Beine © Piotr Marcinski / 123rf.com
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PTA-Fortbildung 04/14

VENENERKRANKUNGEN

Schwere Beine, Schwellungen und Schmerzen sind die ersten Symptome einer Venenerkrankung. Da schwerwiegende Folgen in Form einer chronischen Veneninsuffizienz drohen, ist die frühzeitige Therapie das A und O.

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Man schätzt in Deutschland mehr als 13 Millionen Betroffene, durch die Entwicklung der Altersstruktur und den Trend zu sitzenden Tätigkeiten ist die Tendenz steigend. Eine Basler Studie zur Erfassung aller Typen und Schweregrade der Varikose stellte bei 55 Prozent der Männer und 61 Prozent der Frauen eine Varikose fest. Eine Stammvarikose fand sich bei 20 Prozent der Männer und bei 14 Prozent der Frauen. Eine Varikose, die zur schwerwiegenden Symptomatik einer chronisch-venösen Insuffizienz geführt hat, wurde mit 3,8 Prozent der Männer und 2,7 Prozent der Frauen abhängig vom zunehmenden Lebensalter dokumentiert.

Eine venöse Insuffizienz entsteht schleichend. Sie äußert sich als Funktionsstörung im Venensystem der Beine. Werden erste Anzeichen wie Kribbeln, schwere Beine und Schwellungen nicht ernst genommen, kommt es zu einem krankheitsbedingten Bindegewebsumbau, der nicht selten in einem Ulcus cruris venosum, dem so genannten „offenen Bein“, gipfelt. So weit muss es nicht kommen, wenn die Beschwerden frühzeitig ernst genommen und ausreichend behandelt werden.

Rücktransport des Blutes Arterien und Venen bilden mit den Kapillaren das Gefäßsystem des menschlichen Körpers. Während durch die Arterien sauerstoffreiches, mit Nährstoffen beladenes Blut Organe und Gewebe versorgt, organisiert das venöse System den Rücktransport von mit CO2 angereichertem Blut in die rechte Herzkammer und von dort in die Lunge. Hier wird CO2 abgeatmet und das Blut wieder mit Sauerstoff angereichert und in die linke Herzkammer transportiert.

HINTERGRUND
Bewegungsarmut ist ein Kennzeichen unserer Gesellschaft – Venenerkrankungen zählen zu den Folgen. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet trägt der aufrechte Gang des Menschen nicht unwesentlich zur Entstehung dieser häufigen Beschwerden bei. Welches Tier leidet schon an Venenerkrankungen? Rein physikalisch wird durch die aufrechte Haltung der Rücktransport des venösen Blutes aus den Beinen erschwert. Doch Venenerkrankungen wurden auch früher bereits beobachtet und behandelt. Schon bei den alten Ägyptern wurden Symptome von Venenstauungen mit Bandagen und Wickeln, den Vorläufern der modernen Kompressionstherapie therapiert.

Jeden Tag muss das Venensystem etwa 7000 Liter Blut an das Herz zurücktransportieren. Etwa 85 Prozent des gesamten Blutes befindet sich in den Venen. Neben der Funktion der „Entsorgung“ verbrauchten Blutes ist das venöse System auch an der Wärmeregulation beteiligt. Der größte Teil des Blutes wird über die tiefen Venen zurücktransportiert – die oberflächlichen Venen übernehmen mit fünf bis zehn Prozent nur einen kleinen Anteil. Deshalb sind Besenreiser auch zunächst einmal nicht gesundheitlich problematisch, so lange die tiefen Venen weiterhin funktionieren.

Die oberflächlichen Venen liegen außerhalb der Muskulatur und vereinigen sich zu den zwei großen Stammvenen, der Vena saphena magna und der Vena saphena parva (kleine Rosenader). Motor des Bluttransportes aus den Beinen ist die so genannte Wadenmuskelpumpe. Durch die Kontraktion der Wadenmuskulatur, in die die tiefen Beinvenen eingebettet sind, wird das Blut zurück in Richtung Herz gepumpt. Damit dieser Rücktransport reibungslos funktioniert und das Blut nicht einfach in den Beinen versackt, sind die Venen mit gut schließenden Venenklappen ausgestattet – ähnlich wie Rückflussventile.

