© alein / 123rf.com

Ernährung als Medizin

VERBOTE WAREN GESTERN

Rigorose Tabus und detaillierte Diätvorschriften gehören der Vergangenheit an; heute ist, in Maßen, alles erlaubt. Somit gelten im Prinzip für Diabetiker die gleichen Empfehlungen wie für Gesunde.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Früher mussten sich Diabetiker an einen vorgeschriebenen Zeitplan und strenge Diäten mit genauem Abzählen von Broteinheiten halten. Eine BE oder eine Kohlenhydratportion entspricht etwa zehn bis zwölf Gramm Kohlenhydraten. Inzwischen weiß man längst, dass es auf die Gesamtheit der Ernährungsweise und der Bewegungsgewohnheiten ankommt, nicht nur auf den Zucker in der Nahrung.

BE werden immer noch herangezogen, aber um den Gehalt an Kohlenhydraten abzuschätzen, nicht zur peniblen Berechnung – und auch das ist nur bei Patienten erforderlich, die insulinpflichtig sind oder Sulfonylharnstoffe einnehmen. Dann lassen sich mithilfe spezieller Kohlenhydrattabellen die Menge der zugeführten Kohlenhydrate und die Insulindosis beziehungsweise die Medikamenteneinnahme aufeinander abstimmen – und so gefährliche Hypoglykämien (Unterzuckerung) oder Blutzuckerspitzen nach dem Essen verhindern.

Nicht alle Kohlenhydrate wirken sich gleich stark auf die Höhe des Blutzuckers aus. Das Maß für diese „Blutzuckerwirksamkeit“ ist der glykämische Index (GI). Während beispielsweise Pasta aus Hartweizen eher einen niedrigen (also vorteilhaften) GI aufweist, schneiden manche Arten Weißbrot sowie Kartoffelpüree schlecht ab. Der GI hängt von einer Reihe von Faktoren ab, beispielsweise ist er in der Regel umso höher, je stärker ein Lebensmittel verarbeitet ist. Auch begleitende Komponenten spielen eine Rolle, so reduziert Fett die Geschwindigkeit, mit der nach dem Essen die Glukose im Blut zunimmt.

Und weil Mahlzeiten aus vielen Nahrungsmitteln bestehen, die sich wechselseitig beeinflussen, ist eine Orientierung an diesem Index wenig alltagstauglich. Besser umsetzbar ist das Wissen um einfache Zusammenhänge: Ein hoher Fasergehalt etwa lässt die Glukosewerte nicht so steil ansteigen, daher gelten Ballaststoffe wie sie in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst vorkommen, generell als günstig, zumal sie auch noch den Sättigungseffekt steigern. Das heißt, man kann Diabetikern (wie Gesunden) in jedem Fall raten, immer wieder mal Rohkost und Salat auf den Teller zu bringen oder lieber einen Apfel zu essen als Apfelsaft zu trinken.

Naschen erlaubt Auch Zucker dürfen Diabetiker zu sich nehmen, jedoch möglichst nur bis zu 50 Gramm pro Tag. Dabei muss der Zuckergehalt in diversen Lebensmitteln, neben Früchten etwa auch in vielen Fertigspeisen, berücksichtigt werden. Vorsicht ist gegenüber Fertiggetränken wie Eistee, Limonaden etc. geboten, da sich diese durch einen besonders hohen Zuckergehalt auszeichnen. Solche Produkte sind für Diabetiker allenfalls geeignet, um – ähnlich wie mit Traubenzucker – eine Hypoglykämie zu behandeln.

Gegen die – maßvolle – Verwendung von Süßstoffen wie zum Beispiel Saccharin oder Aspartam ist nichts einzuwenden. Der Verdacht auf Kanzerogenität solcher Stoffe hat sich nach Untersuchungen der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA nicht bestätigt.

Die Energiebilanz im Blick Speziell bei Typ-2-Diabetes ist es wichtig, dass Übergewicht reduziert wird, was bedeutet, dass sie auf den Kaloriengehalt von Speisen achten müssen. Denn Übergewicht verstärkt die Insulinresistenz. Gewichtsabnahme sorgt dagegen dafür, dass das noch produzierte Pankreashormon besser wirkt. Damit gehen die Zuckerwerte im Blut zurück. Auch regelmäßige Bewegung verhilft zu einem besseren Wirkungsgrad des Insulins.

WEIN & CO.
Sparsam genossen ist auch Alkohol kein Tabu bei Diabetes; maximal 15 Gramm dürfen es am Tag sein, jedoch möglichst nicht an jedem Tag in der Woche. Das entspricht in etwa einem kleinen Glas Wein oder einem (Pils-)Glas Bier. Die Patienten müssen aber darüber aufgeklärt sein, dass – abgesehen von den generellen Risiken – das Genussmittel die Neusynthese von Glukose in der Leber unterdrückt, sprich: es ist mit einer Hypoglykämie zu rechnen. Um dieser Entwicklung vorzubeugen, sollten vor allem Patienten, die Insulin spritzen oder Sulfonylharnstoffe einnehmen, Alkohol nur zusammen mit einer (kohlenhydrathaltigen) Mahlzeit genießen.

Um Fett zu sparen, ist eine fleischarme Ernährung mit viel Gemüse, Salat und Vollkornprodukten sinnvoll. Es kommt auch auf die Art der verzehrten Fette an: Höchstens zehn Prozent der Kalorien sollten von gesättigten Fettsäuren stammen, also Produkten tierischen Ursprungs. Da Eiweiß tierischer Herkunft nicht isoliert verzehrt werden kann, sondern im Allgemeinen zusammen mit gesättigten Fetten vorkommt, wird empfohlen, – soweit dies vertragen wird – Fleischgerichte öfter mal durch proteinreiche pflanzliche Kost zu ersetzen, zum Beispiel Hülsenfrüchte.

Besonderes Augenmerk muss dem versteckten Fett gelten, sei es in Fleischerzeugnissen, in Gebäck oder den verschiedensten Fertigprodukten. Als protektiv für das Herz-Kreislauf- System gelten einfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie sich etwa in Olivenöl finden; Rapsöl enthält darüber hinaus wertvolle Omega- 3-Fettsäuren.

Warum es keine „Diabetikerprodukte“ mehr gibt Früher wurden Zuckeraustauschstoffe wie zum Beispiel Fruchtzucker (Fruktose) empfohlen, da damit die Konzentration der Glukose im Blut langsamer ansteigt. Eine ganze Branche stellte eigene Diabetikerprodukte her, von Marmeladen bis zu Fertigsalaten. Doch die Fokussierung auf den Blutzucker war zu kurz gegriffen. In Maßen genossener normaler Haushaltszucker (Saccharose, ein Zweifachzucker, der aus je einem Molekül Glukose und Fruktose besteht) durchaus kein Tabu; extra Lebensmittel für Diabetiker sind daher überflüssig.

Vor allem aber weiß man heute, dass größere Mengen Fruktose sich äußerst ungünstig auf den Fettstoffwechsel auswirken. Die aufgenommene Energie wird offenbar schneller in Körperfett umgewandelt als nach Zufuhr anderer Zucker; eine erhöhte Fruktoseaufnahme begünstigt nach Aussagen des Bundesinstituts für Risikobewertung die Entwicklung von Adipositas und metabolischem Syndrom. Und überdies enthielten die sogenannten „Diätprodukte“ sogar mehr Kalorien und Fett als Vergleichsprodukte. Vor diesem Hintergrund wurde der Vertrieb von Lebensmitteln, die als spezielle Diabetikerprodukte gekennzeichnet werden, verboten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/14 ab Seite 104.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

×