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Botanicals

VITAMINREICHE FRÜCHTE MIT POTENZIAL

Hagebutten sind mehr als Vitamin-C-haltige Früchte, die man zu einem fruchtigen Tee verarbeiten kann. Ihr antientzündliches Wirkspektrum wird in Nahrungsergänzungsmitteln zur Linderung von Gelenkbeschwerden genutzt.

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Hagebutten sind die roten Früchte diverser Arten der Gattung Rosa innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Sie werden vor allem von der Hundsrose (Rosa canina L.) und der Alpenheckenrose (Rosa pendulina L.) gesammelt, die beide zu den Wildrosen zählen. Während die bis zu drei Meter hohe Hundsrose in ganz Europa vor allem an Wald- und Wegrändern vorkommt, findet sich die etwas kleinere Gebirgs- oder Alpenheckenrose lediglich in den Laub- und Nadelwäldern der Alpen, im Alpenvorland und in den Vogesen.

Dekorative Wildrosen Rosa canina L., die Hundsrose, wird volkstümlich auch Heckenrose genannt, da sie häufig in Feldhecken wächst. Ihr Artname (von lat. canina = Hund) bedeutet so viel wie hundsgemein und nimmt damit auf die ubiquitäre Verbreitung Bezug. Der Strauch treibt ausladende, überhängende Zweige, die mit kräftigen, nach hinten gebogenen Stacheln (haken- oder sichelförmig) besetzt sind. Seine Blätter sind unpaarig gefiedert und bestehen aus fünf bis sieben Fiederblättchen mit gesägtem Blattrand.

Im Juni erscheinen weiße bis rosafarbene ungefüllte, fünfzählige Blüten, die einzeln oder bis zu zehnt zusammenstehen. Die Blüten von Rosa pendulina L. stehen hingegen immer einzeln und sind kräftig dunkelrot gefärbt. Ihre rötlichen Zweige unterscheiden sich von anderen Wildrosen durch das Fehlen von Stacheln. Nur die jungen Triebe sind unten mit geraden Stacheln besetzt. Die Alpenheckenrose ist zudem unter dem Synonym Hängefrucht-Rose bekannt, was auf ihren überhängenden buschigen Wuchs verweist und auch im Artnamen (von lat. pendere = hängen) zum Ausdruck kommt.

Rote Hagebutten Im Spätsommer reifen die dekorativen Hagebutten heran und schmücken die Sträucher bis ins nächste Frühjahr hinein. Der Begriff Hagebutte deutet zum einen auf ihr Vorkommen in Hecken hin, da „Hag“ ein altdeutscher Begriff für ein von Hecken umgebenes Gelände ist. Zum anderen macht er auf ihre Form aufmerksam, denn „Butten“ steht für Butzen und bedeutet Batzen, Klumpen oder Fässchen. Die etwa ein bis zwei Zentimeter langen Früchte sind von der Gestalt sehr variabel, wobei sich an einem Strauch immer die gleiche Hagebuttenform ausbildet. Während die Hagebutten von Rosa canina L. alle bekannten Formen haben können (länglich-ellipsoidisch, eiförmig, flaschenförmig), sind die von Rosa pendulina L. meist flaschenförmig.

Sammel- und Scheinfrüchte Botanisch handelt es sich bei der Hagebutte um Sammelfrüchte. In ihrem Inneren stehen dichtgedrängt mehrere harte, kantige hellgelbe bis gelbbraune Einzelfrüchte, die Nüsschen, die mit dem fleischigen Blütenboden eine Einheit bilden. Die derbe Fruchtwand ist innen mit zahlreichen seidigen, wiederhakenbestückten Härchen besetzt. Diese lösen bei Hautkontakt Juckreiz aus, weshalb sie vor allem von Kindern seit altersher für die Herstellung von Juckpulver Verwendung finden. Zudem sind Hagebutten Scheinfrüchte, da an der Fruchtbildung nicht nur der Fruchtknoten, sondern auch die fleischige Blütenachse (Achsenbecher) beteiligt ist.

Hagebutten können nicht roh verzehrt werden. Man kann sie aber zu schmackhaften Gelees oder Marmeladen verarbeiten.