Bei einem bestimmten Druck von unten öffnen sie sich, bei Druck von oben schließen sie sich sofort. Jedes Bein hat zwischen acht und achtzehn Venenklappen, die dafür sorgen, dass der Blutstrom eine „Einbahnstraße“ zum Herzen ist. Je weniger Klappen, desto höher ist das Risiko für die Entstehung einer Veneninsuffizienz.

Formen der Varikosis Risikofaktoren einer primären Varikosis sind Übergewicht, Schwangerschaft, sitzende Tätigkeiten und eine angeborene Bindegewebsschwäche. Erste Symptome sind schwere Beine, Schwellungsgefühl nach langem Stehen oder Sitzen mit Besserung beim Hochlagern der Beine, Jucken und Schmerzen. Auch von nächtlichen Wadenkrämpfen berichten Betroffene. Außerdem entstehen später die typischen Besenreiser, bläulich Aussackungen, die oberflächlich in der Haut fühlbar und sichtbar sind. Sie treten bevorzugt an der Innenseite von Ober- und Unterschenkel sowie an der Rückseite des Unterschenkels auf.

OPERATIVE METHODEN
Beim „Stripping“-Verfahren werden die erkrankten Anteile der Stammvenen auf eine dünne Sonde aufgefädelt und komplett gezogen. Die Seitenäste der Venen werden durch weitere Schnitte entfernt. Eine Variante ist die Kryochirugie, wobei die Sondenspitze mit flüssigem Stickstoff extrem abgekühlt und in die Venenstämme eingeführt wird. Die so unterkühlten Venen werden dann ohne große Blutung herausgezogen. Bei der Shaving-Methode werden der Venenstamm und die Seitenäste mithilfe eines Endoskopes, das mit einem Fräskopf versehen ist, abgefräst.

Ist das Bindegewebe, das den Venen Festigkeit gibt, nur schwach ausgebildet, wird die Venenwand bei Überlastung überdehnt. Als Folge werden Umbauprozesse mit Abbau der elastischen Fasern in Gang gesetzt. Dabei werden aus den Zellen der überdehnten Venenwände Lysosomen ins Blut abgegeben. Diese mit Enzymen gefüllten Bläschen sind für den Abbau des Kollagenstützgerüstes der Wände der kleinen Venen verantwortlich.

Unter erhöhtem Druck weiten sich zunächst die oberflächlichen Beinvenen und bilden die ersten Krampfadern. Da die oberflächlichen Beinvenen nicht durch Muskeln gestützt werden, kommt es zu einer Überdehnung mit der Folge, dass die Venenklappen nicht mehr richtig schließen. Das Blut wird zwar weiterhin durch die tiefen Venen hoch transportiert, ein Teil versackt jedoch gleich wieder durch die defekten oberflächlichen Venen in den Beinen.

Bei einer fortgeschrittenen Venenerkrankung sind auch die tiefen Venen oder deren Verbindungsgefäße zum oberflächlichen System betroffen. Die Muskelpumpe ist dann nicht mehr in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen. Es entsteht ein erhöhter Druck auf die Kapillargefäße, Flüssigkeit gelangt in das umgebende Gewebe und es entstehen Ödeme.

Eine sekundäre Varikosis ist das Resultat anderer Erkrankungen, zum Beispiel durch Tumorbildung, Erkrankungen des Bindegewebes, Missbildungen der Gefäße oder Thrombosen. Charakteristisch ist, dass der venöse Rückstrom des Blutes zum Herzen nur noch eingeschränkt funktioniert. Der Betroffene spürt diese Veränderungen in Form von Schwellungen, Schmerzen und Jucken in den Beinen.

Für wissenschaftliche Dokumentationen wird heute die CEAP Klassifikation (Clinic, Etilogy, Anatomy, Pathophysiology) zur Beschreibung der Varikose gefordert. Wer international oder wissenschaftlich die Varikose beschreibt, muss das in der CEAP Definition tun. Für den praktischen Alltag, ebenso für die Abklärung im Hinblick auf die optimale Therapie, sind die einfacheren Einteilungen nach klinischen Kriterien praktikabler.

