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Sportverletzungen

VORBEUGEN – ABER RICHTIG!

Sport ist gesund, denn er stärkt den Organismus, schützt vor Krankheiten sowie Übergewicht und kann Glücksgefühle auslösen. Gleichzeitig stellt er auch ein erhöhtes Risiko für Verletzungen dar.

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Hier zu Lande passiert jeder fünfte Unfall beim Sport. Dabei sind all die Verletzungen, die eine Behandlung im Krankenhaus oder beim Arzt nicht nötig machen, nicht mitgezählt. Sie machen aber innerhalb der Sportverletzungen wiederum den größten Teil aus. Je schneller, unvorhersehbarer und kontaktfreudiger ein Sport ist, desto höher sind dabei die Risiken. Außerdem gibt es immer mehr Extremsportarten. Stark unfallträchtige Sportarten wie zum Beispiel das Basejumping, bei dem man sich bis zu 800 Meter tief von einem Berg oder Gebäude in die Tiefe stürzt, sind dabei zwar noch die Ausnahme. Doch die Statistik der Sportunfälle verzeichnet trotzdem kontinuierlich steigende Zahlen.

Geprellt, verstaucht, gezerrt … Jede dritte Sportverletzung ist eine Prellung oder Stauchung. Bei Ersterer wird durch stumpfe Krafteinwirkung meist weiches Gewebe gegen härtere Strukturen gedrückt und stark gequetscht. Dabei fließen Wasser und Blut aus dem betroffenen Gewebe in die umliegenden Strukturen, es entsteht ein Ödem oder ein Hämatom . Der durch das geschwollene Gewebe entstehende Druck ist sehr schmerzhaft, was besonders für die Muskelprellung gilt, bei der sich ein Bluterguss zwischen den Muskelfasern bildet. Hierdurch ist die Beweglichkeit sehr eingeschränkt und im ungünstigsten Fall entsteht das gefürchtete Kompartmentsyndrom. Dabei wird der Gewebedruck in den betroffenen Muskelpartien so groß, dass die Nerven beeinträchtigt werden. Es kommt zu Kribbeln oder Taubheitsgefühlen, wobei die Nerven und das umliegende Gewebe sogar absterben können.

Bei Verstauchungen oder Zerrungen werden Bänder oder Gelenkkapseln durch eine starke Überdehnung verletzt. Auch hier schwillt die betroffene Stelle stark an, meistens begleitet von einem Bluterguss. Ist die Überdehnung zu groß, kann das Gelenkband komplett abreißen. Am häufigsten treten solche Verletzungen an den Fußknöcheln oder Knien auf, denn diese Bänder werden gerade bei Breitensportarten wie Fußball oder Wintersportarten wie Skifahren oder Snowboarden stark beansprucht.

WIE BEUGE ICH SPORTVERLETZUNGEN VOR?
Wo gehobelt wird, fallen Späne – und wo Sport getrieben wird, besteht immer ein Risiko, sich zu verletzen. Das ist in den meisten Fällen unkalkulierbar, denn außer den endogenen, also vom Sportler selbst verursachten Verletzungen, gibt es noch die exogenen Faktoren: Die Mitspieler bei Mannschaftssportarten. Der unkontrolliert fliegende Ball oder Puck. Die Skibindung, die nicht aufgeht, wie sie soll. Wer Sport treiben will, kann nicht allen Risiken für Verletzungen aus dem Weg gehen. Aber er kann sich gut vorbereiten, seine eigenen Grenzen respektieren, und damit eine optimale Grundlage schaffen, Sport verletzungsfrei zu betreiben.

… die PECH-Regel hilft Wichtig ist bei Prellungen, Verstauchungen und Zerrungen, dass sofort gehandelt wird. Je länger man wartet, desto länger dauert die Heilung. Als Faustregel gilt hierbei: Jede Minute, die man in den ersten zehn Minuten nach einer solchen Verletzung mit der Behandlung wartet, verlängert die Heilung um einen Tag. Daher sollte sofort die PECH-Regel angewendet werden. Sie steht für Pause, Eis, Compression und Hochlagern.

