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Impfungen

TOLLWUT

Gegen eine Infektion gibt es keine andere Maßnahme als die unverzügliche Immunprophylaxe. Bleibt diese bei Betroffenen aus, endet die Erkrankung stets tödlich.

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Tollwut (Rabies) ist weltweit verbreitet – Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sterben 55 000 Menschen jährlich an der Infektion. Insbesondere in Asien und Afrika ist von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen. In Deutschland konnte die Tollwut bei Wild- und Haustieren durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen, vor allem durch die orale Immunisierung von Füchsen, ausgemerzt werden: Im Jahre 2006 trat der letzte Fall bei einem Fuchs in der Nähe von Mainz auf. Der letzte Tollwutanfall bei einem Menschen in Deutschland ereignete sich 2007, nachdem ein Mann in Marokko von einem streunenden Hund gebissen wurde. Deutschland gilt heute offiziell als „tollwutfrei“ (frei von terrestrischer Tollwut).

Infizierter Speichel Bei der Erkrankung handelt es sich um eine Zoonose, die durch neurotrope Viren der Familie der Rhabdoviren, Genus Lyssaviren, hervorgerufen wird. Die Übertragung erfolgt in der Regel durch den Biss eines tollwütigen Tieres über dessen Speichel. Die Erreger vermehren sich dann in den Ganglienzellen des ZNS, sodass es von dort aus zu einer Streuung kommt, wobei die Viren massenhaft in den Speichel abgegeben werden. Theoretisch ist auch eine Weitergabe über Hautverletzungen oder direkten Kontakt von infektiösem Speichel mit der Schleimhaut möglich. Nach einer Inkubationszeit von drei bis acht Wochen (selten kürzer als neun Tage oder länger als ein Jahr) kommt es zu einem Ausbruch der Beschwerden. Der Zeitraum ist abhängig von der Lokalisation des Bisses: ZNS-nahe Stellen gehen mit kürzeren Inkubationszeiten einher.

Fuchs als häufigste Infektionsquelle Träger des klassischen Tollwut-Virus waren in der Vergangenheit vor allem wild lebende Tiere wie Füchse, Marder oder Dachse und Haustiere wie Weidetiere, Hunde und Katzen. Darüber hinaus gibt es allerdings auch ein Tollwutreservoir bei Fledermäusen, für das allerdings andere Viren (Europäische Fledermaustollwutviren 1 und 2) verantwortlich sind. Tiere, die wild leben und mit Tollwut infiziert sind, verlieren zu Beginn der Erkrankung häufig die Scheu vor Menschen. Dies ist als Warnzeichen zu interpretieren, am besten hält man sich also von ihnen fern, denn der beste Schutz vor einer Ansteckung ist das Vermeiden von Bissen.

Stadien der Rabies Ist es zu einer Infektion gekommen, verläuft die Tollwut in drei Phasen: Im Prodromalstadium liegen unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen oder Appetitlosigkeit vor, einige Betroffene leiden zusätzlich unter Fieber. Weitere Anzeichen sind Jucken, Brennen oder eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit im Bereich der Bisswunde. In der akuten neurologischen Phase unterscheidet man die enzephalitische (wilde) und die paralytische (stille) Form. Typisch für erstere ist eine ausgeprägte Hydrophobie (krankhafte Wasserangst), bei der Betroffene sich vor dem Trinken fürchten, weil sie beim Schlucken Krämpfe der Schlundmuskulatur zu befürchten haben. Schon die optische oder akustische Wahrnehmung von Wasser kann demnach Unruhe und Muskelkrämpfe auslösen, gleichzeitig wechselt die Stimmung der Patienten zwischen aggressiv und depressiv.

Die wilde Tollwut ist außerdem von Symptomen wie Verwirrtheit, Krampfanfällen, Kampflust oder Halluzinationen geprägt. Darüber hinaus entwickeln sich Beschwerden des sympathischen Nervensystems wie eine starke Gänsehaut, übermäßige Speichelproduktion oder Herzrhythmusstörungen. Die stille Tollwut zeigt sich hingegen durch Muskelschwäche, die zunächst an dem verletzten Körperteil auftritt. Es kommt zur Lähmung der betroffenen Gliedmaßen, die allmählich fortschreitet und schließlich auch die weiteren Extremitäten sowie die Gesichtsmuskeln betrifft. Die dritte Phase entspricht dem Stadium des Komas. Wird die Tollwut nicht behandelt, dauert die Zeit zwischen den ersten Beschwerden und dem Tod etwa sieben Tage.

Bei etwa 80 Prozent der Erkrankten tritt die klassische Form, die Wilde Wut (Enzephalitische Tollwut), auf.

Geschichte der Immunisierung Bereits 1881 führte Pierre Victor Galtier die ersten Impfversuche mit ungeschwächten Tollwutviren durch. Drei Jahre später begann Louis Pasteur mit attenuierten Lebendimpfstoffen an Hunden zu experimentieren. Die heutigen modernen Tollwutimpfstoffe sind in ihrer Wirksamkeit und in ihrer Verträglichkeit deutlich verbessert, sodass die Immunisierung unbedenklich ist. Es werden inaktivierte Totimpfstoffe verwendet, die sich auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO befinden. Für die Grundimmunisierung ist es notwendig, drei Dosen an Tag 0, 7, 21 oder 28 zu verabreichen, eine Schnellimmunisierung benötigt hingegen lediglich einen Zeitraum von einer Woche. Danach beträgt der Impfschutz bis zu fünf Jahre.

Wer sollte geimpft werden? Bei Personen, die einem hohen kontinuierlichen Risiko ausgesetzt sind (Jäger, Förster, Tierärzte), sollte eine präexpositionelle Immunisierung stattfinden. Auch Reisende, die Regionen mit einer hohen Tollwutgefährdung (etwa durch streunende Hunde) besuchen, lassen sich am besten impfen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) rät im Falle eines Bisses oder Schleimhautkontaktes mit einem tollwütigen Tier zu einer simultanen aktiven und passiven Immunisierung (also die aktive Impfung und die Verabreichung von Immunglobulin). Die sofortige Postexpositionsprophylaxe ist die einzige lebensrettende Maßnahme und sollte möglichst unverzüglich geschehen. Auch Geimpfte erhalten in der Regel nach dem Biss durch ein verdächtiges Tier zur Vorsicht an Tag 1 und 3 je eine Dosis. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/17 ab Seite 118.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

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