Die primäre Varikosis wird nach Widmer anhand des Beschwerdebildes in vier unterschiedliche Stadien unterteilt:

  • Stadium 1: geringfügige Varikosis, ohne nennenswerte Beschwerden, keine Komplikationen
  • Stadium 2: Krampfadern bestehen, Beschwerden sind vorhanden (Mißempfindungen in den Beinen, Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellungsneigung, Wadenkrämpfe etc.), keine Komplikationen
  • Stadium 3: deutliche Krampfadern vorhanden, Beschwerden wie in Stadium 2, Komplikationen: Hautveränderungen (Ekzem, Atrophie, Dermatitis, Pigmentierung), Entzündungen der oberflächlichen Venen
  • Stadium 4: ausgedehnte Krampfaderbildung, Beschwerden wie in Stadium 2 und 3, Komplikationen wie in Stadium 3 und zusätzlich Ulcus cruris.

Ab dem Stadium 2 sollten Varizen in jedem Fall behandelt werden. Ohne Therapie besteht ein erhebliches Risiko für die Entstehung von chronischen Ödemen, Ulcus cruris und anderen Komplikationen.

Diagnose In der Apotheke sollte im Kundengespräch erfragt werden, ob es sich möglicherweise um eine „echte“ therapiebedürftige Venenerkrankung handelt, die eine ärztliche Untersuchung erfordert. Die bereits beschriebenen Symptome sollten von PTA und Apotheker abgefragt werden. Interessant ist außerdem, ob Venenerkrankungen in der Familie vorkommen und ob Risikofaktoren bestehen. Wer in diesem Gespräch zu dem Schluss kommt, dass medizinische Abklärung notwendig ist, sollte den Kunden zum Arzt schicken. Dieser überprüft per Duplexsonografie den Blutfluss der Venen und die Dichtigkeit der Venenklappen. Oberflächliche Symptome wie Hautveränderungen und Ödeme sind ebenfalls Hinweise auf eine fortgeschrittene Erkrankung.

Abhängig vom Schweregrad der Erkrankung entscheidet der Arzt über die therapeutischen Maßnahmen. Ein Krampfaderleiden ist nicht heilbar. Ziel der Therapie sollte sein, neben der Beschwerdelinderung oder der Beendigung wiederholter Krampfaderblutungen oder -entzündungen, den weiteren Krankheitsverlauf auf das tiefe Venensystem zu verhindern. Die konservative Therapie umfasst Maßnahmen zur Entstauung der Gefäße wie Lymphdrainage, Gefäßsport, die Gabe von Venentherapeutika und die Kompressionstherapie. In fortgeschrittenen Stadien stößt die konservative Therapie an ihre Grenzen und operative Methoden sind angezeigt.

TIPPS FÜR DIE BERATUNG
+ 3S-3L-Regel: Sitzen und Stehen ist schlecht, lieber laufen oder liegen. Der Patient sollte, möglichst viele Strecken zu Fuß zurückzulegen. Im Sitzen sollten die Beine so oft wie möglich hoch gelagert werden.
+ Sportarten sind zu empfehlen, die die Wadenmuskulatur stärken, zum Beispiel Gymnastik, Wandern, Schwimmen, Radfahren.
+ Auf langen Reisen im Flugzeug, Bus, Auto oder Zug sollten immer wieder Pausen eingelegt werden, in denen sich der Reisende die Beine vertritt. Ausreichend trinken, Venengymnastik und Kompressionsstrümpfe beugen einer Venenthrombose vor.
+ Auf das richtige Schuhwerk sollte geachtet werden. Schuhe mit weicher Sohle erleichtern das richtige Abrollen der Füße und unterstützen so die Arbeit der Wadenmuskelpumpe.
+ Beim Sitzen sollten die Beine nicht übereinanderschlagen werden.
+ Hohe Temperaturen weiten die Gefäße und erschweren den Blutrücktransport. Deshalb sollten Vollbäder, Saunagänge und lange Sonnenbäder vermieden werden. Günstig sind kalte Güsse, z.B. Kneipp`sche Knie- und Schenkelgüsse, die stets mit kaltem Wasser enden.
+ Die Vermeidung von Zusatzrisiken wie Rauchen und Übergewicht ist wichtig, denn sie begünstigen das Fortschreiten von Venenerkrankungen.

