFAHREN BIRGT DIE SUBSTANZ?

Schonende Gartechniken bei der industriellen Herstellung sowie zu Hause an Herd und Grill helfen, die Aufnahme des Stoffes erheblich zu reduzieren.

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Schwedische Wissenschaftler berichteten im April 2002 über den Nachweis von Acrylamid in zahlreichen Lebensmitteln und schockten damit Verbraucher europaweit. Während der so genannten Maillard-Reaktion reagieren Aminosäuren mit reduzierenden Zuckern (z. B. Glukose, Fructose) unter Hitzeeinwirkung von über 120 °C. Neben der gewünschten Bräunung entsteht Acrylamid als unerwünschtes Reaktionsprodukt.

Ab 170 bis 180 °C steigt die Bildung sprunghaft an. Typischerweise ist dies bei Produkten aus Getreide und Kartoffeln (mit geringem Wassergehalt) beim Backen, Braten, Frittieren und Grillen der Fall. Grundsätzlich gilt: Je stärker und länger die Lebensmittel bräunen, desto mehr Acrylamid bildet sich. Dies gilt sowohl für industrielle Produkte als auch für den häuslichen Bereich.

Welches Risiko steckt hinter Acrylamid? Erkenntnisse dazu stammen aus Tierversuchen. Den Labortieren wurden große Mengen dieser Substanz verabreicht, woraufhin sie vermehrt an Krebs erkrankten und sich deren Erbgut veränderte. Ob diese Wirkung auch bei üblichen Verzehrmengen beim Menschen auftreten, ist nicht geklärt. Internationale Expertengremien haben Acrylamid somit als „wahrscheinlich Krebs erregend für den Menschen” eingestuft.

In Studien erhöhte sich bei mehrmaligem Verzehr von Pommes frites und Kartoffelchips in der Woche der Acrylamidspiegel im Blut. Die Ergebnisse wurden jedoch als relativ gering und aus wissenschaftlicher Sicht nicht signifikant beurteilt. Zudem waren Raucher weitaus höher belastet, sodass auch körpereigene Abbauprozesse eine Rolle zu spielen scheinen.

Viele Ernährungsfaktoren haben vermutlich eine wesentlich krebserregendere Wirkung als Acrylamid. Eine abschließende Risikobewertung zum Gefährdungspotenzial für den Menschen ist somit noch nicht möglich. Daher sollte die Aufnahme möglichst niedrig gehalten werden.

Welche Produkte sind besonders gefährdet? Seinerzeit lieferten hoch erhitzte Kartoffelprodukte wie Chips, Reibekuchen und sehr krosse Pommes frites nicht nur Gaumenfreuden, sondern auch reichlich Acrylamid. Auch Brote, Knäckebrot, Getreidekräcker, Kekse und Weihnachtsgebäck wie Lebkuchen und Spekulatius wiesen zum Teil hohe Werte auf. Da Acrylamid ebenso beim Rösten von Kaffeebohnen und deren Ersatzprodukten wie Getreidekaffee entsteht, standen auch diese beliebten Lebensmittel in der öffentlichen Kritik.

Regierung und Industrie haben gehandelt Mit dem Lebensmittelskandal „Acrylamid” war vor allem die Industrie gefragt, da viele Fertigprodukte an den Pranger gestellt wurden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) legte Signalwerte fest, die in großem Maße überprüft wurden. Diese sind Grundlage für das vor Jahren entwickelte Minimierungskonzept durch die zuständigen Behörden der Bundesländer und Unternehmen.

Schon eine geringfügige Absenkung der Backtemperatur, innovative Prozesstechniken und Rezepturänderungen reduzierten die Acrylamidbildung. Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Lebensmittelwirtschaft kann eine positive Bilanz für die letzten zehn Jahre gezogen werden.

Eigeninitiative der Verbraucher ist gefragt Neben dem seltenen Verzehr potenziell acrylamidreicher Lebensmittel können Verbraucher beim täglichen Kochen effektive Maßnahmen gegen Acrylamid ergreifen. Schonende Garmethoden sind gefragt. Bei feuchter Hitze – also beim Kochen, Dünsten und Dampfgaren – entsteht kein Acrylamid. Dies ist ebenso beim Anbraten von Fleisch der Fall, außer bei der Verwendung von stärkehaltigen Marinaden und Panaden.

Wer auf gewisse Röstaromen nicht verzichten möchte, der sollte bei der Zubereitung darauf achten, dass die Bräunung nicht zu stark wird: „Vergolden statt Verkohlen!” heißt das Motto. Ein kurzes Anbraten von Reibekuchen, Bratkartoffeln & Co. bei mittlerer Hitze und ein anschließendes Verringern der Temperatur können der Entstehung von Acrylamid erheblich entgegenwirken.

Auch im Backofen sollten bei Umluft maximal 180 °C (ohne Umluft 200 °C) gewählt werden. Beim Frittieren sollte eine Temperatur von 175 °C nicht überschritten werden. Für alle Methoden gilt: Die Zeit sollte so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich sein!

Die Saison beginnt Der Frühling beginnt und viele Grillfreunde stehen schon in den Startlöchern. Jedoch ist auch beim Grillen Vorsicht in Sachen Acrylamid geboten. Eine zu starke Erhitzung von Brot, Kartoffelprodukten und verschiedene stärkehaltige Fleischmarinaden können die Bildung fördern. „Natürliche” Marinaden mit Gewürzen wie Rosmarin, Basilikum, Oregano und Knoblauch liefern mit antioxidativ wirkenden sekundären Pflanzenstoffen einen wahren Schutzmantel gegen krebserregende Stoffe.

Die Grillzeit sollte zudem so kurz wie möglich gewählt werden. Darüber hinaus empfiehlt sich die Verwendung von Alufolie und Schalen als zusätzlicher Schutz des Grillgutes. Diese fungieren auch als effektive Maßnahme vor polyzyklischen, aromatischen Kohlenwasserstoffe (kurz: PAKs) wie Benzopyren. Sie entstehen durch Fetttropfen des Grillgutes in die Kohle und gelten ebenfalls als krebserregend.

Die Ernährung als Ganzes zählt! Auch mit einer gesunden und bewussten Ernährung ist es unmöglich, keine Schadstoffe aufzunehmen. Dies sollte jedoch keinen in Panik versetzen, denn die Zusammensetzung der Nahrung und der Lebensstil sollte als Ganzes betrachtet werden – wie ein Mosaik. Ein hoher Anteil an Obst und Gemüse mit sekundären Pflanzenstoffen stärkt auf natürliche Weise die körpereigenen Schutzsysteme. Mit abwechslungsreichen Mahlzeiten und überwiegend schonenden Gartechniken sollte auch der einen oder anderen Grilleinheit mit „Sinn und Verstand” nichts im Wege stehen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/12 ab Seite 56.

Andrea Pütz, PTA und Dipl. Oec. Troph.

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