Mann fällt in Schnee © Venerala / iStock / Getty Images
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Darreichungsformen

VORSICHT RUTSCHGEFAHR

Die Unterscheidung der verschiedenen Cremes und Gele gehört zu den Kernelementen der pharmazeutischen Expertise. Doch ohne stetige Auffrischung kann die Beratung leicht ins Schlittern kommen.

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Pünktlich zum Winter beginnt auch die Blütezeit der Neurodermitis und trockenen Hautekzeme. Wo Salben und Pasten als galenische Grundlage an ihre Grenzen stoßen, haben Cremes und Lotionen noch lange nicht ausgedient. Doch wie können Sie es dem Kunden am besten erklären? Warum sind Cremes, Lotionen oder auch Gele so viel angenehmer in der Anwendung? Anknüpfend an das Thema der halbfesten Zubereitungen in der letzten Ausgabe soll dieser Artikel den Themenbereich abschließen.

Cremes In der Rezeptur werden Neueinsteiger leicht verunsichert, denn sie werden hier mit einer Vielzahl von Grundlagen konfrontiert. Auch Bezeichnungen, die sich teilweise sehr ähneln und verschiedene Synonyme sorgen anfangs für Kopfschmerzen. So wird als bekanntes Synonym für die wasserhaltige Wollwachsalkoholsalbe DAB häufig Eucerinum cum aqua verwendet. Ärzte, erfahrene Kollegen oder auch die Lauer-Taxe nutzen verschiedenen Begriffe für die gleiche Grundlage und sorgen für Recherchebedarf. Dabei lässt sich die Systematik leicht entschlüsseln. Als eine Art Weiterentwicklung der Salbe sind Cremes mehrphasige Zubereitungen, die aus einer lipophilen und einer wässrigen Phase bestehen.

Ausgangsstoff für die spätere Creme können beispielsweise wasseraufnehmende Salben sein. Die Menge an Wasser, die beigemischt wird, entscheidet zusammen mit dem Emulgator über die Art und Eigenschaften der späteren Creme. Durch Zusatz von bis zu 30 Prozent Wasser und einem Wasser-in-Öl-(W/O)-Emulgator entsteht eine fettende W/O-Creme. Typische W/O-Emulgatoren sind Wollwachs oder Triglyceroldiisostearat. Pflegecremes bei trockener Haut oder wirkstofffreie Basistherapeutika bei Neurodermitis sind wichtige Beispiele dieser Cremevariante. Etwas Verwirrung stiften die Vertreter, die auf Salbe enden. Oft sind Basissalben trotz der Bezeichnung „Salbe“ den W/O-Cremes zuzuordnen.

Bei rund 40 Prozent Wasseranteil tritt die Phasenumkehr ein. Hier befinden sich die amphiphilen Cremes, wie die Basiscreme DAC. Sie sind fettend, ziehen trotzdem gut ein und sind abwaschbar. Eingesetzt werden diese unter anderem bei Xerosis, atopischen Dermatiden und als alltägliche Hautpflege. Aus 50 bis 70 Prozent Wasseranteil plus einem (O/W)-Emulgator entsteht eine O/W-Creme. Diese Cremes zählen zu den wichtigsten und bekanntesten Vertretern. Die äußere hydrophile Phase verdunstet und kühlt so die Haut. Nachdem das Wasser verdunstet ist, entsteht ein dünner Film, in dem sich Wirkstoffe aufkonzentrieren können.

Lotionen Wird eine O/W-Creme weiter mit Wasser verdünnt, entsteht bei circa 85 Prozent Wasseranteil eine Lotion. Diese flüssige, wässrige Zubereitung lässt sich gut und schnell auch auf größeren Hautflächen verteilen. Da hier viel Wasser verdunsten kann, spürt der Anwender einen stärkeren Kühleffekt als bei anderen Cremes. Der Systematik nach folgt der zweiphasigen Creme, bei der beide Phasen gut voneinander abzugrenzen sind, das Gel.

TIPPS FÜR DIE APOTHEKE

+ Fertigen Sie eine Liste mit den für ihre Apotheke wichtigsten Grundlagen und Synonymen an. So haben es Praktikanten und neue Mitarbeiter leichter.
+ Kosmetische Cremes haben meist eine O/W-Creme als Grundlage, die angenehm kühlt, allerdings austrocknen kann und konserviert werden muss.
+ W/O-Cremes werden teilweise als Salbe bezeichnet.
+ Gele eignen sich für den großflächigen Einsatz vorzugsweise in Akutfällen. Der Wirkstoff konzentriert sich durch den großen Wasserverlust in einem dünnen Film auf der Haut auf.
+ Bei NSAR und Antihistaminika ist die Gelform sinnvoll, da der Wirkstoff besser freigesetzt wird und durch die Aufkonzentrierung in tiefere Schichten eindringen kann.