Stripping und Verödung Bei der operativen Krampfaderbehandlung werden die beschädigten, nicht mehr funktionierenden Venen oder Venenteile entfernt oder stillgelegt. Krampfaderentfernungen können in der Regel ambulant erfolgen. Viele Patienten warten aus Angst zu lange mit dem in der Regel harmlosen, aber sinnvollen Eingriff. Die Operation einer Krampfader sorgt für eine Entlastung des Venensystems, weil das Blut nicht mehr versackt, sondern wieder zum Herzen zurücktransportiert wird.

Das venöse System ist sehr großzügig angelegt und funktioniert auch mit einem Gefäß weniger noch gleichermaßen gut. So wird Komplikationen wie einem offenen Bein oder Thrombosen vorgebeugt. Sind die tiefen Stammvenen sowie die Perforansvenen funktionsuntüchtig, ist die operative Therapie Mittel der ersten Wahl. Gegenanzeigen für die chirurgische Behandlung sind akute tiefe Bein- und Beckenvenenthrombosen sowie die fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit. Trotz Invasivität treten nur selten Komplikationen wie zum Beispiel Wundinfektionen, Thrombophlebitiden, Nachblutungen oder auch Lymphkomplikationen auf.

Heute werden chirurgische und Verödungsverfahren kombiniert. Durch Ziehen großkalibriger, varikös veränderter Venenabschnitte wird die Funktion des Venensystems wiederhergestellt. Restliche kleinere Krampfadern lassen sich durch die Verödung beseitigen. Die Verödungstherapie ist nicht ganz so effektiv wie die operative Therapie, aber einfach und kostengünstig durchführbar. Kontraindiziert ist die Sklerosierung bei schweren Systemerkrankungen, akuten tiefen Beinvenenthrombosen, lokalen und generalisierten Infektionen, arterieller Verschlusskrankheit und Schwangerschaft. Dabei wird ein bestimmtes Gefäß durch eine gezielt ausgelöste Thrombose verschlossen. Die Vene verbleibt im Körper und wird mit der Zeit abgebaut.

Die Verödungstherapie wird überwiegend zur Behandlung von Seitenastvarizen und Besenreisern verwendet. Sie kann mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt werden. Klassischerweise wird eine gewebetoxische Substanz, zum Beispiel Polidocanol, injiziert. Die Schaumverödung ist ein verbessertes Verfahren der Verödung. Das Verödungsmittel wird vor dem Einspritzen aufgeschäumt. So wird das Verkleben der Venenwände optimiert.

» Heute werden chirurgische und Verödungsverfahren kombiniert.«

Eine sehr schonende Methode ist die Radiofrequenztherapie. Dabei wird ein Katheder in das Gefäß geschoben und hochfrequente Ströme verschließen unter Erzeugung genau steuerbarer Temperatur die Vene. Diese Methode kann auch gut ambulant in Lokalnarkose durchgeführt werden. Stammvenen werden bevorzugt über Laserverödung verschlossen. Dabei wird eine Lasersonde in das Gefäß eingeführt, die die Vene verödet. Die roten Blutkörperchen werden so stark erhitzt, dass die Venenwände verkleben.

Bei der Therapie steht heute nicht nur die medizinische Notwendigkeit im Mittelpunkt, viele Patienten legen Wert auf eine kosmetische Verbesserung. Nach dem operativen Eingriff müssen die Patienten für einige Wochen Kompressionsstrümpfe tragen und oft gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, damit keine Thrombosen entstehen. Patienten sollten wissen, dass so ein Eingriff allerdings nicht ein Leben lang vor der Neuentstehung schützt, sodass regelmäßige ärztliche Kontrollen empfohlen werden.

