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Aderlass

UNIVERSALTHERAPIE DER ANTIKE

Der Aderlass zählt zu den Heilverfahren aus dem Mittelalter und wird heutzutage als unwissenschaftlich kritisiert. Ärzte und Patienten waren damals von seiner Wirksamkeit überzeugt.

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Vier-Säfte-Lehre Der Aderlass beruht auf der Vorstellung, dass im Organismus ein ausgewogenes Verhältnis der vier Säfte bestehen muss (Eukrasie), um die Gesundheit des Körpers zu gewährleisten. Die vier Säfte sind nach Polybos, Arzt und Schwiegersohn von Hippokrates von Kos: Blut, Schleim, schwarze Galle sowie gelbe Galle. Sie entstammen der Analogie zu den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde.

Jedem Saft ist ein Organ zugeordnet, welches den entsprechenden Saft produziert, speichert und aktiviert. Laut der Vorstellung der Humoralpathologie entwickeln sich Krankheiten durch Störungen in der Balance (Dyskrasie). Grundlage des Aderlass ist die Idee, krankmachende Säfte und Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen – der Glaube an die Wirksamkeit der Aderlass-Therapie entstammte demnach der Vier-Säfte-Lehre.

Häufig wurde von den damaligen Ärzten ein Überschuss an Blut diagnostiziert: Das Blut stand wiederum im Zusammenhang mit Feuchtigkeit und Hitze, was definitionsgemäß bestimmte Krankheitsbilder ausmachte. Der griechische Arzt Hippokrates ging noch weiter und leitete von den vier Säften die Temperamente ab. Diese sollten den Gemütszustand des Menschen prägen, abhängig davon, welches Element überwog:

  • Wer über ein Übermaß an gelber Galle verfügt, wird nach Hippokrates als aufbrausende, jähzornige Persönlichkeit klassifiziert (Choleriker).
  •  Besteht ein Ungleichgewicht in Richtung des Schleims, handelt es sich um ein behäbiges, träges Temperament (Phlegmatiker).
  • Der temperamentvolle Typ kennzeichnet sich durch einen Überschuss an Blut (Sanguiniker)
  •  Bei introvertierten, trübsinnigen Menschen dominiert der Saft „schwarze Galle“ (Melancholiker).


Revulsion und Derivation
Es wurde zwischen zwei unterschiedlichen Verfahren des Aderlasses differenziert: Bei der Umwälzung, der sogenannten Revulsion, ging man davon aus, dass bei einer Ableitung nicht nur schlechte, sondern auch gute Säfte verloren gehen. Daher wurde im Rahmen der Revulsion eine von der Krankheitsursache weit entfernte Stelle ausgewählt, an der kleine Mengen an Blut abgezapft wurden.

Das Ziel bestand darin, die dort angesammelten schlechten Säfte zu beseitigen. Die Derivation ist die zweite Variante des Aderlasses: Hier dominiert die Vorstellung, dass schlechte Säfte direkt aus dem Körper herausgelassen werden sollten. Im Unterschied zum Verfahren der Revulsion wird das Blut bei der Derivation in der Nähe der erkrankten Region entnommen.

Mögliche Wirkungen Durch eine Rückresorption von Flüssigkeit aus dem Gewebe findet unverzüglich ein Ausgleich des Volumens statt, was zu einer Optimierung der Mikrozirkulation führen soll. Außerdem würden die Selbstheilungskräfte dank der aktivierten Blutbildung gestärkt. Als Indikationen für den Aderlass gelten heute Stoffwechselstörungen, Ödeme, Hauterkrankungen sowie degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates. Dreimal jährlich durchgeführt soll der Aderlass im Blutkreislauf Druck abbauen und auf diese Weise präventiv gegen Hypertonie, Schlaganfall und Herzinfarkt wirken.

Die Effekte der Phlebotomie sind jedoch wissenschaftlich nicht einmal ansatzweise belegt. Dennoch zieht die Therapie derzeit wieder in die Heilpraktiker-Praxen ein und ist insbesondere im Frühjahr eine beliebte Methode zur Reinigung und Entgiftung des Körpers. Glücklicherweise sind die Blutmengen, die Betroffenen heutzutage abgezapft werden, nicht mehr lebensbedrohlich. Lediglich bei einigen Erkrankungen mit gestörter Blutbildung (z. B. mit einer massiv erhöhten Zahl an Erythrozyten) gilt der Aderlass unter Medizinern auch heute noch als Mittel der Wahl.

Lokales Blutsaugen Auch das Schröpfen ist ein ausleitendes Verfahren und ebenfalls umstritten. Dabei wird die Haut auf dem Rücken der Patienten beidseitig der Wirbelsäule skarifiziert, also kreuzförmig angeritzt. Auf die Wunde kommt daraufhin ein Schröpfkopf aus Glas mit einem Durchmesser von etwa fünf bis sechs Zentimetern.

Dieser wird zuvor vakuumiert, was zur Folge hat, dass beim Aufsetzen ein Sog entsteht. Die Kuppel füllt sich innerhalb kürzester Zeit mit Blut, was ähnlich wie der Aderlass einen gesundheitsförderlichen Effekt haben soll. Schulmediziner und Wissenschaftler stehen den Behandlungen häufig skeptisch gegenüber und warnen vor Schäden, die zum Beispiel durch entzündete Wunden entstehen können.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 ab Seite 124.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

Das medizinische Heilverfahren des Aderlasses, auch als Phlebotomie oder Zur-Ader-Lassen bezeichnet, wurde bereits in der Antike entwickelt. Bis ins 19. Jahrhundert kam es häufig zur Anwendung, ab dann wurde zunehmend Kritik daran geäußert, insbesondere von Gelehrten wie Rudolf Virchow oder Louis Pasteur, die eine neue naturwissenschaftliche und evidenzbasierte Denkweise hervorbrachten.

Die alten Heilmethoden passten somit nicht mehr zu den neuen Ansichten der Wissenschaftler. Heutzutage nutzt man die Methode des Aderlasses nur noch selten, ganz aus der Mode gekommen ist sie aber nicht. Einst wurde sie bei zahlreichen Krankheiten sowie als Entlastung nach umfangreichen Mahlzeiten eingesetzt. Tatsächlich war der Aderlass bei manchen Erkrankungen nützlich, bei vielen jedoch eher schädlich.

Die Prozedur fand an festgelegten Tagen, zum Beispiel bei abnehmendem Mond, statt. Bei dem medizinischen Heilverfahren wurde den Patienten häufig eine größere Menge (damals zwischen 50 und 1000 Milliliter, heute maximal 500 Milliliter) an venösem Blut (meist an der Ellenbeuge oder am Hals) entnommen, um eine Verringerung und Reinigung des Blutes zu bewirken.

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