© Die PTA in der Apotheke
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Interview

UNGUTE NACHT

Albträume können nicht nur den Schlaf, sondern auch das gesamte Leben beeinflussen. Was Betroffene dagegen unternehmen können, erklärt Dr. Annika Gieselmann vom Online-Training Albtraumcoach.

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Was genau ist ein Albtraum?
Nach dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen der American Psychiatric Association (APA, 2000) werden Albträume als das „wiederholte Auftreten furchterregender Träume, die zum Erwachen aus dem Schlaf führen” definiert.

Erinnert sich der Betroffene immer daran?
Ja, Albträume werden lebhaft erinnert. Wenn sich die Person nur vage an einen schlechten Schlaf erinnert, würde man eher allgemein von schlechten Träumen sprechen.

Sind Albträume generell etwas Schlechtes?
Psychoanalytiker betrachten Träume im Allgemeinen ja als „Tor zum Unbewussten” und versprechen sich von der Deutung von Träumen im Allgemeinen, aber auch von Albträumen, ein besseres Verständnis der menschlichen Psyche. Ein Psychoanalytiker fände es daher vermutlich geradezu verwerflich, diese „einfach weg zu therapieren”, so wie wir das mit unserem Projekt probieren. Wir Verhaltenstherapeuten sind jedoch schon der Ansicht, dass der Leidensdruck, der durch Albträume entsteht, so groß werden kann, dass man etwas dagegen tun könnte und sollte.

Stellen Sie sich vor, Sie haben über ein halbes Jahr mindestens einmal die Woche einen Albtraum und welche Auswirkungen dies hat. Es ist ja nicht nur der Albtraum an sich, der Leidensdruck bereitet, sondern die Betroffenen schlafen grundsätzlich nicht mehr gut und sind tagsüber entsprechend übermüdet und gereizt. Eine Patientin erzählte mir, dass sie bereits ein unbehagliches Gefühl bekommt, wenn sie abends das Nachttischlämpchen anschaltet. Um nicht einschlafen zu müssen, sitzt sie lieber noch stundenlang vor dem PC anstatt sich für den nächsten Tag auszuruhen.

VITA
Dr. Annika Gieselmann ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin. Nach ihrem Studium an den Universitäten Osnabrück und Amsterdam, absolvierte sie die Ausbildung zur Psychotherapeutin und promovierte parallel hierzu als Promotionsstipendiatin der Christoph-Dornier-
Stiftung für Klinische Psychologie. Sie arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung
Klinische Psychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ihre Themenschwerpunkte sind
internetgestützte Psychotherapie und motivationale Prozesse bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von nicht erholsamem Schlaf.

Hat jeder Mensch ab und zu Albträume?
Die meisten Menschen, die sich an ihre Träume erinnern können, berichten über Albträume. Allerdings leiden nur zwei bis fünf Prozent der Allgemeinbevölkerung unter chronischen Albträumen.

Gibt es Themen, die generell häufiger vorkommen?
Meistens berichten Betroffene entweder einen bestimmten Traum oder eher ein bestimmtes Thema, wie zum Beispiel „fallen” oder „verfolgt werden”. Diese beiden Motive sind die häufigsten, es kommen aber auch Inhalte vor wie Ohnmacht, dass man zu spät zu einem Termin erscheint oder dass Angehörige oder Freunde sterben.

Beeinflussen äußere Einflüsse wie Stress, Kummer oder Krankheit das Auftreten von Albträumen?
Häufig können belastende Ereignisse oder Lebenssituationen diese auslösen. Über die Gründe, warum man träumt, rätselt die Forschung bis heute. Jeder, der sich an seine Träume erinnert, weiß jedoch, dass einen in den Träumen Gedanken und Gefühle beschäftigen, die man auch tagsüber hatte. Wenn am Tage negative Dinge passieren ober man traurig, wütend, etc. ist, so sind die Träume häufig ähnlich.

Richtig problematisch wird es jedoch, wenn der Traum sich „verselbstständigt” und später auch unabhängig von der konkreten Lebenssituation bestehen bleibt. Dies erklärt man durch ein so genanntes Skript, das heißt, durch einen allgemeinen Ablauf, welcher sich durch die vielen Wiederholungen immer tiefer im Gehirn verfestigt. Irgendwann ist nur ein winziger Auslöser notwendig, damit das Skript ausgelöst wird und fast automatisch durchläuft.