Druck auf die Venen Eine frühzeitig begonnene Kompressionsbehandlung kann das Fortschreiten einer Venenerkrankung günstig beeinflussen. In den unkomplizierten Stadien werden nur Kompressionsstrümpfe, in den fortgeschrittenen Stadien auch Kompressionsverbände eingesetzt. Kontraindiziert ist die Kompressionstherapie bei einer dekompensierten Herzinsuffizienz, der peripheren Verschlusskrankheit und der tiefen Beinthrombose. Auch bei Patienten mit einer peripheren Neuropathie muss eine Kompressionstherapie abgewogen werden.

Kompressionsstrümpfe oder -verbände üben einen festen Druck auf die erweiterten Venen aus und sorgen dafür, dass die Venenklappen wieder besser schließen. Hämodynamisch werden die Rückflussgeschwindigkeit des Blutes und die Leistung der Wadenmuskelpumpe erhöht, sowie der Druck auf die innere Venenwand erniedrigt. Günstig ist, dass durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit aktivierte Granulozyten und Thrombozyten weniger stark zerstörend auf das Endothel wirken können. Im umliegenden Gewebe wirkt die Kompressionstherapie antiödematös und steigert den lymphatischen Fluss.

Wickel oder Strumpf Die Kompressionstherapie ist bei Venenerkrankungen unverzichtbar. Leider ist die Akzeptanz immer noch begrenzt, obwohl sich Qualität und Tragekomfort in den vergangenen Jahren deutlich verbessert haben. Kompressionsverbände – auch als phlebologische Kompressionsverbände (PKV) bezeichnet – werden zur Initialbehandlung von Venenerkrankungen eingesetzt. Sie kommen als tägliche Wechselverbände oder als Dauerverbände für mehrere Tage zur Anwendung.

Ein optimaler Effekt wird durch Kurzzugbinden erreicht, die eine Elastizität von etwa 70 Prozent haben, das heißt, sie sind bei kräftigem Zug um 70 Prozent der Ausgangslänge dehnbar. Damit erreicht man einen hohen Arbeitsdruck, aber einen niedrigen Ruhedruck. Ersterer ist der Druck, den die Binde bei der Arbeit der Wadenmuskulatur gegen das Bein aufbringt, also beim Gehen oder sonstiger Bewegung der Beine. Der Ruhedruck wird als Druck definiert, den eine Binde auch dann noch leistet, wenn die Muskulatur nach dem Arbeitsakt ihren Umfang wieder verringert. Kompressionsverbände können daher auch über Nacht anbehalten werden.

Ein hoher Arbeitsdruck wirkt sich günstig auf die Rückflussgeschwindigkeit des Blutes aus. Die Leistung der Wadenmuskelpumpe wird gestärkt. Beim Anlegen eines Kompressionsverbandes ist zu beachten, dass der Druck vom Knöchel zum Oberschenkel hin stetig nachlassen muss. Es wird also von unten nach oben gewickelt. Um die Entstehung von Nekrosen auszuschließen, sollte das Anlegen der Verbände von Fachpersonal durchgeführt werden. Die Verbände sind mehrfach verwendbar. Generell sind sie unempfindlich gegen Fette, Öle und Cremes. Binden sollten gemäß Pflegeanweisung häufig gewaschen werden, da Schweiß und Schmutz das Material angreifen und die Elastizität beeinträchtigen.

Für die Dauertherapie, aber auch für die Prävention bei Risikopersonen (Schwangere, berufliche Tätigkeiten im Stehen) werden Kompressionsstrümpfe den -verbänden vorgezogen. Sie sind in ihren therapeutischen Eigenschaften mit den Langzugbinden vergleichbar, die eine hohe Elastizität haben. Medizinische Kompressionsstrümpfe bestehen aus Polyamid, Elastan, Baumwolle, Elastodien, aber auch aus Mikrofasern, sodass die besondere Kompressionswirkung gesichert ist. Da die Strümpfe einen geringeren Arbeitsdruck, aber einen höheren Ruhedruck ausüben, sollten diese über Nacht ausgezogen werden.

