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Insektenschutz

UNGELIEBTE SOMMERGÄSTE

Endlich wieder Picknick, Kaffeetafel im Garten und Grillabende! Doch das schöne Wetter hat auch eine Schattenseite: Mücken, Wespen und andere stechende Insekten.

Seite 1/1 9 Minuten

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Mücken können ganz schön nerven, besonders, wenn sie uns im dunklen Schlafzimmer immer wieder durch ihr Summen die Nachtruhe rauben und dann womöglich noch zustechen. Doch während die kleinen Blutsauger meist nur lästig sind, können andere Insekten richtig gefährlich werden.

Insektengiftallergie kann tödlich enden Bienen, Hornissen, Wespen und Hummeln haben einen wehrhaften Hohlstachel. Mit seiner Hilfe können sie einen Giftcocktail in ihre Feinde injizieren, wenn sie bedroht werden. Solch ein Stich ist auch für Menschen unangenehm. Er ruft an der betroffenen Stelle eine Entzündung hervor, die mit einer Hautrötung und Schwellung sowie brennendem Schmerz einhergeht, der einige Zeit anhält.

Am meisten Angst haben wir vor der Hornisse, denn sie hat eine imposante Größe. Die Volksweisheit: „Drei Hornissenstiche können einen Menschen töten” ist jedoch in der Realität nicht haltbar. Hornissen sind zwar größer als Bienen und Wespen, injizieren dementsprechend auch eine größere Menge an Gift, aber es ist weit weniger wirksam als zum Beispiel das der Bienen. Um eine Giftmenge zu injizieren, die einen Menschen töten könnte, bräuchte es bei allen Insekten Hunderte von Stichen.

WIE SCHÜTZE ICH BABYS UND KLEINKINDER?
Ätherische Öle können bei Kleinkindern Atemstillstand auslösen. Die Wirkstoffe DEET und Icaridin werden für Kinder unter zwei Jahren nicht empfohlen. Viele Mückenschutzmittel enthalten außerdem Alkohol und Lösungsmittel, welche Augen und Schleimhäute der Kleinen stark reizen können. Babys sollte man daher mit speziell auf Kleinkinder abgestimmte Repellents schützen. Der Wirkstoff IR 3535 hat keine nennenswerten Nebenwirkungen, er ist in keinster Weise toxisch oder allergen, lediglich direkter Kontakt mit den Augen kann Irritationen hervorrufen. Daher solle man bei Insektenschutzmitteln für Kleinkinder, Schwangere, Stillende, Allergiker oder generell empfindliche Menschen auf ein Präparat mit diesem Wirkstoff zurückgreifen.

Anders sieht es bei Menschen aus, die gegen Insektengift allergisch sind: Ihnen kann schon ein Stich, egal, ob von Wespe, Biene oder Hornisse, gefährlich werden. Im Giftcocktail finden sich Allergene, also Stoffe, die Allergien auslösen: Das Enzym Hyaluronidase, das den wichtigen Bindegewebebestandteil Hyaluronsäure abbauen kann, kommt in allen Insektengiften vor, ebenso wie Phospholipase A.

eine bieneWer dagegen allergisch ist, muss bei Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen aufpassen. Darüber hinaus gibt es aber auch Insektengiftallergiker, die nur auf Bienen oder nur auf Wespen allergisch reagieren. Für sie sind die jeweils spezifischen Enzyme der Tiere gefährlich: Das Enzym Mellitin im Bienen-, Phospholipase B im Wespengift.

Allergie in fünf Abstufungen Die Symptome einer Insektengiftallergie reichen von Schwellungen über Übelkeit, Magenkrämpfen und Atemnot bis hin zu Kreislaufbeschwerden und -kollaps. Man unterteilt die Insektengiftallergie daher in fünf Stufen, von „Grad 0”, bei dem immerhin schon eine handtellergroße Schwellung erreicht wird, bis hin zu „Grad IV”, bei dem auf den Stich der lebensgefährliche anaphylaktische Schock folgt.

