© LightFieldStudios / iStock / Getty Images
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Krebserkrankungen

VORBEUGEN IST VIELFACH MÖGLICH

Neben klassischen Risikofaktoren wie Tabakkonsum und Alkohol sind krebserzeugende Viren weltweit für bis zu 15 Prozent aller Krebsfälle verantwortlich. Vorbeugende Impfungen können sie verhindern.

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Zwar ist Krebs selbst keine infektiöse Krankheit, doch manche seiner Auslöser können sehr wohl übertragen werden. Allein im Jahr 2018 wurden weltweit 2,2 Millionen Krebserkrankungen durch Infektionen verursacht, wofür hauptsächlich das Bakterium Helicobacter pylori, das humane Papillomvirus (HPV) sowie die Hepatitis-B- und -C-Viren verantwortlich waren. Diese vier Erreger verursachen über 90 Prozent der infektionsgebundenen Krebserkrankungen.

Vorbeugen kann Leben rettenHelicobacter pylori ist ein Bakterium, das mehr als die Hälfte aller Menschen infiziert hat. Es kann zu immer wiederkehrenden Magenschleimhautentzündungen führen und somit den Boden für Magenkrebs bereiten. 2018 war es weltweit für über 800 000 Fälle von Magenkrebs verantwortlich – einen der tödlichsten Tumore überhaupt. Dabei kann Helicobacter pylori relativ leicht durch eine spezielle Antibiotikatherapie in Verbindung mit einem Magensäureschutz eliminiert werden, was das Risiko deutlich senkt. Eine Impfung gegen Helicobacter pylori wurde jedoch bis jetzt noch nicht entwickelt, anders als beim Hepatitis-B-Virus (HBV), einem wesentlichen Risikofaktor für Leberkrebs.

Die HBV-Infektion gehört weltweit zu den häufigsten Virusinfektionen, die etwa ein Drittel aller Menschen durchmacht. Die Erreger werden durch Körperflüssigkeiten übertragen, wie etwa bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr, wo sie über kleinste Verletzungen eindringen. Zudem kann das Virus auch von der infizierten Mutter über die Milch an das Neugeborene weitergegeben werden. Weitere Möglichkeiten bestehen zum Beispiel beim Gebrauch von kontaminierten Nadeln, wie etwa bei Drogensüchtigen. Eine Infektion mit den Viren greift die Leber an. In fünf bis zehn Prozent der Fälle heilt die Infektion nicht von selbst aus, sondern wird chronisch, wodurch es bei etwa einem Viertel der Betroffenen zu einer Leberzirrhose kommt, aus der sich fast immer ein Leberkrebs entwickelt.

Die vorbeugende Impfung gegen HBV senkt nicht nur das Krebsrisiko, sondern verringert auch die Zahl der Virusträger. Für das über kontaminiertes Blut übertragene Hepatitis-C-Virus, mit dem weltweit etwa 170 Millionen Menschen infiziert sind, gibt es eine solche Impfung leider noch nicht. Doch lässt sich eine Infektion mit diesem Erreger heute heilen, was das Risiko für Leberkrebs deutlich senkt. Neben der Behandlung mit Interferon haben hierzu eine Vielzahl neuer Medikamente wie Polymerase- oder Proteasehemmer wesentlich beigetragen.

Nicht für alles gibt es eine Impfung. Auf seine Lebensgewohnheiten muss jeder selbst achten.

Nobelpreis für Risikofaktor 2008 erhielt Professor Harald zur Hausen den Medizinnobelpreis für seine Entdeckung, dass humane Papillomviren Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Es gibt über 100 verschiedene Typen dieser Viren. Sie infizieren die Epithelzellen der Schleimhaut und fördern dort ein verstärktes Zellwachstum, wodurch bei den Niedrigrisikotypen lediglich gutartige Veränderungen (Genitalwarzen) entstehen. Daneben gibt es jedoch auch Hochrisikotypen, die Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) auslösen können. Hierzu zählen vor allem die Typen 16 und 18, die in über 70 Prozent dieser Tumore nachweisbar sind.

Zudem wird auch ein Zusammenhang zwischen HPV und dem Auftreten von Scheiden-, Penis-, Anal- sowie Mund-Rachenkarzinomen angenommen, und selbst eine Rolle bei weißem Hautkrebs diskutiert. Da HPV durch alle Arten von Geschlechtsverkehr übertragen wird, ist die Durchseuchung in der Bevölkerung sehr hoch. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen HPV-Infektion und Krebs wurde eine Impfung entwickelt und 2007 in Deutschland zugelassen. Sie kann aber einer Infektion nur vorbeugen, wenn sie vor dem ersten Geschlechtsverkehr durchgeführt wird.