ULCUS CRURIS
In Deutschland leiden mehr als 80 000 Menschen an einem „offenen Bein“. Laut Leitlinie der Gesellschaft für Phlebologie wird unter einem Ulcus cruris ein Substanzdefekt in pathologisch verändertem Gewebe des Unterschenkels infolge einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) verstanden. Ursache ist eine langfristige Hypertonie des Venensystems einhergehend mit einer venösen Hypervolämie. Ursächlich für die venöse Insuffizienz ist in der Regel eine Klappeninsuffizienz, seltener eine Gefäßverengung. Das Ulcus cruris venosum ist neben dem diabetischen Fußsyndrom die häufigste Ursache nicht spontan abheilender Wunden an den Beinen. Rezidive sind leider häufig.

Medizinische Kompressionstrümpfe unterscheiden sich nach den Kompressionsklassen 1 (leicht = 18 bis 21 mm Hg), 2 (mittel = 22 bis 32 mm Hg), 3 (kräftig = 34 bis 46 mm Hg) und 4 (sehr kräftig = 49 mm Hg und kräftiger ). Eine leichte Kompression wird zur Prophylaxe der Venenleiden bei Risikopatienten empfohlen. Bei fortgeschrittenen Venenerkrankungen bis hin zum irreversiblen Lymphödem ist eine sehr kräftige Kompression erforderlich. Kompressionsstrümpfe sollten fachmännisch – also in der Apotheke oder dem Sanitätshaus – angemessen werden. Die Messung erfolgt am ödemfreien Bein des stehenden Patienten. Empfohlen wird, diese direkt morgens nach dem Aufstehen durchzuführen, wenn das Bein noch ohne Schwellung ist. Die Messpunkte (Länge und Umfang des Beines) müssen definierten Normen entsprechen. Die jeweiligen Hersteller liefern dafür Tabellen und Schablonen.

Ist die Kompression an beiden Beinen nötig, müssen auch beide einzeln vermessen werden und zwei Strümpfe angefertigt werden. Vielfach sind keine speziellen Maßanfertigungen nötig, sondern Serienmodelle passend. Bei entsprechender Indikation können die Strümpfe vom Arzt verordnet werden. Kompressionsstrümpfe sind als Waden-, Halbschenkel-, Schenkel- und Schenkelstrümpfe mit Halterung erhältlich. Die schäbigen brauen Gummistrümpfe gehören der Vergangenheit an, moderne Kompressionstrümpfe sind in verschiedenen modischen Farben erhältlich und sehr hautverträglich.

Das Anziehen sollte zum ersten Mal mit dem Patienten gemeinsam erfolgen, gerade ältere Menschen haben dabei anfänglich Probleme. Außerdem sollten PTA und Apotheker Hinweise zur regelmäßigen Wäsche geben, da ansonsten der Sitz des Strumpfes beeinträchtigt wird. Am besten werden die Strümpfe bei 30 bis 40 °C im Schonwaschgang ohne die Verwendung eines Weichspülers gewaschen.

Eine wichtige Aufgabe der Apothekenmitarbeiter ist außerdem, die Compliance zu stärken. Denn Befragungen aus der Bonner Venenstudie zeigen, dass nur etwa ein Drittel der Patienten ihre Strümpfe regelmäßig tragen. Für den therapeutischen Erfolg ist aber das tägliche Tragen unerlässlich. Optimal ist, wenn sich die PTA ein bis zwei Wochen nach der Auslieferung eines Strumpfes bei dem Patienten telefonisch meldet und sich nach Zufriedenheit und Handhabbarkeit erkundigt.

Ödemprotektive Phytos Im Rahmen der konservativen Therapie ergänzen einige peroral einzunehmende Phytopharmaka die Kompressionsbehandlung durch antiödematöse Effekte. Doch nicht alle auf dem Markt befindlichen Präparate sind ausreichend über Studien auf ihre Wirksamkeit untersucht. Bewährt und klinisch untersucht in einzelnen Studien sind Flavonoidderivate aus dem roten Weinlaub, Rutin aus dem japanischen Schnurbaum und auf Aescin standardisierte Extrakte aus Rosskastaniensamen.