Pause: Sofort nach dem Ereignis die sportliche Betätigung einstellen. Eis: Die betroffene Stelle umgehend kühlen, dadurch werden die Gefäße eng gestellt und man beugt Blutergüssen und Schwellungen vor. Eis oder Cool Packs sollten möglichst nicht direkt auf der Haut angewendet werden, weil es sonst zu Erfrierungen kommen kann. Nach zehn Minuten Kühlung sollte man zehn Minuten pausieren, da die Gefäße sonst mit einem Weitstellungsreflex reagieren, der die Durchblutung wiederum anregt. Compression: Ein Kompressionsverband verringert die Schwellung. Hochlagern: Die betroffene Körperstelle sollte hochgelagert werden, am besten über Herzhöhe, damit das Blut dorthin zurückfließen kann. So werden Schwellung und Hämatombildung verringert. Nach dieser Erstversorgung muss die Verletzung unbedingt ärztlich abgeklärt werden.

Auch alternative Medizin ist wirksam Handelt es sich dann tatsächlich lediglich um eine Prellung, Stauchung oder Zerrung, sind Wärmebehandlungen und Bewegung in den ersten zwei Tagen absolut tabu. Hat sich an der verletzten Stelle ein schmerzhafter Bluterguss gebildet, kann man diesen mit Kühlen und Hochlegen behandeln. Spezielle Salben und Gels sowie ätherische Öle wie Menthol oder Pfefferminz helfen ebenfalls. Gerinnungshemmende Wirkstoffe wie Heparin sollen den Bluterguss schneller auflösen, wissenschaftlich bewiesen ist das jedoch nicht. Arnikasalbe hingegen wirkt mit ihren Flavonoiden ödem- und gerinnungshemmend. Wer homöopathisch therapieren will, kann ebenfalls zu Arnika greifen. Auch Salben mit Beinwell sind eine gute Wahl.

Zudem gibt es wirksame Hausmittel wie beispielsweise Wickel. Dazu braucht man ein feuchtes Innentuch, am besten aus Leinen oder Baumwolle, ein trockenes Zwischenund ein Außentuch oder eine Decke. Ein kaltes feuchtes Innentuch hat kühlende Wirkung, ein warmes regt die Durchblutung an. Auf das Innentuch kann man noch verschiedene Wirkstoffe aufbringen. Bei Prellungen und Verstauchungen hat sich hierfür Quark bewährt, der entzündungshemmend, abschwellend und kühlend wirkt. Die Tücher werden nicht zu fest um die betreffende Stelle gewickelt und einige Zeit dort belassen (etwa so lange, bis sich das feuchte Innentuch der Körpertemperatur angepasst hat). Wickel sollten jedoch nur angewendet werden, wenn die Haut nicht verletzt ist.

Nach 24 Stunden ist bei Prellungen, Stauchungen und Zerrungen die akute Phase überstanden. Ab da können Wärmebehandlungen die Heilung unterstützen, jetzt sind auch durchblutungsanregende Salben sinnvoll. Da überdehnte Bänder noch Monate brauchen, bis sie ihre ursprüngliche Spannkraft wieder erlangt haben (je nach Schwere der Verletzung bleiben sie ein Leben lang anfällig), sollte man mit Bewegung sehr vorsichtig sein. Erlaubt ist, was nicht schmerzt – natürlich nur, wenn man keine Analgetika nimmt, die diese Körperwarnfunktion außer Kraft setzen. Sport ist frühestens nach sechs Wochen wieder möglich – dann aber erst einmal vorsichtig und in Maßen.