Hagebutten, -kerne und -schalenDie Nüsschen werden fälschlicherweise als Samen bezeichnet und wurden früher als Hagebuttenkerne unter der veralteten Bezeichnung Cynosbati Semen gehandelt. Sie sind in der Volksmedizin noch heute eine beliebte Droge bei Nieren- und Blasenerkrankungen, Gicht, rheumatischen Beschwerden und Ischias. Als Hagebutten (Rosae pseudo-fructus cum fructibus, alte Benennung: Fructus cynosbati) kommen die getrockneten ganzen oder zerkleinerten roten Scheinfrüchte in den Handel. Sie bestehen aus Achsenbecher und Einzelfrüchten (Nüsschen). Ihre Qualität ist im Deutschen Arzneimittel Codex (DAC) festgelegt. Im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) findet sich die Monographie Hagebuttenschalen (Rosae pseudo-fructus, alte Benennung: Fructus Cynosbati sine Semine).

Hagebuttenschalen sind die von den Nüsschen und den auf dem Blütenboden sitzenden Haaren befreiten Achsenbecher der Scheinfrucht. Alle Drogen hatten von der Kommission E keine positive Monographie erhalten, da damals das vorliegende wissenschaftliche Erkenntnismaterial die Wirksamkeit nicht (ausreichend) belegen konnte. Inzwischen sind jedoch die Hagebutte und die Hagebuttenschalen von der ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) positiv monographiert und werden zur unterstützenden Behandlung von Erkältungen und Grippe (Hagebuttenschalen und Hagebutte) sowie unterstützend zur Linderung von Gelenkarthrose-bedingten Schmerzen und Steifheit (Hagebutten) empfohlen.

Hagebuttentee Die seit langem bewährte Anwendung der Hagebuttenschalen und Hagebutte bei Erkältungen beruht auf dem hohen Gehalt an Ascorbinsäure (Vitamin C). Die Hagebutte weist unter den einheimischen Früchten mit circa 500 Milligramm (mg)/100 Gramm (g) den höchsten Vitamin C-Gehalt auf. Die Drogen werden daher häufig Erkältungstees zugegeben. Aufgrund ihres sauren Geschmacks sind sie auch ein beliebtes Geschmackskorrigenz in Haus- und Früchtetees.

Auch reiner Hagebuttentee ist erhältlich. Da er allerdings nicht stark gefärbt ist, werden ihm häufig andere rotfärbende Komponenten (meist Hibiskus) zugesetzt. Die volkstümlich postulierten harntreibenden und laxierenden Eigenschaften der Hagebuttenschalen und der Hagebutte werden auf den Pektin- und Fruchtsäuregehalt zurückgeführt. Obwohl die Effekte nicht allgemein wissenschaftlich bestätigt werden können, finden sich Hagebuttenschalen und Hagebutte manchmal noch als traditioneller Bestandteil in Entwässerungs- und Abführtees.

HagebuttenpulverDie ESCOP-Empfehlung, Hagebutten bei Gelenkarthrose-bedingten Schmerzen und Steifheit einzusetzen, ist auf ein Galactolipid, einen sekundären Pflanzenstoff, zurückzuführen, der aus einem Zuckeranteil (Galactose) und Fettsäuren besteht. Er ist in der Lage, Entzündungsreaktionen zu hemmen und somit Symptome wie Morgensteifigkeit und eine durch starke Schmerzen eingeschränkte Beweglichkeit von Arthrosepatienten zu verbessern. Zudem werden antioxidative Effekte angenommen. Dementsprechend werden zum Erhalt der Beweglichkeit der Gelenke Nahrungsergänzungsmittel (bislang keine pflanzlichen Arzneimittel) aus Hagebuttenpulver angeboten.

Das Hagebuttenpulver wird aus den getrockneten Scheinfrüchten hergestellt, wobei in der Regel sowohl die Schale als auch die Nüsschen unter Beseitigung der reizenden Haare verarbeitet werden. Studien wurden beispielsweise mit einem dänischen Hagebuttenpulver mit einer Tagesdosis von 1,5 mg beziehungsweise 3 mg Galaktolipid durchgeführt. Zu beachten ist, dass die Ergebnisse nicht automatisch auf andere Hagebutten-Produkte übertragbar sind und die Angaben zur erforderlichen Tagesmenge beziehungsweise Dosierung bei den im Handel befindlichen Präparaten voneinander abweichen.

Achtung! Da das wirksamkeitsbestimmende Glactolipid fettlöslich ist, können die entzündungshemmenden und antioxidativen Effekte nur für Zubereitungen aus Hagebuttenpulver, jedoch nicht für wässrige Extrakte (Tee) angenommen werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/2020 ab Seite 30.

Gode Chlond, Apothekerin

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