© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Berühmte Apotheker

URVATER DER KERNENERGIE

Als Sohn eines armen Wernigeroder Schneiders hat er Chemiegeschichte geschrieben. Dabei war er von Haus aus Apotheker: Martin Heinrich Klaproth lebte im 18. Jahrhundert, genauer von 1743 bis 1817.

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Er entdeckte die Elemente Uran, Zirconium und Cer. Die Entdeckung der Elemente Titan, Tellur (erste Darstellung) sowie Strontium, parallel mit dem schottischen Chemiker Thomas Charles Hope, aber unabhängig von diesem, sowie Chrom, fast gleichzeitig mit dem französischen Chemiker und Apotheker Louis-​Nicolas Vauquelins konnte er als wahr und existent bestätigen. Nach entsprechenden Versuchen tat er auch die Phlogistontheorie als Hirngespinst ab und unterstützte die fortschrittliche Oxidationstheorie von Antoine Laurent de Lavoisier (1743 bis 1794).

Analytik war sein Metier. Die Waage wurde unter seiner Ägide analytisches Standardinstrument. In der Gravimetrie führte er die Regel „Trocknen bis zur Gewichtskonstanz“ ein. Das chemische Denken seiner Zeit hat er mit seiner Arbeit, die ihren Ursprung in der Apotheke nahm, maßgeblich vorangetrieben und umgekrempelt: Martin Heinrich Klaproth.

Vom Kurrendejunge zum Apothekerlehrling Doch wer war er? Woher stammte er? Was prägte ihn? Als drittes von vier Kindern armer Eltern am 1. Dezember 1743 in Wernigerode im Harz geboren, war Martin Heinrich Klaproth zunächst Kurrendejunge an der dortigen Stadtschule. Die Kurrende (lat. currere = laufen, „Laufchor“) ist zur damaligen Zeit ein aus bedürftigen Schülern bestehender Chor an protestantischen Schulen gewesen, der unter Leitung eines älteren Schülers von Haus zu Haus zog und bei Festen, Geburtstagen, Hochzeiten, Beerdigungen gegen Geld sang. Man verdiente oder erwarb also praktisch „singend an den Türen sein Brot“. Einer der bekanntesten Kurrendesinger weit vor Klaproth war übrigens Martin Luther.

Kurrenden („Laufchöre“) haben sich in Teilen Sachsens und Thüringens aber auch als „Kurrende des Staats- und Domchores Berlin“ unter der Trägerschaft der Universität der Künste bis heute gehalten. Klaproth besuchte noch von 1755 bis 1758 die Oberschule (Lateinschule) in Wernigerode bevor er mit 16 Jahren 1759 bis 1764 Lehrling in der von Wernigerode etwa 30 Kilometer entfernten Ratsapotheke Quedlinburg wurde. Nach erfolgreicher Gehilfenprüfung baute Martin Heinrich Klaproth seine Kenntnisse zwischen 1766 und 1771 als Gehilfe in verschiedenen Apotheken in Hannover (Hof-​Apotheke), Berlin (Mohren-​Apotheke, Apotheke „Zum Engel“) und Danzig (Rats-Apotheke) weiter aus. Berlin prägte ihn insofern, als er sich dort bei den einflussreichen Berliner Chemikern Johann Heinrich Pott (1692 bis 1777) und Andreas Sigismund Marggraf (1709 bis 1782) weiterbilden konnte.

Neue Heimat Berlin Und so verwundert es nicht, dass er Danzig schnell wieder verließ und im März 1771 in die Apotheke „Zum weißen Schwan“ bei Valentin Rose (dem Älteren) eintrat, der in der Fachwelt als Pharmazeut und Chemiker einen guten Ruf besaß. Dessen Frau war zudem die Nichte von Marggraf. Von Rose erhielt Klaproth viele Anregungen für seine spätere wissenschaftliche Arbeit. Leider verstarb Valentin Rose schon im April 1771 sehr schnell, doch dass beide Männer einen guten Draht zueinander hatten, beweist Valentin Roses Vermächtnis: Zum Verwalter seiner Apotheke, seines Vermögens sowie zum Vormund seiner vier Kinder hatte er noch rasch den nicht einmal 30-jährigen Martin Heinrich Klaproth eingesetzt.

