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Öko-Bio-Grün – Naturkosmetik ist in Mode. Doch was ist alles Bio, wenn es heißt „98 Prozent aus natürlichen Inhaltsstoffen“? Ein genauer Blick aufs Etikett hilft den Überblick zu behalten.

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Biologisch saubere Produkte sind nach wie vor der Wachstumsmotor im Kosmetikmarkt und das weltweit. Dank jahrelanger Forschung und Entwicklung ist zertifizierte Naturkosmetik deshalb in punkto Wirksamkeit und Anwendbarkeit heute auf Augenhöhe mit klassischer Kosmetik. So ist es nicht verwunderlich, dass der Markt stetig wächst. Rund 2,45 Milliarden Euro gaben die Bundesbürger 2017 für naturnahe und zertifizierte Naturkosmetik aus. Geschätzte neun Prozent des Gesamtumsatzes werden dabei in Apotheken umgesetzt. Damit liegen Apotheken in der Handelsstruktur im mittleren Bereich, hinter Drogeriemärkten, Naturkosmetik- und Bio-Supermärkten sowie Parfümerien.

Interessant dabei ist, dass im Reformhaus, Supermarkt oder in Webshops die Absatzzahlen niedriger liegen. Was Verbraucher tatsächlich von Naturkosmetik erwarten, untersuchte die Gesellschaft für Konsumforschung in einer Studie aus dem Jahr 2014. Knapp 80 Prozent assoziieren mit Natur- und Biokosmetik, dass nur natürliche Inhaltsstoffe im Produkt stecken. Dazu sollten für 72 Prozent der Befragten keine synthetischen Ingredienzen dabei sein und 60 Prozent erwarten hier Produkte ohne Gentechnik. Doch nicht bei allen grünen Produkten treffen diese Wünsche tatsächlich zu.

Label-Dschungel verwirrt unnötig Das Dickicht der Biolabel ist wenig transparent: Derzeit gibt es über 30 private Labels, die sich auf diesem Segment tummeln. Doch deren Anforderungen sind verschieden. Generell gilt, dass auf Formaldehyd, quartäre Ammoniumverbindungen, Organohalogene sowie ethoxylierte Verbindungen, Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA), synthetische Farb- und Duftstoffe sowie Parabene aus der Gruppe der Konservierungsstoffe verzichtet wird. Naturkosmetik-​Labels präferieren fair-trade- Produkte, ätherische und natürliche Öle sowie natürliche Extrakte, bevorzugt aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) und nachhaltiger Wildsammlung. Wichtig ist zudem verantwortungsvolles Handeln gegenüber der Natur sowie Gentechnikfreiheit (GMO).

Dennoch sind verschiedene Bereiche nicht einheitlich geregelt. Dazu zählen die Berechnung der Extrakte mit Bioanteil, die Rückverdünnung von Bio-​Pulvern, zugelassene Lösungsmittel zur Extraktion, Anforderungen des Biogehaltes am Fertigprodukt, Anforderungen an die biologische Abbaubarkeit und aquatische Toxizität. Ferner die Einsortierung von Produkten aus Fermentation sowie die Bewertung petrochemischer Bestandteile. Wenn ein Kunde auf der Suche nach einem Naturkosmetikprodukt mit besonders strengen Richtlinien ist, haben sich solche mit Natrue- sowie Cosmos Natural-​Siegel bewährt.

Irreführend: 98 Prozent natürliche Inhaltstoffe Ein Stück vom Naturkosmetikkuchen möchten sich natürlich auch Global Player des Kosmetikmarktes abschneiden. So finden sich in letzter Zeit zunehmend Produkte im Drogerie- und Supermarkt, die beispielsweise damit werben, dass ihre Inhaltsstoffe zu fast hundert Prozent natürlichen Ursprungs sind. Beim Blick auf die Deklaration sucht man jedoch eines der zertifizierten Siegel vergebens: das Natrue-​Siegel. Wie kann das sein – es steckt doch fast nur Natur im Tiegel, fragen sich bestimmt interessierte Kunden. Hier können Sie aufklären. Die Bezeichnung „nur natürliche beziehungsweise biologische Inhaltsstoffe“ kann man sich am Beispiel Wasser wie folgt erklären: Für das Natrue-Siegel wird Wasser zu einem Viertel und für das Cosmos-Siegel zur Hälfte an der Gesamtmenge des Produktes berücksichtigt. Wasser nach dem technischen Standard ISO16128 wird als rein biologisch gewertet.

Vorausgesetzt alle andere Rohstoffe sind ebenfalls biologisch, ergibt sich ein Wert von hundert Prozent. Bei Wasser mag es ja noch unproblematisch sein. Anders sieht es da schon bei der Bezeichnung „keine chemischen Inhaltsstoffe“ aus. Mineralöle als Ausgangsstoff für naturnahe Rohstoffe sind für das Natrue-​Siegel strikt untersagt. Auch bei Cosmos gilt, dass Mineralöle in chemisch verarbeiteten Inhaltsstoffen nicht erlaubt sind. Anders bei der ISO-Norm, für die es allerdings kein Kennzeichnungslogo gibt: Hier gilt ein Mineralölanteil von bis zu 49 Prozent Mineralölanteil als naturnah. Ähnlich verhält es sich beim Thema Gentechnik (GMO): Um das Natrue- oder Cosmos-Siegel zu erhalten, sind keine gentechnisch veränderten Pflanzen und deren Bestandteile erlaubt. Jedoch bei der ISO-Norm 16128: Hier werden GMO-Pflanzen durchaus als natürlich gewertet.

Anleitung zum Grünrechnen Es kommt also immer darauf an, nach welchen Kriterien ein Hersteller seine Inhaltsstoffe klassifiziert. Ferner erklärt dies, warum eine Fülle vermeintlich natürlicher Kosmetika im Grunde als „Greenwash-Produkte“ bezeichnet werden können und wenig mit echter, zertifizierter Naturkosmetik gemein haben. So entsprechen Natrue und Comos den Verbrauchererwartungen, Greenwash-Produkte nach ISO16128 nicht. Die beiden zertifizierten Siegel bieten Ihren Kunden die Sicherheit, dass es sich dabei um echte Naturkosmetik handelt. Die ISO-Norm 16128 ist kein Ersatz für gebräuchliche Zertifizierungen von Natur- und Biokosmetik. Ferner existieren hier keine verbindlichen Vorschriften.

Im Grunde handelt es sich um eine Anleitung zur Berechnung des prozentualen Anteils an natürlichen oder Bestandteilen aus kontrolliert biologischem Anbau. Und dieser lässt sich entsprechend grünrechnen. Der Markt lässt sich also in verschiedene Bereiche kategorisieren: kontrollierte Naturkosmetik (mit entsprechender Zertifizierung), nicht zertifizierte Naturkosmetik ohne synthetische Konservierung, Duft- und Farbstoffe sowie naturnahe Kosmetik unter Verwendung einzelner Naturstoffe. Hinzu kommt, dass Hersteller die Natrue oder Cosmos auf ihrem Produkt deklarieren, dies alle zwei Jahre erneut prüfen lassen müssen, um diese weiter verwenden zu dürfen. Es gibt sie also – Kosmetik mit positiver Ökobilanz und für ein grünes Gewissen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 90.

Kirsten Metternich von Wolff, Freie Journalistin

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