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Seltene Erkrankungen von A bis Z

VIEL ZU SPÄT

Morbus Fabry wird meist erst nach vielen Jahren diagnostiziert. Dies ist umso schlimmer, da man viele ihrer schweren Folgeschäden durch eine frühe Therapie verhindern kann.

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Die Fabry-Krankheit zählt zur Gruppe der lysosomalen Speicherkrankheiten. Bei diesen sehr seltenen Stoffwechselerkrankungen fehlen bestimmte Enzyme in den Lysosomen, den kleinen „Entsorgungsanlagen“ der Körperzellen. In ihnen werden Zucker, Eiweiße, Fette oder andere Moleküle abgebaut, sodass ihre Bausteine ausgeschieden werden können oder für andere Stoffwechselvorgänge zur Verfügung stehen.

Im Fall des Morbus Fabry kommt es in den Lysosomen zu einem Mangel des Enzyms alpha-Galaktosidase A . Fehlt dieses Enzym, kann das Lipid Globotriaosylceramid (Gb3) nicht mehr weiter zu Lactosylceramid abgebaut werden und sammelt sich in den Lysosomen an, was die Funktionsfähigkeit der Zellen zunehmend beeinträchtigt. Hiervon besonders betroffen sind in der Regel die Endothelzellen der Blutgefäße, bestimmte Nierenzellen sowie Herzmuskelzellen und Neuronen, was sich auch im klinischen Bild der Erkrankung widerspiegelt.

 Mutation auf dem X-Chromosom Ursache des Morbus Fabry sind vererbte Mutationen im Gen für die alpha-Galaktosidase A, das sich auf dem X-Chromosom befindet. Sie führen dazu, dass das Enzym entweder gar nicht mehr hergestellt wird oder nur noch in zu geringen Mengen. Obwohl Männer und Frauen gleich häufig an der Erkrankung leiden, zeigen sich die Symptome bei Männern in der Regel früher und verstärken sich auch rascher, sofern keine Restaktivität des Enzyms mehr vorhanden ist. Grund hierfür ist, dass Männer nur ein X-Chromosom besitzen und die Mutation daher nicht wie bei Frauen durch ein intaktes GLA-Gen auf dem zweiten X-Chromosom kompensiert werden kann.

Dennoch bricht die Erkrankung auch bei betroffenen Frauen aus, wenn auch zumeist später und mit leichterem Verlauf. Man vermutet, dass dies darauf beruht, dass in jeder Körperzelle eines der beiden X-Chromosomen nach dem Zufallsprinzip inaktiviert wird, sodass nicht jede Zelle das Enzym bilden kann. Da die Inaktivierung der beiden X-Chromosomen im Körper keineswegs immer im gleichen Verhältnis erfolgt, können die Symptome auch bei Frauen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Im Durchschnitt haben sie dennoch mit rund 60 Jahren eine höhere Lebenserwartung als männliche Patienten, bei denen sie etwa 45 Jahre beträgt.

Frühe Symptome Erste Anzeichen der Erkrankung treten meist schon im Alter von vier bei acht Jahren auf. Hierbei kommt es durch die Schädigung von Nervenzellen zu neuropathischen Schmerzen an den Extremitäten, entweder in Form anfallsartig auftretender brennender Schmerzen an Händen und Füßen, die zur Körpermitte hin ausstrahlen (Fabry-Krise), oder in Form brennender chronischer Schmerzen, die mit Taubheitsgefühlen einhergehen können.

Neuronale Schäden bewirken auch, dass Betroffene früh unter Hypo- oder Anhidrose leiden, das heißt, sie sind nur eingeschränkt oder gar nicht fähig, zu schwitzen. Weitere Frühsymptome umfassen gastrointestinale Probleme, Hornhauttrübungen sowie Angiokeratome, kleine bläuliche Pusteln, die häufig an Gesäß oder Oberschenkeln auftreten.

Organschäden Mit dem Fortschreiten der Krankheit werden zunehmend auch bestimmte Zellen in Nieren und Herz geschädigt. Eine häufige Folge davon ist, dass es bereits im frühen Erwachsenalter zu einer eingeschränkten Nierenfunktion kommen kann (Fabry-Nephropathie), die unbehandelt zur terminalen Niereninsuffizienz führt, sodass die Patienten auf eine Dialyse angewiesen sind.

»Es dauert auch heute noch im Schnitt 20 Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird.«

Am Herzen äußert sich die Erkrankung hauptsächlich an der linken Herzkammer, die zunehmend ihre Elastizität verliert und sich daher vergrößert, um noch eine ausreichende Blutmenge in den Körper pumpen zu können. Aber auch die Herzkranzgefäße und das Erregungsleitungssystem können betroffen sein. Unbehandelt haben die Betroffenen somit ein großes Risiko für Herzinsuffizienz, Infarkte und Herzrhythmusstörungen. Durch die Schädigung der Endothelzellen in den Blutgefäßen besteht bei den Patienten außerdem schon in jungen Jahren ein hohes Risiko für Schlaganfälle.

Problem: verzögerte Diagnose Bei Verdacht auf Morbus Fabry kann bei männlichen Betroffenen der Mangel an GLA durch einen einfachen Enzymtest nachgewiesen werden. Bei Männern mit einer Restaktivität des Enzyms und bei Frauen reicht dieser Test jedoch nicht aus, sodass hier ein molekularbiologischer Nachweis der Mutation erfolgen muss.

Eine möglichst frühe Diagnose der Erkrankung ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen können hierdurch weitere betroffene Familienmitglieder identifiziert werden, zum anderen sind die seit 2001 verfügbaren kausal wirkenden Therapien umso effektiver, je früher sie angewendet werden. Zwar können auch sie die an den Organen bestehenden Schäden in der Regel nicht mehr rückgängig machen. Sie sind jedoch in der Lage, das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und so die bestehenden Risiken zumindest zu verkleinern.

Dennoch dauert es auch heute noch im Schnitt rund 20 Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Neben der Seltenheit der Erkrankung, die nur etwa einen von etwa 40 000 Menschen betrifft, tragen hierzu auch die anfangs eher unspezifischen Symptome bei, die dem Arzt die Erkennung erschweren. Hinzu kommt, dass der Morbus Fabry sehr unterschiedlich verlaufen kann, sodass etwa bei manchen Patienten typische Frühsymptome fehlen.

ZUSATZ-INFORMATIONEN
Ersatz des fehlenden Enzyms
Bis vor etwas mehr als zehn Jahren konnte man bei Morbus Fabry nur die Symptome behandeln. Dies änderte sich erst als am Anfang des Jahrtausends, als die ersten beiden Enzymersatztherapien zugelassen wurden. Hierbei werden den Patienten per Infusion gentechnisch hergestellte Varianten der GLA zugeführt, welche die Aufgabe des fehlenden Enzyms übernehmen.
 
Die Therapie muss lebenslang, im Abstand von einigen Wochen, durchgeführt werden. Leider ist sie nicht bei allen Betroffenen wirksam: So können vor allen Dingen Patienten, die das Enzym noch nie produziert haben, mit der Bildung von Antikörpern gegen die zugeführten Enzyme reagieren, was die Wirkung der Therapie einschränkt oder gar zunichte macht. Diese Patienten hoffen auf die Weiterentwicklung der Enzymersatztherapie mit einer modifizierten Form der alpha-N-Acetylgalactosaminidase. Diese hat eine ähnliche Struktur und Wirkung wie alpha-Galaktosidase, jedoch „kennt“ der Körper von Morbus-Fabry-Patienten dieses Enzym und bildet dagegen keine Antikörper.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/13 ab Seite 122.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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