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Retaxationen

VORSICHT, FALLSTRICKE!

Das ordnungsgemäße Bedrucken und Beliefern eines Rezeptes kann eine derart knifflige Aufgabe sein, dass es selbst Sherlock Holmes an den Rand der Verzweiflung getrieben hätte: Denn sonst drohen Retaxationen.

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Der Kunde reicht ein rosafarbenes Rezept über den Kassentisch, „Exemplix Tbl 300 Stück“. Rasch findet die PTA heraus: Zwar gibt es eine Packung mit 3x100 Stück, aber die hat keine Normierung. Müsste da nicht ein Ausrufezeichen hinter der Stückzahl stehen, denn die N3 hat nur 100 Tabletten? Wie steht es mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot bei dem rezeptpflichtigen Medikament? Und gibt es da nicht eine Packungsgrößenverordnung?

Das ordnungsgemäße Rezept Meist mit einem Blick erfasst die PTA die Formalia: Das Ausstellungsdatum liegt nicht länger als vier Wochen zurück, der Kostenträger steht links oben, Kassen-, versicherten-, Betriebsstätten- und lebenslange Arztnummer sind ebenfalls eingetragen. Die Betriebsstättennummer muss mit der des Arztstempels oder -eindrucks übereinstimmen . Name, Anschrift und Geburtsdatum des Patienten dürfen nachgetragen werden; ihr Fehlen berechtigt den Kostenträger aber nicht zur Zurückweisung des Verordnungsblattes.

Wichtig ist auch: Bei Rezepten aus Universitätskliniken oder Notfallambulanzen darf zwar die lebenslange Arztnummer fehlen, doch muss der Klarname des Arztes erkennbar sein. Ein schwungvoller Krickel als Unterschrift reicht nicht! Ansonsten ist das Fehlen der Arztunterschrift ein echter Retaxationsgrund. Auch die blauen Privatrezepte unterliegen diesen Formalien. Im Gegensatz zu den Kassenrezepten dürfen jedoch mehr als drei Medikamente verordnet sein (dann Bedruckung auf der Rückseite) und die Gültigkeit beträgt drei Monate.

Rabattvertrag, Aut idem oder Substitutionsverbot? Natürlich müssen die Rabattverträge der jeweiligen Krankenkasse bedient werden. Sollte das Medikament nicht lieferbar sein, zeigt der Computer eventuell „aut idem“-Vorschläge an, also Austauschmöglichkeiten – die sind nicht zu verwechseln mit dem Kreuz im Kästchen am linken Rand! Denn hat der Arzt dieses Zeichen gesetzt, darf das Medikament auf keinen Fall ausgetauscht werden.

DIE PACKUNGSGRÖSSENVERORDNUNG
Die Normierung wird laut Arzneimittelgesetz „bestimmt nach der Anzahl der Anwendungseinheiten, die in der Packung enthalten sind“. Beim Magen- Darm-Mittel Pantoprazol darf die N3, also eine „Packung für die Dauertherapie“ 95–100 Stück enthalten. Generell gilt: Die N1 darf um 20 Prozent, die N2 um 10, die N3 nur noch um 5 Prozent der Stückzahl schwanken. Die Packungsgrößen unterscheiden sich jeweils für verschiedene Anwendungsgebiete wie zum Beispiel Analgetika und Antibiotika. Detailliert finden sich aktuelle Arbeitshilfen zum Ausdrucken im Internet.

Manchmal jedoch zeigt der Rabattvertrag wirkstoffgleiche Medikamente an, die eine andere Stückzahl (häufig bei Antibiotika) oder eine andere Darreichungsform aufweisen. Dann ist es erlaubt, pharmazeutische Bedenken anzumelden, diese per Sonderkennzeichen auf das Rezeptblatt zu drucken und den Austausch nicht vorzunehmen.

Auch Unverträglichkeiten der Hilfsstoffe, Multimorbidität des Patienten und somit Gefahr der Non-Compliance oder die gewünschte, aber nicht vorhandene Teilbarkeit einer Tablette sind Gründe, die zusätzlich handschriftlich sorgsam auf dem Verordnungsblatt vermerkt werden müssen. Auch die Nichtverfügbarkeit eines Medikamentes muss per Sonderkennzeichen dokumentiert werden. Die Apotheke sollte einen Nachweis aufbewahren, zum Beispiel eine Defektenliste.

Sonderfall Schilddrüsenhormone Da der Austausch von Levothyroxin- Natrium wegen der Hilfsstoffe problematisch ist und deshalb besonders oft entweder das Aut-idem-Kreuz gesetzt oder pharmazeutische Bedenken angemeldet wurden, sind namentlich genannte Arzneimittel mit diesem Wirkstoff im Dezember 2014 von der Substitution ausgeschlossen worden. Das betrifft auch Kombinationen mit Kaliumiodid und Medikamente mit den Wirkstoffen Betaacetyldigoxin, Digitoxin und Digoxin, Phenytoin sowie die Immunsuppressiva Tacrolimus (in Hartkapseln) und Ciclosporin.

