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Muskel- und Gelenkschmerzen

VON KATERN UND KRÄMPFEN

Überbeanspruchung und Verschleiß sind die häufigsten Ursachen für Muskel- und Gelenkschmerz. Die Zielgruppe für eine kompetente Beratung ist riesig und betrifft alle Altersklassen.

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Im Apothekenalltag ist der Kundenwunsch nach einer guten Schmerzsalbe, den klassischen Schmerztabletten mit antientzündlicher und analgetischer Wirkung oder einem Wärmepflaster PTA und Apothekern wohlbekannt. Die besondere Kompetenz der pharmazeutischen Mitarbeiter zeigt sich darin, dass eine sorgfältige Anamnese vorgenommen wird.

Erst wenn die genauen Beschwerden, deren Intensität, Dauer und der mögliche Grund bekannt sind, kann unter Berücksichtigung der Grenzen der Selbstmedikation das richtige Mittel empfohlen werden. Auch die Darreichungsform, die der Patient bevorzugt, sollte erfragt werden. Insbesondere bei Beschwerden des Bewegungsapparates hat so jeder Patient seine besonderen Vorlieben. 

Auslöser Viele Kunden können gar nicht beschreiben, wo ihre Schmerzen herkommen. Schon geringe, aber einseitige Beanspruchungen bestimmter Muskel- oder Gelenkgruppen, können zu Verspannungen und Schmerzen führen. Die gebückte Sitzposition am Arbeitsplatz, falsches Heben oder übermäßige Arbeiten in Haus und Garten zählen dazu. Hinzu kommt oftmals auch eine Verstärkung der Beschwerden durch psychische Belastung.

Wer gestresst ist oder ohne regelmäßige Pausen hoch konzentriert arbeitet, ist nicht nur innerlich angespannt, sondern auch muskulär. Häufig klagen Sportler über Muskelschmerzen nach besonderer Anstrengung oder alte Menschen, die unter fortgeschrittenen Verschleißerkrankungen des Bewegungsapparates leiden.

Akute Schmerzen nach übermäßiger Beanspruchung werden von chronischen Beschwerden, zum Beispiel aufgrund von Arthrose oder Rheuma unterschieden. Diese Abgrenzung ist wichtig, um die richtige Therapie auszuwählen und die Grenzen der Selbstmedikation zu erkennen. Bei akuten Beschwerden – beispielsweise Verletzungen, Prellungen oder Zerrungen – wird eher gekühlt und bei chronischen Schmerzen eher gewärmt.

Welche Temperatur in der individuellen Situation am besten ist, sollte der Betroffene vorsichtig ausprobieren und eventuell mit einem Arzt besprechen. Viele akute Zustände können im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden. Bei chronischen Beschwerden und bekannten Vorerkrankungen des Bewegungsapparates ist in der Regel eine ärztliche Konsultation erforderlich.

PHYTOPROFIL BEINWELL

Der echte Beinwell – Symphytum officinale – ist eine anerkannte Heilpflanze. Die volkstümlichen Namen sind „Wallwurz“ und „Beinwurz“ und deuten auf das Zuwachsen einer Wunde hin. Für die wundheilende Wirkung ist das Allantoin verantwortlich. Die Gerbstoffe haben entzündungshemmende und adstringierende Effekte und die Terpene wirken antibakteriell. Auch enthalten sind Pyrrolizidinalkaloide, die für die blutstillenden Eigenschaften verantwortlich sind. Die Anwendung sollte eben wegen der enthaltenden lebertoxischen und krebsfördernden Pyorrolizidinalkaloide nur äußerlich erfolgen. Hier konnte in klinischen Studien sogar eine vergleichbare Wirkung wie Diclofenac bei akuten einseitigen Verstauchungen demonstriert werden. Beinwell ist in Fertigpräparaten als Cremes und Salben enthalten, kann aber auch als warmer Umschlag zum Einsatz kommen.

Sportverletzungen In Deutschland zählt man etwa 1,5 Millionen Verletzungen pro Jahr, die beim Sport passieren. Am häufigsten kommen Muskelverletzungen, Prellungen und Verstauchungen vor. Prellungen der Muskulatur sind meistens harmlos, aber schmerzhaft. Die Einblutungen in das Gewebe nach Stoßeinwirkung sind für die zunächst bläulichen Flecke, die dann ihre Farbe wechseln, verantwortlich.