Bei der Auswahl des geeigneten Präparates sollten Arzneibuch-Monografie-Empfehlungen, ausreichend hohe Dosierungen und Ergebnisse klinischer Studien berücksichtigt werden. Zu den ersten gut untersuchten pflanzlichen Ödemprotektiva zählt der Rosskastaniensamenextrakt. In den Samen der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) befindet sich ein Triterpenglykosidgemisch, Aescin. Dieses hat ödemprotektive (abdichtende Effekte auf die geschädigten Venenwände) und antiexsudative (Einschränkung des Übertritts von Flüssigkeit aus dem Blut in das umgebende Gewebe) Eigenschaften. Weitere im Extrakt enthaltene Flavonoide verbessern die Resorption und Wirkung von Aescin alleine.

Die gefäßabdichtenden Effekte lassen sich damit erklären, dass Aescin Cholesterin in der Lysosomenzellwand komplexiert und dadurch die Freisetzung der lysosomalen Enzyme ins Blut reduziert. Zusätzlich werden auch die durchlässigen Venenwände durch lipophile Aescin-Cholesterin-Komplexe stabilisiert, sodass weniger Flüssigkeit und Proteine ins Gewebe gelangen können. In einer vergleichenden Studie konnte der standardisierte Rosskastanienextrakt bei Patienten mit chronisch-venöser Insuffizienz im Stadium I Ödeme ebenso zurückbilden wie Kompressionsstrümpfe der Klasse II.

Wichtig für den Therapieerfolg ist, dass auf Aescin standardisierte Extrakteverwendet werden. Die Arzneibuch- Monografie empfiehlt eine Extraktmenge von 100 Milligramm Aescin pro Tag verteilt auf zwei Einzeldosen am Morgen und am Abend, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Da einzelne Menschen auf die Saponineinnahme mit Magenreizungen reagieren, gibt es Retardpräparate, die gut verträglich sind. Gegenanzeigen sind Überempfindlichkeit gegen den Extrakt.

Als Wechselwirkung ist nur die Verstärkung gerinnungshemmender Substanzen bekannt. Selten treten als Nebenwirkungen Juckreiz sowie Übelkeit und Magenbeschwerden auf. Deshalb sollten magenempfindliche Menschen die Tabletten vorsorglich zur Mahlzeit mit einem Glas Wasser einnehmen. Der therapeutische Effekt ist erst nach einigen Tagen bis Wochen zu spüren, deshalb sollte die Einnahme regelmäßig über einen längeren Zeitraum erfolgen.

Nicht so intensiv untersucht wie die Venentherapeutika aus Rosskastaniensamenextrakt sind die Ruscogenine aus dem Mäusedornwurzelstock (Ruscus aculeatus). Auch sie werden zu den saponinhaltigen Ödemprotektiva gezählt. Vermutlich sorgen die Saponine Ruscin und Ruscosid für einen membranstabilisierenden, gefäßschützenden Effekt. Untersuchungen deuten zusätzlich auf antiphlogistische, kapillarabdichtende und diuretische Wirkungen hin.

Der rote Weinlaubextrakt enthält ebenfalls Flavonoide, nämlich unter anderem Quercetin-3-O-b-glucuronid, Isoquercitin und Kämpferglucosid. Ihnen werden die antiödematösen, antiinflammatorischen und membranstabilisierenden Wirkungen zugeschrieben. Dennoch stellt der standardisierte Gesamtextrakt wie beim Rosskastaniensamenextrakt den eigentlichen Wirkstoff dar. Studien zufolge wirkt der rote Weinlaubextrakt schützend und sogar reparativ auf das geschädigte Venenendothel. Er lagert sich nach peroraler Gabe selektiv im Endothel an.