Jährlich sterben in Deutschland etwa 20 Menschen infolge einer solchen Allergiereaktion. Das Tückische dabei ist, dass die Allergie jederzeit ohne Vorwarnung auftreten und sich natürlich auch verschlimmern kann. Beobachtet man nach einem Insektenstich eine Grad-0-Reaktion, also eine handtellergroße Schwellung, sollte man unbedingt den Arzt aufsuchen und sich auf eine Insektengiftallergie untersuchen lassen. Dies geschieht über Haut- und Bluttests.

Ist der Test positiv, sollte man in der warmen Jahreszeit immer ein Notfallset bei sich tragen. Darin befindet sich ein Antihistaminikum, um den überschießenden Allergiebotenstoff Histamin herunterzuregeln, sowie Kortison, um lebensgefährliche Schwellungen, wie im Bereich des Atemapparates, zu bekämpfen. Für Extremfälle ist eine Adrenalinspritze enthalten, die bei einem allergischen Schock Herztätigkeit und Blutdruck wieder normalisiert.

Wer eine Insektengiftallergie hat, sollte nahestehenden Menschen die Benutzung dieses Notfallsets erklären, denn im schlimmsten Fall ist man selbst nicht mehr in der Lage, die darin enthaltenen Medikamente anzuwenden.

Wie kann man dagegen vorgehen? Genau wie bei anderen Allergien gibt es auch bei der Insektengiftallergie die Möglichkeit einer Hyposensibilisierung, also einer speziellen Therapie, die die überschießende Immunantwort auf die Allergene erniedrigt. Bei ihr werden dem Körper die allergieauslösenden Stoffe in kleinen Dosen zugeführt, sodass sich das Immunsystem daran gewöhnen kann und wieder normal darauf reagiert.

Die Hyposensibilisierung dauert drei bis fünf Jahre und ist bei etwa 90 Prozent aller Allergiker wirkungsvoll. Möglich ist auch eine „Express-Hyposensibilisierung”, die nur einige Wochen in Anspruch nimmt. Weil sie in so kurzer Zeit durchgeführt wird, ist der Allergiker allerdings auch wesentlich höheren Dosen der gefährlichen Allergene ausgesetzt. Daher darf diese Schnelltherapie nur im Krankenhaus unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden.

Risiken vermeiden Insektengiftallergiker müssen natürlich in der warmen Jahreszeit doppelt aufpassen. Jedoch sollte jeder gewisse Regeln befolgen, um das Risiko eines Stiches zu minimieren. Dazu gehört zuerst einmal: Essen und Getränke draußen immer abdecken.

eine wespeWespen zum Beispiel stehen nicht nur auf Süßes, sondern auch auf Fleisch. Um an die begehrten Leckerbissen zu kommen, können sie ziemlich aggressiv werden. Daher sollte man auch auf keinen Fall nach ihnen schlagen. Besonders gefährlich sind Getränkedosen oder dunkle Getränke, denn Insekten, die dort hineinklettern, sieht man nicht. Schnell hat man das Tier im Mund oder gar Rachen. Wenn es dort sticht, kann das selbst für Nichtallergiker gefährlich werden, denn die Atemwege können schnell zuschwellen – es droht Erstickungsgefahr!

KAMPF DEM JUCKREIZ
Da der Juckreiz durch ein Eiweiß ausgelöst wird, hilft ein Erwärmen der Einstichstelle auf etwa 40 °C, etwa mit einem Waschlappen, den man in heißem Wasser getränkt hat. Durch die Hitze denaturiert das Eiweiß, es zersetzt sich und löst dadurch keine allergischen Reaktionen mehr aus. Kratzen an der Einstichstelle hingegen ist kontraproduktiv, dadurch wird das allergene Eiweiß lediglich verteilt.

