© Prostock-Studio / iStock / Getty Images
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Magen-Darm-Erkrankungen

VIEL POTENZIAL

Eine häufige Ursache für Durchfall ist die klassische, durch Viren oder Bakterien ausgelöste Reisediarrhoe. Aber auch Antibiotika-Therapien können zu einer Antibiotika- assoziierten Diarrhoe führen. Eine Therapieoption ist die Gabe von Probiotika.

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Die Medizin hat die enorme Bedeutung der Darmmikrobiota gerade erst entdeckt und vieles ist noch nicht verstanden. Man weiß aber bereits, dass eine aus dem Gleichgewicht geratene Mikrobiota eine viel größere Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielt als man sich bisher vorstellen konnte. Probiotika enthalten Mikroorganismen mit gesundheitsfördernden Eigenschaften, wenn diese in ausreichender Menge in den Darm gelangen, also die Magenpassage überleben, und sich dann im Darm vermehren. Die Zusammensetzung der Darmmikrobiota ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich und natürlich kann ein Probiotikum diese individuelle Besiedelung nicht ersetzen.

Die physiologischen Darmbakterien erhalten durch Probiotika sozusagen Verstärkung. Denn rund um die angesiedelten „Leitkeime“ haben es die anderen Keime leichter, sich nach einer Störung, beispielsweise durch eine Darminfektion oder nach der Einnahme von Antibiotika, wieder anzusiedeln. Besonders interessant ist hier die Arzneihefe Saccharomyces boulardii. Als Hefepilz unterscheidet sie sich von den bakteriellen Probiotika. Sie weist eine andere Wirkweise auf und ist resistent gegen Antibiotika. Ein aktuelles Review untersuchte nun die Mechanismen der Arzneihefe bei enteropathogenen Infektionen.1

Ganz unterschiedliche Effekte Einige Bakterien, wie beispielsweise Escherichia coli und Salmonella typhimurium, aber auch bakterielle Toxine wie das Cholera-Toxin von Vibrio cholerae, werden direkt an der Zellwand von Saccharomyces boulardii gebunden und anschließend rasch aus dem Darm ausgeschieden. Außerdem sekretiert die Arzneihefe Proteine, die einige bakterielle Toxine oder deren Rezeptoren inaktivieren und abbauen können. Nachgewiesen ist dies in vitro für die Toxine A und B von Clostridium difficile. S. boulardii kann darüber hinaus auf die Bildung einiger Virulenzfaktoren Einfluss nehmen.

Virulenzfaktoren sind Stoffwechselprodukte oder Strukturelemente der pathogenen Erreger, die deren krankmachende Wirkung bestimmen. Sie verleihen den Erregern zum Beispiel die Fähigkeit, an Zellen zu haften, in Zellen einzudringen oder sie zu zerstören. Bei enteropathogenen Keimen können sie beispielsweise die sogenannten Tight Junctions beeinflussen und dadurch die Durchlässigkeit des Darms erhöhen. Tight Junctions sind Bänder aus Membranproteinen, die die Epithelzellen verbinden und dadurch Zellzwischenräume verschließen. Sie bilden eine mechanische Barriere für Mikroorganismen in der Darmschleimhaut. S. boulardii kann dazu beitragen, die Festigkeit und Stabilität der Tight Junctions in der Darmschleimhaut und damit die Durchlässigkeit des Darmes zu erhalten.

Auch auf die Darmschleimhaut Durch eine virale oder bakterielle Infektion werden verschiedene Prozesse in der Darmschleimhaut, wie beispielsweise die Sekretion von Chlorid-Ionen, in Gang gesetzt. Dabei kommt es auch zu einer erhöhten Abgabe von Natrium-​Ionen in das Darmlumen und aufgrund des sich verändernden osmotischen Gradienten zu einer vermehrten Wasserausschüttung. Die Folge ist Durchfall mit entsprechendem Elektrolyt- und Wasserverlust. S. boulardii kann diesen Mechanismen entgegenwirken und die Sekretion der Chlorid-Ionen reduzieren. Für die Resorption von Wasser und Elektrolyten aus dem Darmlumen spielen auch die kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Butyrat und Propionat eine wichtige Rolle, deren Synthese durch S. boulardii ebenfalls positiv beeinflusst werden kann. Zusätzlich wurden auch antiinflammatorische und immunmodulatorische Effekte gefunden.

Und bei Antibiotika-assoziierter Diarrhoe? Probiotika können die Zusammensetzung der Darmmikrobiota positiv beeinflussen. Nehmen gesunde Probanden S. boulardii ein, ist dieser Effekt nicht zu beobachten. Während einer Antibiotika-Therapie kann die Arzneihefe hingegen der Reduktion der verschiedenen physiologischen Darmbakterien entgegenwirken und im Anschluss an die Therapie die Normalisierung der Darmmikrobiota beschleunigen. Da die Arzneihefe selbst resistent gegen Antibiotika ist, kann und soll sie auch schon während der Antibiotika-Therapie eingenommen werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2020 ab Seite 78.

Sabine Breuer, Apotheker/Chefredaktion

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