Um Hämatombildung entgegenzuwirken sollten Prellungen direkt gekühlt und dann mit abschwellenden Gelen oder Salben behandelt werden. Pflanzliche Zubereitungen mit Arnika- oder Beinwellextrakten haben sich mit ihrer abschwellenden und antientzündlichen Wirkung bewährt. Alternativ können topische Zubereitungen mit Heparinoiden aufgetragen werden.

Das mehrmals tägliche Auftragen unterstützt die raschere Rückbildung der Blutergüsse. Auch homöopathische Komplexmittel mit Inhaltstoffen von Arnika, Calendula, Hypericum, Chamomilla und anderen Heilpflanzen werden gerne als Tabletten oder Salbe gegen Blutergüsse und Sportverletzungen angewendet.

Muskuläre Probleme Typische Muskelbeschwerden sind Muskelkater, Muskelkrämpfe und Muskelfaserrisse. Ein Muskelkater tritt ein bis zwei Tage nach einer ungewohnten Anstrengung auf, die Muskeln fühlen sich schwer an und sie schmerzen. Die Beanspruchung verursacht im Muskel feine Risse, die Wasser in das Gewebe eindringen und anschwellen lassen. Dieser Prozess verursacht Schmerzen, die nach einigen Tagen wieder abklingen.

Länger andauernde und plötzlich stechende Schmerzen können auf einen Muskelfaserriss zurückgehen. Dabei sind einzelne oder mehrere Fasern durch die Überbeanspruchung gerissen. Es schießt sofort Blut in das Gewebe. Häufig sind Oberschenkel oder Wade betroffen. Kühlung, Kompression und Schonung sind die wichtigsten Sofortmaßnahmen.

Deren Wirkung lässt sich in manchen Fällen steigern, wenn zusätzlich proteolytische Enzyme wie Bromelain oder Trypsin (tierisches Enzym) eingenommen werden. Diese Enzyme bauen entzündungsfördernde Proteine ab, wie sie an verletzten Stellen im Gewebe entstehen. So heilten in Studien akute Sportverletzungen, die mit Schwellung sowie Blutergüssen (Hämatomen) einhergingen, unter Gabe von Bromelain schneller als unter ausschließlicher physikalischer Therapie.

Bromelain spaltet das Gewebehormon Bradykinin und führt so zu einer Abdichtung der feinen Kapillaren mit einem antiödematösen Effekt. Außerdem wirkt es antiphlogistisch. Ob diese Enzympräparate auch präventiv eingenommen werden können, wird derzeit noch diskutiert. Ist nur ein kleiner Teil der Muskelbündel gerissen, handelt es sich um eine Muskelzerrung. Diese kann durch vorsichtige Bewegungen und Dehnungen kombiniert mit Kühlung gut behandelt werden.

Eine Muskelzerrung und ein Muskelfaserriss unterscheiden sich nur durch das Ausmaß der Schädigung.

Ursachen für Krämpfe Muskelkrämpfe in den Beinen treten ebenfalls häufig nach Belastung auf. Anstrengungen und starkes Schwitzen können zu Magnesiumverlusten und darauf folgenden Krämpfen führen. Ausreichende Magnesiumzufuhr ist eine gute Empfehlung für jeden Sportler. Hier gibt es in der Apotheke ein großes Sortiment von Brausetabletten, Trink- und Direktgranulaten und Tabletten in verschiedenen Dosierungen und Geschmacksrichtungen.

Viele Firmen stellen Proben zur Verfügung, damit der Kunde das jeweilige Produkt ausprobieren kann. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil der Apothekenprodukte gegenüber den Magnesiumpräparaten aus dem Supermarkt. Akute Krämpfe werden am besten durch vorsichtige Lockerung und Einreibungen gelöst. Bei den wärmenden, hyperämisierenden Salben und Cremes mit Nicotinsäurederivaten oder Cayennepfeffer sollte immer der Hinweis ausgesprochen werden, nach dem Einreiben die Hände gründlich zu waschen und nicht an die Schleimhäute gelangen zu lassen.