BEGRIFFE RUND UM VENENERKRANKUNGEN
Varizen ist der medizinische Begriff für Krampfadern im Allgemeinen. Das Wort „Varizen“ leitet sich von dem lateinischen Begriff „varis = Knoten“ ab. Die Definition der WHO beschreibt sie als sackförmig oder zylindrisch erweiterte, oberflächliche Venen.
Besenreiser beschreiben die funktionsgestörten kleinsten Venen, die zum Formenkreis der Varikosen zählen.
Varizenruptur werden Varizenblutungen genannt, zum Beispiel nach einem traumatischen Ereignis auf eine Varize. Die Erstversorgung erfolgt über einen Druckverband zusammen mit einer Kompressionstherapie. Anschließend wird in der Regel über Verödung das Gefäß stillgelegt.
Eine Thrombose entsteht, wenn ein Thrombus, also ein Blutgerinnsel, ein Blutgefäß einengt oder verstopft. Am häufigsten treten Thrombosen in den tiefen Bein- und Beckenvenen auf, können aber auch in allen anderen Körperregionen entstehen.
Thrombophlebitis ist eine Venenentzündung, die oberflächlich sein aber auch die tieferliegenden Venen betreffen kann. Sie geht häufig mit der Bildung eines Blutgerinnsels (Thombus) einher.
Ulcus cruris venosum bezeichnet ein offenes Bein, das aufgrund eines fortgeschrittenen Venenleidens aufgetreten ist. Seine Therapie umfasst eine Verminderung des Blutstaus im venösen System der Beine, Reduzierung der entzündlichen Prozesse und Unterstützung der Wundheilung.

Der Flavonoidextrakt verhindert einerseits den Angriff der neutrophilen Granulozyten und der Thrombozyten auf das Endothel. Zusätzlich besitzen die Flavonoide ein oxidierbares Flavinringsystem mit antioxidativen Wirkungen. Das Endothel wird so geschützt und kann weiter seine antithrombogenen Aufgaben wahrnehmen.

In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie aus dem Jahr 2000 mit 219 Patienten im Alter zwischen 25 und 75 Jahren, die an einer CVI im Stadium I und II nach Widmer litten, konnte im Rahmen einer zwölfwöchigen Therapie mit 360 beziehungsweise 720 Milligramm pro Tag an Rotem Weinlaubextrakt die Abnahme des Unterschenkelvolumens in der Verumgruppe um 76 beziehungsweise 100 Milliliter sowie die signifikante Reduktion von Schmerzen in den Beinen belegen.

Die Tagesdosis beträgt ein Mal täglich 360 Milligramm Trockenextrakt. Die Einnahme sollte mit einem Glas Wasser vor der Mahlzeit erfolgen. Seltene Nebenwirkungen sind Magenunverträglichkeiten und Juckreiz. Wirkstoff des japanischen Schnurbaums ist das Rutin, das zur Wirkform Troxerutin umgewandelt wird. Es verbessert die kapillare Mikrozirkulation und hat ebenfalls antioxidative Effekte zum Schutz des Endothels.

In Untersuchungen sprach am besten die subjektive Befindlichkeit der Patienten an. Nach einer mindestens sechswöchigen Einnahme berichteten die Betroffenen von einer Symptomminderung. Empfohlen wird die tägliche regelmäßige Gabe von 150 Milligramm Rutin in Form eines Fertigarzneimittels mit standardisiertem Extrakt.

Cremes und Gele Viele Kunden kommen mit dem Wunsch nach kühlenden Gelen, Sprays oder Salben in die Apotheke. Die Fertigarzneimittel enthalten unter anderem Extrakte aus Rosskastaniensamen, rotem Weinlaub oder Heparin/ Heparinoide. Obwohl die Studienlage eher dünn ist und die Wirksamkeit bei chronisch-venöser Insuffizienz nicht belegt, bevorzugen viele Betroffene diese Therapiemethode, beschreiben sie als lindernd und angenehm. Vermutlich tragen zu dieser Wahrnehmung auch die Kühlungseffekte bei.

 Bei oberflächlichen leichten Venenentzündungen können Topika mit 60 000 I.E. Heparin pro 100 Gramm empfohlen werden. Zusätzlich können PTA und Apotheker Broschüren mit Übungen zur Venengymnastik anbieten und nützliche Tipps zur Venengesundheit geben.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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