Import oder nicht? Gibt es kein Rabattarzneimittel für das gewünschte Medikament, aber dafür jede Menge Importe? Es empfiehlt sich ein kurzer Blick auf die Quote: Liegt sie unter fünf Prozent? Dann geht die Suche nach einem preisgünstigen importierten Arzneimittel los. Rosa Rezepte unterliegen dieser Modifikation, und tatsächlich sind die Preisunterschiede oft erheblich. Achtung, die Abrechnungsstellen kontrollieren die tatsächliche Lieferbarkeit, deshalb sollte ein automatisches Protokoll geschrieben werden.

Wirtschaftlichkeitsgebot und Packungsgrößenverordnung Die Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen gilt nur für rezeptpflichtige Arzneimittel. Es greift immer dann, wenn es für die verordnete Einzelmenge keine normierte Packungsgröße gibt. Deshalb hängt das Wirtschaftlichkeitsgebot auch eng mit der Packungsgrößenverordnung zusammen.

SONDERFALL BTM-REZEPT
BTM-Rezepte unterliegen der besonderen Kontrolle und sind per Durchschrift einmal im Vierteljahr an die Bundesopiumstelle zu schicken. Auf dem dreiteiligen Formular, von dem Teil 1 und 2 in der Apotheke landen, sind zusätzlich folgende Angaben zwingend erforderlich:

+ Angabe der Stückzahl des Arzneimittels.
+ Ggf. Angabe der Beladungsmenge.
+ Einnahmeanweisung.
+ Telefonnummer des Arztes.

Diese Sonderkennzeichen sind vorgeschrieben:

+ „A“ bei Überschreitung der Höchstmenge oder wenn mehr als zwei BTM verordnet sind.
+ „S“ im Falle der Substitution.
+ „N“ bei einer Notfall-Verordnung. Ein BTM-Rezept ist acht Tage gültig (Ausstellungsdatum plus sieben Tage).

Wir kommen damit zu unserem Beispiel vom Anfang des Artikels: Verordnet der Arzt 300 Stück „Exemplix“, die größte normierte Packung hat aber nur 100 Tabletten, darf auch nur diese abgegeben werden! Setzt er allerdings ein Ausrufezeichen oder schreibt ein „A“ wie Ausnahme hinter die Stückzahl, sieht die Sache schon anders aus: Dann erhält der Kunde dreimal die N3. Dies geschieht auch, wenn er 3x N3 auf das Rezept schreibt. Und das, obwohl die Packung mit 3x100 Tabletten für die Krankenkasse viel preisgünstiger wäre!

Seinem Namen Ehre macht das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn es ans Stückeln geht. Das rezeptpflichtige Arzneimittel „Ambulex 250 mg“ hat Packungsgrößen von 30, 45 und 60 Stück. Verordnet sind aber „90 Stück“. Das heißt in diesem Fall: Die PTA gibt eine 30er und eine 60er Packung ab, druckt beide PZN auf das Rezept und ist somit vor einer Retaxation sicher.

Doch auch das Stückeln hat seine Tücken: Es darf nicht in einem Normbereich erfolgen! Und nicht rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen überhaupt nicht gestückelt werden. Die Packungsgrößenverordnung findet tagtäglich Anwendung in den vielen Pantoprazol-Verordnungen, ohne dass es jemand richtig merkt. Denn oft schwanken N3-Packungen mit diesem Wirkstoff zwischen 98 und 100 Stück und müssen rabattiert werden. Hier sind pharmazeutische Bedenken nicht statthaft, denn auch 98 Stück für eine N3 bewegen sich innerhalb der Verordnung.

Übrigens: Was bei Kassenverordnungen verboten ist – nämlich eine Stückzahl herauszugeben, die oberhalb der größten normierten Packung liegt, (wie bei unserem Beispiel Exemplix die 3x 100 Stück als sogenannte „Jumbopackung“ )-, das ist bei Sprechstundenbedarfs-Rezepten nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht!

Fazit Dieser kleine Auszug aus dem Dschungel der Fallstricke bei Taxationen bietet nur einen winzigen Überblick – die Tiefen der Hilfsmittel- Verordnungen, Medizinprodukte mit und ohne Arzneimittelcharakter, der Positiv- und Negativliste, der Testreifen und Verbandstoffe sind hier noch gar nicht ausgelotet. Schnelle und kompetente Hilfe in vertrackten Fällen bietet für die PTA ein Anruf beim für ihr Bundesland zuständigen Apothekerverband. Hier sind Mitarbeiter direkt darauf geschult, Problemtaxen zügig zu beantworten. Die Nummer sollte immer neben dem Telefon liegen! Auf deren Homepages finden sich außerdem nützliche Arbeitshilfen zum Herunterladen.

Zusammenfassend lässt sich sagen Die aktuell häufigsten Gründe für Retaxationen sind:

  • Änderungen des Arztes ohne Unterschrift und Datum.
  • Die Nichtabgabe von Rabattarzneimitteln ohne Sonder-PZN
  • sowie eine fehlende Begründung für die Korrektur auf dem Rezept.

Wer das vermeidet, hat schon viel gewonnen!

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/15 ab Seite 92.

Alexandra Regner, Journalistin und PTA

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