Gegen Muskelkater und Muskelverhärtungen können auch Wärmepflaster oder eine Wärmflasche empfohlen werden. Viele pflanzliche ätherische Öle wirken ebenfalls als Einreibung oder Badezusatz durchblutungsfördernd und muskelentspannend. Das mittlerweile verschreibungspflichtige Chinin wirkt auch gegen Muskelkrämpfe, mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten, die die QT-Zeit verlängern beziehungsweise besondere Risiken des Patienten sollten ausgeschlossen werden.

Klagt ein Kunde in der Apotheke über ständige Muskelschmerzen, sollten PTA und Apotheker nach Vorerkrankungen und Dauermedikamenten fragen. Statine können beispielsweise bei Überdosierung Myopathien hervorrufen. Aber auch Durchblutungsstörungen und Nervenentzündungen können zu ähnlichen Beschwerden führen, die Patienten dann als Muskelschmerzen zuordnen.

Kombinationspräparate mit Uridinmonophosphat, Vitamin B12 und Folsäure können dann empfohlen werden, wenn die Schmerzen auf Nervenreizungen zurückzuführen sind, die durch Verkrampfungen der Muskulatur ausgelöst werden. Diese Nährstoffe sind eine ergänzende Therapieoption zur allgemeinen Schmerzbehandlung. Verspannungen im Rückenund Schulterbereich sind häufig Auslöser für Spannungskopfschmerz. Bei unkomplizierten Beschwerden hilft es oft schon, die betroffene Körperregion durch Wärme, Massage oder physiotherapeutische Übungen zu lockern.

Die beste Maßnahme zur Vorbeugung ist regelmäßige sportliche Betätigung. Hartnäckige Schmerzen können begleitend durch Analgetika der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), zum Beispiel Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen oder Muskelrelaxanzien gelindert werden. Dauerhafte Muskelschmerzen und Muskelverhärtungen können zu einer Chronifizierung des Schmerzes führen und sollten von einem Arzt untersucht und behandelt werden.

ERSTE HILFE BEI SPORTVERLETZUNGEN – PECH-SCHEMA

Pause: Die sportliche Aktivität wird sofort beendet. Ruhigstellung des verletzten Körperteils.

Eis: Die Kühlung des verletzten Körperteils bremst die nachfolgende Entzündungsreaktion des Körpers. Gekühlt wird etwa 15 bis 20 Minuten mit Eisbeuteln, kalten Umschlägen oder Kühlkompressen. Dabei sollte das Eis niemals direkt auf die Haut gelegt werden. Eissprays werden nur auf intakte Haut gesprüht.

Compression: Um Schwellungen zu vermeiden, wird ein leichter Kompressionsverband angelegt. Er sollte nicht zu straff gewickelt werden.

Hochlagern: Das betroffene Körperteil wird möglichst höher als das Herz gelagert.

Gelenkschmerz Schmerzen in den Gelenken können viele Gründe haben: Bis zu 400 verschiedene Arten von Gelenkschmerz werden unterschieden! Oftmals steckt hinter anhaltenden Beschwerden eine chronische Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis. Dabei sind die Schmerzen überwiegend mit einer Einschränkung der Beweglichkeit verbunden. Es gibt aber auch Schmerzen, die die Haut, innere Organe und das Nervensystem betreffen und trotzdem dazu gehören, wie die Fibromyalgie, auch „Weichteilrheumatismus“ genannt.

Hier werden die Schmerzen zu den neuropathischen Schmerzen gezählt, die mit Antidepressiva oder Gabapentin erfolgreicher behandelt werden als mit den klassischen NSAR. Bei alten Menschen verursachen typische Verschleißerscheinungen in den Gelenken die Schmerzen. Von Arthrose betroffen sind oftmals die Fußund Handgelenke, das Knie oder die Hüfte. Wenn die Knorpelsubstanz – die sogenannte Gelenkschmiere – im Gelenk zurückgeht, reiben Knochen aufeinander.

