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Seltene Erkrankungen von A bis Z

USHER-SYNDROM

Betroffene leiden an einer Gehörlosigkeit oder Schwerhörigkeit, die angeboren ist oder früh einsetzt. Zusätzlich führt eine fortschreitende Sehbehinderung fast immer zur Erblindung.

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Erstmals beschrieben wurde das Usher-Syndrom 1858 von dem königlich preußischen Geheimen Medizinalrat Albrecht von Graefe, dem Begründer der modernen Augenheilkunde. Ihren Namen bekam die kombinierte Hörund Sehbehinderung von dem britischen Augenarzt Charles H. Usher, der gut fünfzig Jahre später die rezessive Vererbung des Syndroms feststellte. Heute weiß man, dass es sich bei der Schwerhörigkeit um eine sensorineurale Hörschädigung handelt, also um einen Funktionsverlust im Innenohr, wo der mechanische Reiz der Schallwelle normalerweise in ein elektrisches neuronales Signal umgewandelt wird.


Der Sehbehinderung liegt eine Retinitis pigmentosa zugrunde, bei der die Netzhaut zunehmend degeneriert. Die Häufigkeit des Usher-Syndroms wird mit etwa drei bis fünf Betroffenen pro 100 000 Einwohnern angegeben; in Deutschland geht man von bis zu 6000 Betroffenen aus. Das Usher-Syndrom wird in drei verschiedene Typen unterteilt, wovon die meisten Patienten einen Typ I oder II aufweisen. 

Usher Typ I Patienten mit Typ I werden bereits gehörlos geboren. Typisch ist zudem eine Störung des Gleichgewichtsorgans. Diese führt dazu, dass betroffene Kinder motorische Meilensteine wie das freie Sitzen oder Gehen mit Verzögerung erreichen. Die Retinitis pigmentosa beginnt bereits in der Kindheit und schreitet zunehmend fort. Zu den ersten Symptomen gehören Nachtblindheit und Schwierigkeiten bei einem schnellen Wechsel zwischen hell und dunkel.

Im Verlauf kommt es zu einer Einschränkung des peripheren Gesichtsfeldes, sodass ein immer enger werdender Sehtunnel übrigbleibt. Fast alle Patienten erblinden zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Schließlich tritt im Rahmen des Usher-Syndroms eine spezielle Form des grauen Stars auf, der zu einer erhöhten Blendempfindlichkeit und einer verminderten Sehschärfe führt.

Usher Typ II Bei Patienten mit Typ II setzt die Schwerhörigkeit nach der Geburt ein und schreitet dann fort. Hierbei ist besonders der Hochtonbereich betroffen. Die Retinitis pigmentosa beginnt erst in der Adoleszens oder im Erwachsenenalter und damit später als bei Typ I. Vestibuläre Störungen treten bei Typ II nicht auf.

Verschiedenste Syndrome verursachen Gehörlosigkeit mit Blindheit. Bei jedem zweiten ist das Usher-Syndrom die Ursache.

Usher Typ III Ein Usher-Syndrom vom Typ III ist ausgesprochen selten , lediglich in der finnischen und in der Ashkenazi-jüdischen Bevölkerung tritt es häufiger auf. Charakteristisch ist ein rasch progredienter Hörverlust mit Beginn in der ersten Lebensdekade. Störungen des Gleichgewichtssinnes treten bei einem Teil der Patienten auf. Die Retinitis pigmentosa beginnt in der Regel später als der Hörverlust.

Vererbung Ursache für das Usher- Syndrom sind vererbte Mutationen in Genen, die für Proteine kodieren, die eine Rolle beim Hören, Gleichgewichtssinn und Sehen spielen. Beim Hören sind die betroffenen Proteine an der Entwicklung und der Funktion der Haarzellen in Innenohr beteiligt; beim Sehen solche Proteine, die wichtig für den Erhalt der Fotorezeptoren sind. Für einige Gene, die an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind, ist die Funktion aber auch noch unbekannt.

Klar ist, dass es in vielen Fällen zu einem Verlust der Haarzellen und Fotorezeptoren kommt.
Relativ viel weiß man über die Funktion von Myosin VIIA – Mutationen in dem Gen MYO7A sind für die Mehrzahl der Fälle des Usher- Syndroms vom Typ I verantwortlich. Im Innenohr ist Myosin VIIA normalerweise an der Entwicklung und am Erhalt der Stereozilien der Haarzellen in der Cochlea beteiligt.

Diese Stereozilien ragen in die Lymphflüssigkeit hinein und werden ausgelenkt, wenn Schallwellen die Lymphflüssigkeit in Bewegung setzen. Dadurch entstehen elektrische Potentiale, die über den Hörnerv ins Gehirn weitegeleitet werden, und die wir dann als Schall wahrnehmen. Ist die Funktion der Stereozilien gestört oder fehlt sie völlig, ist der Betroffene – wie im Fall eines Usher- Syndroms vom Typ I – schwerhörig beziehungsweise taub. Im retinalen Pigmentepithel, das die Retina stützt und ernährt, scheint Myosin VIIA am Transport von Pigmenten beteiligt zu sein, die für das normale Sehen notwendig sind.

Diagnose Die Diagnose erfolgt klinisch. Wegweisend ist eine Kombination aus beidseitiger Schallempfindungsschwerhörigkeit und einer Retinitis pigmentosa. Behandlung Für die Betreuung von Kindern und Erwachsenen mit Usher-Syndrom ist ein interdisziplinäres Expertenteam notwendig. Die Schwerhörigkeit lässt sich durch Hörgeräte oder Cochleaimplantate in vielen Fällen verbessern. Der Verlauf der Retinitis pigmentosa lässt sich durch Vitamin A verlangsamen, aber nicht aufhalten. Zusätzlich können diverse Sehhilfen und spezielle Filter hilfreich sein. Daneben benötigen Betroffene eine Sprachtherapie, psychomotorische Förderung und zugleich hör- und sehbehindertengerechte Lernprogramme.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 66.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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