Gele Als Gele bezeichnet man heterogene Gemische aus mindestens zwei Komponenten oder Phasen. Ein Stoff liegt im anderen verteilt vor. Zusammen bilden sie ein disperses System. Dabei sind die beiden Stoffe oder Phasen so stark ineinander verstrickt, dass diese nicht mehr eindeutig unterschieden werden können. Es werden lipophile Oleogele und hydrophile Hydrogele voneinander unterschieden. Oleogele spielen eine untergeordnete Rolle in der Apothekenpraxis. Das einzig relevante Oleogel ist das hydrophobe Basisgel DAC. Es besteht aus dickflüssigem Paraffin, welches durch Hochdruckpolyethylen zusammengehalten wird. Ein Gelbildner ist durch das großtechnische Herstellungsverfahren nicht notwendig.

Eingesetzt wird das hydrophobe Basisgel DAC als Grundlage bei der Wirkstoffeinarbeitung. Seltener wird es als Hautpflegemittel bei topischer Dermatitis eingesetzt. Durch den hohen Okklusionseffekt muss die Haut wirklich sehr trocken sein. Hydrogele sind in der Anwendung bei mehreren Indikationen deutlich beliebter. Als Grundlage für die topische Anwendung bei nichtsteroidalen Antirheumatika oder Antihistaminika, liegen die Vorteile auf der Hand. Sie besitzen eine sehr kleine Fließgrenze und lassen sich dementsprechend sehr gut auch auf größeren Hautflächen verteilen. Durch einen hohen Wasseranteil von bis zu 98 Prozent kühlen sie so gut, dass sie auch ohne Wirkstoff als Kühlgel bei kleineren Verbrennungen genutzt werden können.

Wirkstoffhaltige Gele haben den Vorteil, dass der Wirkstoff sich durch den hohen Wasserverlust schnell in einem dünnen Film auf der Hautoberfläche aufkonzentrieren kann. Der hohe Wassergehalt birgt allerdings auch Nachteile. Ohne den Schutz durch eine Tube trocknen Gele schnell aus. Auch unter Verschluss durch ein entsprechendes Packmittel müssen Feuchthaltemittel eingesetzt werden. Weiterhin bietet der Wassergehalt ideale Bedingungen für Bakterien. Konservierungsmittel müssen eingearbeitet werden, die wiederum mit einem erhöhten Allergiepotenzial einhergehen. Bevorzugt werden Quellmittel auf organischer Basis.

Celluloseether-Verbindungen sind unter den Bezeichnungen Hydroxyethylcellulose, Hypromellose oder Carmellose in vielen Gelen zu finden. Je nachdem wie viele Wasserstoffatome der Hydroxylgruppen der Cellulose ersetzt werden, entstehen die jeweiligen Ether und mit ihnen der Vernetzungsgrad des Gels. Vorteil der Celluloseether-Verbindungen ist, dass ein Schutzfilm gegen mechanische und mikrobielle Einflüsse zurückbleibt, sobald das Wasser verdunstet ist. Kunden können diesen Film leicht mit Wasser abwaschen, falls es ein unangenehmes Hautgefühl auslöst. In der Rezeptur ist darauf zu achten, keine Gerbstoffe oder Substanzen mit Phenolstrukturen in Gele mit Celluloseether-Verbindungen einzuarbeiten.

Diese brechen die Gelstrukturen auf. Alternativ kann man hier auf die Polyacrylsäure zurückgreifen. Auch als Carbomergel bekannt. Bei der Neutralisation der Polyacrylsäure mit Basen, wie Trometamol, entsteht ein Gel von hoher Viskosität. Im Umkehrschluss muss bei Carbomergelen darauf geachtet werden, das Gel nicht zu übersäuern, da die Gelstruktur bei einem zu niedrigem pH-Wert wieder in ihre Einzelteile zerfällt. Auf der Haut wirkt die Polyacrylsäure als Penetrationsenhancer. Sie schleust den Wirkstoff durch die Epidermis und ermöglicht ein tieferes Eindringen in die Haut.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/2020 ab Seite 100.

Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer

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