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Unsere Sinne

WAS RIECHT DENN DA?

Von betörenden Düften bis zu ekelerregendem Gestank: Gerüche sind extrem vielfältig. Etwa zehntausend verschiedene können Menschen wahrnehmen.

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An Blumen schnuppern wir gerne, bei reifem Käse scheiden sich die Geister und der Geruch von faulen Eiern ist zweifellos widerlich. Jeder dieser Gerüche setzt sich aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Duftmolekülen zusammen, auch Odoranzien genannt. Liegt nun ein Duft in der Luft, so atmen wir die Odoranzien mit der Atemluft ein. Die Luft strömt durch unsere Nasenhöhlen; dabei lösen sich die Duftmoleküle in der Schleimschicht, die die Oberfläche des Riechepithels bedeckt.

Dieses ist an der Oberseite unserer Nasenhaupthöhlen lokalisiert und besteht aus drei spezialisierten Zellarten: Nervenzellen, auch olfaktorische Rezeptorneurone genannt, Basalzellen, aus denen kontinuierlich neue Nervenzellen entstehen, sowie Stützzellen, die unter anderem für die Schleimproduktion zuständig sind. Nun binden die Odoranzien an die Duftrezeptoren auf den olfaktorischen Rezeptorneuronen.

Genau gesagt befinden sich die Duftrezeptoren in den Membranen der Zilien, die die Neurone auf ihrer Oberfläche tragen und die in die Schleimschicht hineinragen. Indem Duftmoleküle an einen Rezeptor binden, lösen sie Aktionspotenziale aus, die entlang den Axonen der Riechzellen zum Bulbus olfaktorius geleitet werden. Von dort aus gelangt das Signal ins Großhirn. Dabei kommt in jeder Riechzelle jeweils nur eine einzige Sorte Duftrezeptor vor.

Insgesamt gibt es über 350 verschiedene Rezeptoren, wobei jeder Rezeptor nicht nur ein, sondern mehrere Odoranzien binden kann. Weil ein Geruch aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Odoranzien besteht, aktiviert er immer eine ganze Gruppe von Neuronen, die unterschiedliche Rezeptoren tragen. Durch die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten kann ein Mensch bis zu zehntausend verschiedene Gerüche wahrnehmen.

Im Bulbus olfaktorius verzweigen sich die die Axone der Riechzellen. Es enden alle Axone von Neuronen, die einen bestimmten Rezeptortyp auf ihrer Oberfläche tragen, in für diesen Rezeptortyp spezifischen Gebieten des Bulbus olfaktorius, Glomeruli genannt. Von hier werden die auf diese Weise sortierten Signale in die Riechrinde im Großhirn weitergeleitet und dort verarbeitet.

Einzigartige Eigenschaften Der Geruchssinn unterscheidet sich in mehreren Punkten von allen anderen Sinnen: Er ist der einzige, bei dem die Informationen nicht im Thalamus prozessiert werden, sondern nach einer Verschaltung im Bulbus olfaktorius direkt in den olfaktorischen Kortex gelangen.

Jeder kennt die Erfahrung, dass bestimmte Gerüche stärker als andere Sinneseindrücke unvermittelt Erinnerungen und auch Emotionen auslösen können. Dies liegt an der engen Verbindung des Geruchssinnes mit Regionen im Gehirn, die für diese Aspekte verantwortlich sind. Schließlich erneuern sich die primären olfaktorischen Neurone permanent.

Störungen Etwa fünf Prozent aller Deutschen können nicht riechen – sie leiden an einer Anosmie, so der Fachausdruck. Ist der Geruchssinn lediglich eingeschränkt, so sprechen Ärzte von einer Hyposmie. Generell nehmen Störungen des Geruchssinnes mit dem Alter zu, möglicherweise, weil die absterbenden Rezeptorneurone weniger konsequent ersetzt werden. Ab einem Alter von 50 Jahren weist jeder vierte ein vermindertes Riechvermögen auf. Die Erfahrung, dass man während einer Erkältung wenig bis nichts riechen kann, kennt aber jeder, unabhängig vom Alter. Vermutlich schädigen hier Toxine der Erkältungsviren oder auch die Immunreaktion die Rezeptorneuronen. Bei der Mehrheit der Patienten gehen die Beeinträchtigungen nach Abklingen der Erkrankung wieder zurück.

FRÜHSYMPTOM VON KRANKHEITEN
Eine Verminderung des Riechvermögens kann auch auf eine beginnende Parkinson- oder Alzheimer-Erkrankung hinweisen. So können drei von vier Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom schlechter riechen als gleich alte gesunde Menschen. Im Mittel tritt die Riechstörung bereits vier bis sechs Jahre vor Ausbruch der Erkrankung auf. Auch für die Alzheimer-Erkrankung stellen Einschränkungen des Geruchssinnes ein Frühsymptom dar.

Auch Allergien können das Riechvermögen einschränken. Zudem kommen anatomische Probleme infrage: Ist der Weg zum Riechepithel für die Duftmoleküle blockiert, können wir sie auch nicht wahrnehmen. Zu den möglichen Ursachen hier gehören Nasenpolypen, eine chronische Rhinosinusitis sowie Tumoren. Probleme mit der Geruchswahrnehmung treten schließlich nach Schädelhirntraumata auf, wenn die Axone der Rezeptorneurone abreißen oder die an der Geruchswahrnehmung beteiligten Gebiete im Gehirn von den Schäden betroffenen sind. Auch Medikamente können als Nebenwirkungen Riechstörungen auslösen.

Leidende Lebensqualität Bei neurodegenerativen Erkrankungen oder auch im Alter geht der Geruchssinn über Jahre schleichend verloren. Wenn er dagegen nach einer Erkältung nicht zurückkehrt, handelt es sich um einen vergleichsweise plötzlichen Verlust. Quasi von einem Tag auf den anderen können Betroffene den Duft des Frühlings, der in der Luft liegt, nicht mehr wahrnehmen. Sie machen Ferien auf dem Bauernhof oder backen Waffeln – und riechen: nichts.

Dass dies aufs Gemüt schlagen und sogar zu Depressionen führen kann, ist nachvollziehbar. Es kann auch zu starker Verunsicherung führen, da auch Körpergerüche – weder der eigene noch fremde – nicht mehr wahrgenommen werden. Schließlich fehlt Menschen ohne Geruchssinn eine wichtige Warnfunktion des Körpers, weil verdorbene Speisen wie zum Beispiel Milch meist am Geruch erkennbar sind.

ZUSATZ-INFORMATIONEN

Behandlung

Die Therapie von Riechstörungen richtet sich nach ihrem Auslöser. Liegt eine mechanische Blockade vor und wird diese durch eine Operation beseitigt, so bessert sich in der Regel auch die Riechstörung. Bei anderen nasalen Erkrankungen werden Kortikosteroide in Form von Nasensprays eingesetzt.

Noch vergleichsweise neu sind strukturierte Riechtrainings, bei dem Betroffene regelmäßig an Riechstiften mit unterschiedlichen Gerüchen schnuppern. Eine Untersuchung mit Patienten, deren Geruchssinn nach einem Virusinfekt vermindert war, hat gezeigt, dass sich durch ein solches Training das Riechvermögen in einem stärkeren Maße wieder verbesserte als bei Patienten, die nicht an dem Riechtraining teilnahmen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/14 ab Seite 100.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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