An den stark beanspruchten Stellen bildet sich die Knorpelsubstanz zurück und neue Knochensubstanz entsteht. Der Gelenkspalt verengt sich weiter und die Knochen reiben mehr und mehr aneinander. Problematisch ist, dass sich Knorpelzellen in der Matrix aus Hyaluronsäure und Proteoglykanen nicht mehr teilen können und so nicht regenerierbar sind. Es entstehen Schäden in der Knochen- und Gelenkinnenhaut mit schmerzhaften entzündlichen Prozessen.

Verschärft werden diese Vorgänge durch mangelnde Bewegung, Übergewicht oder sehr starke körperliche Belastungen. Gut erkennbar sind Arthrose- Patienten daran, dass sie über typische Anlaufschmerzen am Morgen berichten. Im fortgeschrittenen Stadium kommen Schmerzen im Ruhezustand dazu. Die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke ist eingeschränkt. Therapeutisch können Chondroprotektiva helfen, die noch verbliebene Knorpelsubstanz zu stärken.

Glucosamin oder Chondroitinsulfat und Hyaluronsäure sind Bausteine des Knorpels und sollen eine unterstützende Wirkung bei Arthrose haben. Wenn eine Behandlung mit Chondroprotektiva erfolgt, sollten PTA und Apotheker auf eine regelmäßige längerfristige Einnahme hinweisen, denn sie sind nicht zu verwechseln mit Schmerzmitteln, die kurzfristig und schnell Wirkung zeigen. NSAR können je nach Wunsch des Kunden als Gele oder Salben mehrmals am Tag aufgetragen werden.

Auch hyperämisierende Salben werden zur Linderung eingesetzt. Bei Entzündungen und stärkeren Schmerzen sind nichtsteroidale Antirheumatika in oraler Form die Mittel der Wahl. Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ketoprofen, Ibuprofen und Piroxicam sind gleichermaßen anwendbar. Eine längerfristige hochdosierte Therapie mit NSAR sollte in Kombination mit einem Protonenpumpenhemmer als Magenschutz vorgenommen werden, zumal viele ältere Patienten auch eine Polymedikation erhalten.

Als Mittel der ersten Wahl bei leichten bis mäßigen Arthroseschmerzen ohne akute Entzündungssymptome gilt Paracetamol. Entscheidend ist, dass die Höchstdosis von 4 x1 g/Tag wegen der Lebertoxizität nicht überschritten wird. Eine Kortikoidinjektion in das Gelenk durch den Arzt ist eine weitere sinnvolle Maßnahme, um Entzündungsprozesse zu stoppen.

WIRKPROFIL VON NSAR
Wirkstoffe

Acetylsalicylsäure - schmerzlindernd (bei leichten bis mäßig starken Schmerzen), fiebersenkend, entzündungshemmend und thrombozytenaggregationshemmend

Paracetamol schmerzlindernd (bei leichten bis mäßig starken Schmerzen), fiebersenkend, wenig entzündungshemmend

Ibuprofen schmerzlindernd (bei leichten bis mäßig starken Schmerzen), fiebersenkend, entzündungshemmend; auch bei rheumatischen Beschwerden

Naproxen schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend; auch bei schmerzhaften Schwellungen und Entzündungen nach Verletzungen

Diclofenac schmerzlindernd (bei leichten bis mäßig starken Schmerzen), fiebersenkend, entzündungshemmend; auch bei rheumatischen Beschwerden

A und O In der Apotheke sollten PTA und Apotheker die typischen „Gelenk- und Arthrosepatienten“ auf die richtige Begleittherapie aufmerksam machen. Wer mit den Gelenken Probleme hat, sollte nach Rücksprache mit dem Arzt gelenkschonende Sportarten berteiben. Dazu zählen Schwimmen, Fahrradfahren, Spazierengehen oder Wassergymnastik.

Dabei gilt die Maxime: Jeder so viel, wie er kann! Bewegung in Maßen stärkt die Muskulatur und regt die Versorgung in den Gelenken an. Wärmebäder entspannen, und spezielle Ergotherapie kann die Beweglichkeit verbessern. Auch der Hinweis auf eine fleischarme, gesunde Ernährung und moderate Gewichtsreduktion bei Übergewicht ist sinnvoll.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 62.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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