Ist es zu solch einer Situation gekommen, muss der Betroffene sofort ins Krankenhaus gebracht beziehungsweise der Notarzt gerufen werden. Währenddessen Eiswürfel lutschen, oder schluckweise möglichst kalte Getränke trinken lassen, um die Schwellung so klein wie möglich zu halten. Vor allen Dingen bei Kindern muss man einen kühlen Kopf behalten und sie beruhigen, da das Atmen durch Aufregung und Weinen noch mehr erschwert wird. Bei allen anderen Stichen gilt: Den Stachel, sofern er noch in der Haut steckt, entfernen, die Stelle kühlen, den Betroffenen beobachten, und wenn die Beschwerden schlimmer werden, sofort zum Arzt gehen.

Vorbeugung ist wichtig Draußen sollten man immer Schuhe tragen, denn gerade in naturnahen Gärten ist die Gefahr von Bienen, Wespen oder Hummeln in hohem Gras sehr hoch. Ebenfalls gefährlich: die Rückenlehnen von Stühlen. Häufig wird man gestochen, weil sich ein Insekt dort hingesetzt hat und man es beim Zurücklehnen quetscht. Nicht zu empfehlen ist übrigens eine Schale mit Zucker oder kleinen Essensresten, um die Wespen dorthin zu locken und sie vom Tisch fernzuhalten. Ein solches Festmahl wird nur noch mehr Wespen anlocken – und sie werden sich nicht auf den ihnen zugewiesenen Teller beschränken.

Eines mögen Wespen allerdings nicht: Rauch. Ein Hausmittel, das meistens funktioniert, ist, einige Löffel Kaffeepulver in einen Aschenbecher füllen und anzünden. Dabei entsteht ein leichter Qualm, der die Wespen verscheucht.

Kleine Blutsauger Weniger gefährlich als Bienen, Wespen & Co. sind Mücken, zumindest die bei uns heimischen Stechmücken. Aber sie sind blutrünstige kleine Biester, auch, wenn nur die Weibchen stechen. Sie benötigen nach der Befruchtung durch die Männchen Proteine, um Eier ausbilden zu können. Diese Proteine bekommen sie über eine Blutmahlzeit. Mücken verfügen über einen Stech-Saug-Rüssel, der sowohl Blut saugen als auch Speichel injizieren kann. Damit leiten sie direkt nach dem Stich ein körpereigenes Protein in die Wunde ein, das die Blutgerinnung stoppt. Erst dann können sie in Ruhe die nötige Blutmenge saugen.

Zu ihrer Blutmahlzeit finden die Stechmücken hauptsächlich über Gerüche. Sie nehmen Milch- und Fettsäuren, Ammoniak und das ausgeatmete Kohlenstoffdioxid wahr – eine wahre Duftspur, die wir Menschen vor allen Dingen nachts legen, wenn durch Schwitzen die Körperausdünstungen intensiver sind. Dazu kommt noch eine erhöhte Körpertemperatur, deren Wärme die Mücken zusätzlich anlockt. Deswegen werden wir häufig nachts von Mücken geplagt.

eine hornisseDen Stich selbst nehmen wir meist gar nicht wahr. Unangenehm wird erst der Juckreiz. Er entsteht durch eine allergische Reaktion auf das von der Mücke injizierte gerinnungshemmende Protein. Der menschliche Körper antwortet darauf mit der vermehrten Ausschüttung von Histamin, wodurch sich an der Einstichstelle auch die kleinen Quaddeln bilden.

Übertragen Mücken Krankheiten? Eine Schmierinfektion durch Keime ist bei einem Mückenstich sehr unwahrscheinlich. Dazu wäre eine hohe Erregerzahl auf dem Stechrüssel nötig sowie eine extrem kurze Zeit zwischen zwei Blutmahlzeiten – beides statistisch vernachlässigbare Szenarien. Über das Blut ihrer Opfer können Stechmücken aber Krankheitserreger aufnehmen, die sie dann theoretisch über den Speichel in einen anderen Menschen injizieren können. Dazu müssen die Erreger sich in der Mücke vermehrt haben und in die Speicheldrüsen wandern. Das dauert mindestens zehn Tage. Erst dann können Mücken die Krankheitserreger an den nächsten Wirt weitergeben.