Genau dieser Umstand führte zu einer erhitzten Debatte, die sich erst legte, als mehrere Studien die Wirksamkeit der Impfung zweifelsfrei nachwiesen. Zuerst wurde die Impfung nur für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren empfohlen, seit 2018 aber auch für Jungen. Aktuell sollen in Deutschland Kinder zwischen 9 und 14 Jahren geimpft werden. Wird früh geimpft, sind nur zwei Impfdosen im Abstand von sechs Monaten erforderlich. Bei späterer Impfung oder einem größeren Abstand sind es drei Impfdosen. Einigen krebsauslösenden Infektionen kann man also bereits vorbeugen oder sie zumindest behandeln.

Weitere Risikofaktoren meiden Neben krebserregenden Keimen hat vor allem auch die Lebensführung einen großen Einfluss auf das Krebsrisiko. So kann übermäßige Sonneneinstrahlung noch Jahrzehnte später Hautkrebs auslösen oder Tabakkonsum die Gefahr erhöhen, an Lungenkrebs zu erkranken. Darüber hinaus können auch Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung und giftige oder radioaktive Stoffe Krebs begünstigen, ebenso wie ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel. Laut Weltgesundheitsorganisation sind etwa 30 Prozent aller Krebsfälle in den Industrieländern allein auf die beiden letztgenannten Faktoren zurückzuführen. So erhöht Übergewicht das Risiko für 13 Krebsarten, darunter anderem auch Brust- und Darmkrebs. Doch es kommt nicht nur darauf an, wie viel man isst, sondern auch, was man isst. Rotes Fleisch und Wurst stehen zum Beispiel im Verdacht, krebsfördernd zu sein, ebenso wie Fertiggerichte, zu viel Zucker oder das beim Anbrennen von Grillfleisch entstehende Acrylamid.

Durch Studien erwiesen ist, dass ein Übermaß an Alkohol vor allem Krebsarten des Verdauungstraktes, aber auch Brustkrebs bei Frauen fördert. Hingegen können eine Ballaststoff- und vitaminreiche Ernährung sowie eine gesunde Lebensführung vor Krebs schützen. Doch dazu ist es wichtig, Risikofaktoren in der Lebensführung auch als solche zu erkennen. Eine Umfrage der Organisation Union for Cancer Control (UICC), die jedes Jahr den Weltkrebstag ausruft, zeigt, dass Menschen aus einkommensschwächeren Haushalten mit geringerer Bildung weniger Risikofaktoren kennen als Menschen aus einkommensstärkeren Haushalten mit höherer Bildung. Die Organisation plädiert daher für mehr weltweite Aufklärung über Krebs-Risikofaktoren.

Screenings wahrnehmen Natürlich kann sich ein Krebs auch entwickeln, ohne dass man vorbeugend eingreifen kann. Daher ist Früherkennung wichtig. Bei Screenings können Krebsvorstufen oder Krebs in einem frühen Stadium erkannt und somit die Heilungschancen erhöht werden. Bei vielen der Screenings werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen. So zum Beispiel die Mammografie zur Brustkrebsfrüherkennung für Frauen ab 50, die alle zwei Jahre empfohlen wird. Als Hautkrebsvorsorge wird Menschen ab 35 Jahren alle zwei Jahre ein Hautscreening nahegelegt, bei dem mit einem Auflichtmikroskop auffällige Veränderungen dokumentiert werden können.

Männer ab 45 Jahren sollten einmal im Jahr eine Genitaluntersuchung in Anspruch nehmen, um auch Prostatakrebs früh erkennen zu können. Für Frauen gilt die Genitaluntersuchung bereits ab einem Alter von 20 Jahren, wobei ein Abstrich auf Zervixkarzinomzellen untersucht wird. Das 2002 eingeführte Darmkrebsscreening hat zu einem starken Rückgang der Todesfälle durch diese Krebsart geführt. Es wird für Männer ab 50 und für Frauen ab 55 bezahlt und umfasst einen Stuhltest, der okkultes Blut erkennt sowie eine Darmspiegelung bei Beschwerden oder Auffälligkeiten. Diese kann ansonsten alle zehn Jahre kostenlos in Anspruch genommen werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/2020 ab Seite 108.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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