Was leistet Ihr Projekt www.albtraumcoach.de ?
Hier am Fachbereich Klinische Psychologie der Uni Düsseldorf haben Kollegen ein Albtraumtherapieprogramm entwickelt und getestet, welches bereits zu vielversprechenden Ergebnissen geführt hat. Wir möchten nun wissen, ob die Methode auch dann wirksam ist, wenn die Probanden diese über das Internet vermittelt bekommen. Dabei sitzen sich Therapeut und Patient nicht gegenüber, sondern der Patient bearbeitet bestimmte Interventionen und der Therapeut gibt innerhalb von zwei Werktagen Feedback. Das kann man sich ein bisschen wie eine Art E-Mail-Kontakt in einem datengesicherten System vorstellen.

Es handelt es sich um die Methode der „Imagery Rehearshal Therapy”: Der Betroffene überlegt sich ein alternatives Ende zu seinem Traum und übt dieses im Rahmen einer Imaginationsübung am Tage im entspannten Zustand und in einer als sicher erlebten Umgebung ein.

An welche Klientel wendet es sich?
Teilnehmen kann jeder, der mindestens 18 Jahre alt ist und unter wiederkehrenden Albträumen leidet (mindestens ein Mal pro Woche). Wichtig ist, dass aktuell keine Schlafmedikamente eingenommen werden und insbesondere, dass keine suizidalen Absichten vorhanden sind.

Gibt es „den Albträumer” oder sind es ganz unterschiedliche Personen, die bei Ihnen teilnehmen?
„Den Albträumer” haben wir noch nicht kennen gelernt; ich glaube auch nicht, dass es ihn gibt. Stattdessen kann es unserer Meinung nach jeden treffen.

Wie ist die Resonanz auf Ihr Projekt?
Bisher sind die Rückmeldungen recht gut. Möglicherweise fällt es vielen Menschen leichter, sich über das Internet Hilfe zu holen. Leider ist Psychotherapie immer noch mit einem großen Stigma behaftet, aber Interventionen über das Internet scheinen anonymisierter und weniger schambesetzt zu sein. Auch besteht die Möglichkeit, das Training an jedem Ort und zu jeder Tagesund Nachtzeit zu absolvieren.

Gleichzeitig scheint es jedoch offenbar viele Menschen zu geben, die gar nicht wissen, dass Albträume ein Problem darstellen, für das es Hilfe gibt, und die stattdessen denken, man müsste sich damit abfinden. An dieser Stelle sind wir um weitere Aufklärung bemüht.

Gibt es bereits messbare Erfolge?
Das Programm scheint Face-to-Face, also wenn Patient und Therapeut sich gegenübersitzen, ganz gut zu funktionieren. Ob das auch über das Internet klappt, wissen wir noch nicht. Allererste Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass es auch auf diesem Wege funktioniert. Wichtig ist uns an dieser Stelle jedoch auch festzuhalten, dass man hiermit natürlich keine vollständige Therapie ersetzen kann. Daher sprechen wir auch von einem Coaching und nicht von einer Therapie.

Können Albträume wieder kommen oder ist man dann geheilt von ihnen?
Unser Ziel ist es, dass Alpträume nicht mehr so viel Angst auslösen und keine so große Belastung mehr für den Alltag der Leute darstellen, nicht unbedingt, dass die Albträume verschwinden und nicht mehr wiederkehren. Jedoch ist schon davon auszugehen, dass jemand, der einmal dieses Problem hatte, in Zukunft schneller wieder in diese Abwärtsspirale gerät. Die Kunst hierbei ist, dass die Albträume nicht das Leben der betreffenden Person bestimmen, sondern dass sie weiß, wie sie mit schlechten Träumen umgehen kann.

Kann man überhaupt selber Einfluss darauf nehmen?
Offensichtlich kann man durch die Übungen am Tage Einfluss auf die Träume nachtsüber nehmen. Umgekehrt kann es ja auch geschehen, dass etwas, das man am Tag erlebt hat oder einen Film, dem man am Tage gesehen hat, nachts in den Träumen wieder auftaucht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/12 ab Seite 78.

Das Interview führte Dr. Petra Kreuter

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