»Insektengiftallergiker sollten immer ein Notfallset mit sich führen.«

Nicht jeder Mikroorganismus kann die Mücke jedoch infizieren. Das HI-Virus zum Beispiel wird zusammen mit der Blutmahlzeit verdaut, es kann sich im Körper des Tieres nicht vermehren. Mücken können also kein HIV übertragen. Dafür vermehren sich andere Keime, wie zum Beispiel der Malaria-Erreger oder das West-Nil-Virus, in Mücken sehr gut. In einem Mückenbein kann man Hunderttausend West-Nil-Viren finden. Pro Minute sterben weltweit zwei Menschen an einer durch Mücken übertragenen Krankheit, jedoch fast ausschließlich in den Tropen, in denen die Erreger und die Tiere, die sie übertragen, endemisch sind.

Globalisierung betrifft auch Krankheiten Früher musste man sich lediglich bei einer Reise in tropische oder subtropische Gebiete vor den gefährlichen Mückenarten schützen. Die Insekten sind aber mittlerweile Weltreisende, genau wie wir. Sie kommen als blinde Passagiere zu uns, eingeschleppt durch Reisende oder Frachtschiffe. Weil sie sehr anpassungsfähig sind, erobern sie sich in Europa immer mehr neue Lebensräume. Dazu kommt der Klimawandel, der uns immer häufiger heiße Perioden beschert, sodass sich die exotischen Krankheitserreger wie das West-Nil- oder das Chikungunyafieber auch hier ausbreiten können.

2007 gab es den ersten und bisher einzigen Ausbruch des Chikungunyafiebers in Europa. Im italienischen Ravenna erkrankten 200 Menschen an der Virusinfektion, die sich durch Fieber und Gelenkschmerzen auszeichnet. 2010 wurden in Nordgriechenland vergleichsweise hohe Fallzahlen des West-Nil-Fiebers verzeichnet: 207 Erkrankte mit den typischen Symptomen: hohes Fieber und Hirnhautentzündung. Übertragen werden diese Virusinfektionen durch die Asiatische Tigermücke. Bereits seit den 1990er-Jahren ist das auffällig schwarz-weiß gemusterte Insekt in Europa heimisch.

Mückenschutz Da man den Plagegeistern im Sommer kaum aus dem Weg gehen kann, muss man auf Abwehrmittel zurückgreifen. Dabei kann man auf natürliche Art und Weise vorgehen oder zu Chemie greifen. Ein natürlicher Mückenschutz sind beispielsweise Fliegengitter vor Fenstern und Balkontüren sowie ein Moskitonetz über dem Bett. Des Weiteren sollte das Schlafzimmer wesentlich kühler sein als der Rest der Wohnung, denn Mücken fliegen ungern vom Warmen ins Kalte.

Lichtquellen ziehen Mücken an, daher sollte man bei Licht keine Fenster oder Türen öffnen. Verlässlich töten Insektizide, die man im Raum versprühen kann. Dabei wirkt jedoch ein Nervengift, das bei intensiver Anwendung möglicherweise auch für Menschen ein Gesundheitsrisiko darstellt. Repellents auf Basis von ätherischen Ölen haben in Tests keine bis geringe Wirkungen erzielt, die besten Ergebnisse lieferten noch Produkte mit dem ätherischen Öl Geraniol, die Mücken etwa drei Stunden abhielten. Citriodiol, ein ursprünglich pflanzlicher Wirkstoff, der mittlerweile aber künstlich hergestellt wird, erreicht Schutzzeiten von mehreren Stunden.

In den meisten Sprays und Lotionen sind die gängigsten künstlichen Abwehrmittel DEET und Icaridin enthalten. Sie bieten mehrere Stunden Schutz, können bei empfindlichen Personen jedoch Allergien auslösen. Produkte mit dem Wirkstoff DEET werden für Schwangere, stillende Mütter und Kinder unter zwei Jahren nicht empfohlen. Icaridin hat keine Einschränkung für Schwangere und Stillende, sollte jedoch ebenfalls nicht bei Kindern unter zwei Jahren angewendet werden. Außerdem sollte der Wirkstoff nicht auf sonnenbrandgeschädigte Haut aufgetragen werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/12 ab Seite 14.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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