Dieser erfüllte in den folgenden neun Jahren diese ihm quasi „in den Schoß gefallenen“ Aufgaben auch gewissenhaft – fertigte nebenher aber durchaus auch erste ernst zu nehmende wissenschaftliche Arbeiten an. 1780 heiratete Klaproth Christiane Sophie Lehmann, ebenfalls eine Nichte von Marggraf und Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns. Er wurde damit Mitglied einer der angesehensten Berliner Apothekerfamilien und erhielt die Gelegenheit von Marggraf die Apotheke „Zum Bären“ zu kaufen und sich darin ein kleines chemisches Laboratorium einzurichten, in dem er seine Forschungen betrieb. Zuvor hatte er noch sein Apothekerexamen I. Klasse „mit ausgezeichnetem Ruhme“ bestanden.

1782 wurde Klaproth Mitglied des Collegium medico-chirurgicum sowie Apothekenrevisor und Mitglied der Prüfungskommission für Apotheker I. Klasse. Als Assessor am Ober-Collegium medicum hielt er chemische Vorlesungen und Vorträge, die ihn weit über Berlin bekannt machten. An der „Bergschule“ Friedrich II., eine in der Regel „Bergakademie“ genannte berg- und hüttenmännische Institution, erhielt er ab 1784 ein Lehramt, drei Jahre später durfte er als Dozent an der Artillerieschule Berlin erstmals den Titel Chemieprofessor führen.

Wissenschaftliche Karriere 1788 berief ihn der König in die Akademie der Wissenschaften Berlin. Als diese ihn 1800 als Nachfolger Carl Achards (1753 bis 1821) zum ordentlichen, besoldeten Chemiker beförderte, nutzte Klaproth dies, seine vorbildlich geführte und verwaltete Apotheke gewinnbringend zu verkaufen, eine Dienstwohnung in der Akademie zu beziehen und sich im Akademielaboratorium ausschließlich mit chemischen Untersuchungen zu beschäftigen. Die Krönung seiner wissenschaftlichen Karriere war aber zehn Jahre später im Jahr 1810 die Berufung zum ersten Ordinarius der Chemie an die gerade neu gegründete Berliner Universität – ohne Studium, Promotion oder Habilitation nachweisen zu können.

Niemand geringeres als Wilhelm von Humboldt (1767 bis 1835) hatte ihn beim König nachdrücklich empfohlen. Zum Zeitpunkt seiner Berufung war Martin Heinrich Klaproth allerdings schon 67 Jahre alt. Er hielt wöchentlich vier Stunden Vorlesungen über die „Kunst der chemischen Analyse“ und über Experimentalchemie, gab eine „Anleitung zur chemischen Analyse“ als Experimentalvorlesung, hatte zwar einige bedeutende Schüler, aber es gelang ihm nicht mehr eine eigene wissenschaftliche Schule zu bilden. Denn bereits 1814 ereilte Martin Heinrich Klaproth der erste Schlaganfall, was ihn zwang seine Verpflichtungen drastisch zu reduzieren. Nach weiteren Schlaganfällen verstarb er 73-jährig am Neujahrstag 1817.

Beeindruckendes Lebenswerk 30 Jahre lang prägte Klaproth die Entwicklung des Apothekenwesens in Preußen, das bekanntlich eine Vorbildfunktion für andere deutsche Staaten besaß. Nicht nur bei der Examens-Prüfung der Apotheker I. Klasse, bei den Visitationen der Apotheken als Assessor, sondern auch als Mitverfasser der „Pharmacopoea Borussica“, des ersten preußischen Arzneibuches, das 1799 erschien, wirkte er mit. Darin befinden sich – auf seine analytische Denkweise zurückzuführen – bereits Prüfverfahren und Erläuterungen zur chemischen Zusammensetzung. Gleichfalls war er Mitverfasser der „Revidirten Apothekerordnung“ von 1801.

Er gilt als einer der ersten methodisch und quantitativ exakt arbeitenden Analytiker, der an der Entdeckung von sieben chemischen Elementen maßgeblich beteiligt war. So isolierte er beispielsweise 1789 Uran als Oxid aus dem Mineral Pechblende. Dass Uran radioaktiv ist, stellte allerdings erst 1896 Antoine Henri Becquerel (1852 bis 1908) fest, die Entdeckung der Kernspaltung machte 1938 Otto Hahn (1879 bis 1986) am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin. Womöglich ist es deshalb etwas vermessen, Martin Heinrich Klaproth als „Urvater der Kernenergie“ zu bezeichnen. Außerdem stellt sich die Frage: Wäre er glücklich darüber, was die Menschen aus seiner Entdeckung gemacht haben?

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/19 ab Seite 66.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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