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Kolumne | Holger Schulze

TRÄUM DOCH WAS DU WILLST!

Sich im Traum des Träumens bewusst zu werden macht nicht nur Spaß, sondern kann möglicherweise auch zu Trainingszwecken oder therapeutisch genutzt werden.

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Kennen Sie das auch? Den Wunsch, wirklich zu erleben, wie es sich anfühlt, fliegen zu können? Da die Evolution uns nicht mit dieser Fähigkeit ausgestattet hat, wird es leider keiner von uns je tatsächlich erleben, selbst zu fliegen, aber es gibt eine Möglichkeit, zumindest das Gefühl des Fliegens bewusst zu erleben, den Klartraum. Klarträumen bedeutet, dass der Schlafende sich während des Traums der Tatsache bewusst ist, dass er träumt. In diesem Zustand ist es dann nicht nur möglich, das Geträumte als absolut realistisch wahrzunehmen, man kann den Traum auch willkürlich steuern, selbst bestimmen, was geträumt wird.

Ein Klartraum ist demnach ein besonderer Bewusstseinszustand, der es uns nicht nur erlaubt, zu erleben, wie es sich anfühlt zu fliegen, sondern in dem man praktisch alles erleben kann, wovon man sonst eben nur geträumt hat… Wenn wir von einem besonderen Bewusstseinszustand sprechen, dann muss sich die Hirnaktivität während des Klarträumens also sowohl von der bei normalem Träumen als auch vom Wachzustand unterscheiden.

Klarträumen kann man lernen.

Tatsächlich sind in Phasen des Klarträumens verschiedene Hirnregionen aktiv, die normalerweise während des REMSchlafs (REM = rapid eye movement) deaktiviert sind. Dazu gehören insbesondere Teile des Präfrontalen Kortex, der für höhere kognitive Fähigkeiten wie Arbeitsgedächtnis, Verhaltenskontrolle oder Aufmerksamkeitsregulation zuständig ist, und der Precuneus, ein weiterer Teil der Großhirnrinde, der mit der Wahrnehmung des Selbst und des eigenständigen Handelns assoziiert wird. Durch die Aktivierung dieser Hirnareale während des Klarträumens erhält man also Zugriff auf kognitive Fähigkeiten, welche in normalen Träumen nicht zur Verfügung stehen.

Dennoch unterscheidet sich die Hirnaktivität innerhalb dieser Areale von der im Wachzustand, die Art der Aktivierung ist also eine andere, schließlich schläft man ja auch noch. So zeigen EEG-Messungen beim schlafenden Klarträumer eine hohe Kohärenz im Delta- und Theta-Band, im Wachzustand aber eher im Alpha-Band. Übersetzt heißt das, funktionelle Kopplungen zwischen Hirnarealen treten beim Klarträumen im Vergleich zum Wachzustand mit langsameren Wellen auf. Aktuell wird versucht, Klarträume sinnvoll zu nutzen, etwa von Leistungssportlern zum Üben neuer Bewegungsabläufe (ohne Verletzungsgefahr!) oder auch zur Therapie von Alpträumen.

Sollten Sie nicht zu den rund 20 Prozent der Bevölkerung gehören, die regelmäßig klarträumen, dennoch aber Lust darauf bekommen haben? Kein Problem: man kann es lernen! Ich empfehle dazu die Methode des Realitätschecks: Überprüfen Sie mehrmals am Tag, ob sie träumen – etwa indem Sie versuchen, einen Finger durch die Handfläche zu schieben. Wenn Sie das zur Gewohnheit machen, dann wird Ihr Gehirn dies irgendwann auch mal im Traum tun, und wenn es dann klappt, dann wissen Sie, dass Sie träumen, und können sofort beginnen zu tun, was Sie schon immer einmal tun wollten – klingt nach viel Spaß, finden Sie nicht auch?

ZUR PERSON

Prof. Dr. Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches MItglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.

www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 auf Seite 12.

Prof. Dr. Holger Schulze

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