Knochenbrüche und Achillessehnenriss Sportverletzungen, die den Gang ins Krankenhaus auf jeden Fall notwendig machen, sind Knochenbrüche und der gefürchtete Achillessehnenriss. Erstere müssen ärztlich versorgt und in einigen Fällen sogar operativ behandelt werden. Knochenbrüche machen etwa 28 Prozent aller Sportverletzungen aus, in den meisten Fällen heilen sie jedoch ohne Spätfolgen aus, sodass die Patienten nach einigen Wochen wieder Sport treiben können.

»Jede dritte Sportverletzung ist eine Prellung oder Stauchung.«

Beim Achillessehnenriss ist die Beweglichkeit schlagartig stark eingeschränkt. Die Betroffenen erinnern sich meist noch an das peitschenähnliche Geräusch beim Reißen der Sehne. Studien haben gezeigt, dass die Achillessehne in jungen Jahren durch Training zwar an Stabilität gewinnt, diese bei einer Sportpause aber wieder abnimmt. Beginnen die Mittdreißiger dann nach beruflicher oder familiär bedingter Pause wieder mit Sport ohne ihre körperlichen Grenzen zu respektieren, steigt das Risiko auch für solch schwer wiegende Sportverletzungen wie einen Achillessehnenabriss.

Wie Abschürfungen schneller heilen Sie gehören schon fast zu den Bagatellsportverletzungen. Gerade im Fahrrad- und Skatersport können sie aber schwerwiegend sein, da die Kleidung Beine und Arme frei lässt und man mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist. Bei einem Sturz können dann große Hautpartien betroffen sein.

Meist finden sich in den Hautabschürfungen Schmutz und andere Fremdkörper. Eine eventuelle Blutung sollte man erst einmal nicht stoppen, denn so „spült” der Körper Dreck und Krankheitserreger selbst hinaus. Die meisten Schürfwunden bluten jedoch kaum oder gar nicht, sie nässen eher. Daher muss man Dreck, Steinchen und andere Fremdkörper unbedingt aus der Wunde entfernen. Danach sollte die Abschürfung mit einem Desinfektionsspray gereinigt werden.

Am besten heilen diese Wunden offen an der Luft. Allerdings können so auch leicht Keime und andere Krankheitserreger eindringen, vor allen Dingen, wenn es sich um größere Areale handelt. Es ist daher immer eine Risiko- Nutzen-Abwägung, ob man die Verletzung mit einem Pflaster oder Verband abdeckt oder offen lässt. Bei sehr tiefen Schürfwunden oder wenn die Stelle sich entzündet, anschwillt und stark schmerzt, sollte man einen Arzt aufsuchen.

Oberflächliche Schürfwunden, bei denen lediglich die Epidermis, aber nicht die Lederhaut verletzt ist, heilen meist problemlos und ohne Narben ab. Ist die Lederhaut in Mitleidenschaft gezogen, kann es jedoch zu Narbenbildung kommen. Dagegen können spezielle Wundauflagen helfen. Wichtig ist, dass die Verletzung nie mit der Wundabdeckung verklebt und so beim Wechseln des Verbandes wieder aufreißt. Bei allen offenen Stellen gilt außerdem: Tetanusschutz überprüfen! Schon kleinste Abschürfungen können für eine Infektion mit dem gefährlichen Erreger des Wundstarrkrampfs ausreichen.

Chronisch krank In den 1980er-Jahren, als Tennis zum Volkssport wurde, entstand ein neues Krankheitsbild: der Tennisarm. Mittlerweile gibt es ihn auch in der Version des „Golfarms”, doch das Prinzip ist dasselbe. Bei beiden sind die Sehnenansätze bestimmter Muskelgruppen am Unterarm dauerhaft gereizt.

Während beim Tennisarm die Handgelenk- und Fingerstrecker betroffen sind, schmerzen beim Golferarm die Handgelenk- und Fingerbeuger. Die Beschwerden können soweit gehen, dass die Muskelfunktion der Hand vollständig eingeschränkt ist. Die Behandlungen reichen bei Golf- und Tennisarm von Ruhigstellen und Kühlen über Stoßwellentherapie bis hin zu lokalen Kortisongaben. Bei hartnäckigen Fällen werden operativ Nervenfasern durchtrennt beziehungsweise Handgelenk- und Fingerstrecker eingekerbt, um eine Schmerzfreiheit zu erreichen. Der jeweilige Sport kann bei einer solch chronischen Verletzung meist nicht mehr ausgeübt werden.

zwei fußballspielende jungen
Beim Kontaktsport Fußball kommt es sehr häufig zu Verletzungen – besonders an Knien und Knöcheln.

Aufwärmen und Dehnen: Nötig oder überbewertet? Eine ganz bestimmte „Sportverletzung” hatten wir sicherlich alle schon einmal: den Muskelkater. Schließlich handelt es sich dabei um mikrofeine Risse in den Muskelfasern, die durch eine Überbeanspruchung der Muskeln entstehen. Ein Muskelkater ist zwar unangenehm, aber harmlos, und doch steht er symbolisch für viele andere Sportverletzungen, denn die meisten rühren daher, dass man seinen Körper schlichtweg überfordert.

Hilft also Aufwärmen und Dehnen vor dem Sport? Studien haben gezeigt, dass weder Dehnen noch Aufwärmen einem Muskelkater vorbeugt. Um ihn zu vermeiden, muss man es einfach langsamer angehen lassen. Aufwärmen vor dem Sport ist trotzdem wichtig. Die Körpertemperatur sollte von 37 auf 38,5 bis 39 °C gesteigert werden, denn dann ist Untersuchungen zufolge eine um bis zu sieben Prozent erhöhte Leistungsfähigkeit gegeben.

Gleichzeitig sinkt die Verletzungsgefahr, da mit dem Ansteigen der Körpertemperatur bestimmte physiologische Prozesse angestoßen werden. Zum einen wird die Durchblutung angeregt, was zu einer verbesserten Nährstoffversorgung von Muskeln, Bändern und Sehnen führt. Das Knorpelgewebe verdickt sich durch Wasseranreicherung bei erhöhter Körpertemperatur um etwa ein Drittel. Dadurch können die Gelenke eine höhere Drucklast aufnehmen.

Auch das Herz-Kreislauf-System wird aktiviert, wodurch mehr Blut durch den Körper gepumpt und somit auch die Sauerstoffversorgung, wie die der Muskeln, erhöht wird. Außerdem wird die innere Reibung der Muskeln reduziert, sodass sie elastischer werden. Wie eine gut geschmierte Maschine verbraucht der Körper hierdurch weniger Energie und kann höhere Leistung erbringen.

Richtiges Aufwärmen beansprucht etwa die Hälfte der später beim Sport benötigten Muskelleistung und sollte etwa zehn bis fünfzehn Minuten dauern. Das Dehnen oder Stretching, vor oder nach dem Sport, wird mittlerweile jedoch von Sportwissenschaftlern kritisch gesehen, denn beim dynamischen Dehnen (die Dehnposition wird wiederholt kurz gehalten und dann wieder gelockert) reagiert der Muskel ab einem gewissen Punkt wiederum mit einem Kontraktionsreiz.

Für Sportarten, die eine hohe Beweglichkeit fordern, wie Gymnastik, Tanz oder Ballett, ist statisches Dehnen (der Muskel wird gedehnt und etwa 30 Sekunden in diese Position gehalten) sinnvoll. Ansonsten wird allen anderen Freizeitsportlern jedoch mittlerweile vom Dehnen abgeraten. Übrigens: Ist der Muskelkater dann doch da, sollte man die betroffenen Partien auf keinen Fall massieren. Dadurch werden die von den Muskelrissen betroffenen Stellen noch mehr gereizt. Wärmebehandlungen hingegen können den unangenehmen Muskelschmerz lindern. Ansonsten gilt: Lassen Sie es langsam angehen! Besonders dann, wenn Sie eine neue Sportart ausprobieren.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/12 ab Seite 14.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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