Frau sitzt auf Couch © Voyagerix / iStock / Getty Images
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Tipps für die Beratung

STÜTZ- UND KOMPRESSIONSSTRÜMPFE

Fast jeder Kunde, der zum ersten Mal damit zu tun bekommt, reagiert spontan wenig begeistert. Gerade deshalb lohnt es, sich mit der Thematik näher zu beschäftigen, um Kunden noch besser mit guten Argumenten zu überzeugen und mit wertvollen Tipps zu versorgen.

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Was können die Strümpfe? Durch Druck von außen auf die Venen werden die Wände der erweiterten Bluttransportgefäße wieder näher zusammengeschoben und somit auch die Venenklappen wieder nahe genug aneinander gebracht. Jetzt können die Venenklappen wieder besser ihre Ventilfunktion übernehmen und die lebenswichtige Aufgabe, das Blut zum Herzen zurückzutransportieren, leichter erfüllen.

Was unterscheidet Stütz- und Kompressionsstrümpfe voneinander?Auch wenn beiden Begriffe in der Alltagssprache oft synonym verwendet werden, gibt es für Sie als Fachleute wichtige Unterschiede: Stützstrümpfe üben meistens einen geringeren Druck auf die Venen aus und werden nicht von den Krankenkassen erstattet. Sie zählen zum Selbstmedikations-Sortiment und können in der Freiwahl präsentiert werden. Die Stärke des ausgeübten Drucks wird in der Einheit „den“ dargestellt. Dies ist die Abkürzung von Denier und stammt ursprünglich aus der französischen Seidenindustrie. Es ist ein Maß für die Feinheit der Garne und wird oft in der Textilindustrie verwendet.

Gebräuchliche Stärken sind 70 den für eine sehr leichte Stützwirkung, über 140 den bis hin zu 280 den. Kompressionsstrümpfe hingegen können auf Rezept zu Lasten der Krankenkassen verschrieben werden, wenn eine entsprechende medizinische Indikation vorliegt. Hier wird die Stärke des Drucks durch die Kompressionsklassen 1 bis 4 gekennzeichnet. Zum Vergleich: Stützstrümpfe mit 280 den entsprechen noch der Kompressionsklasse 1. Auch wenn man in beiden Fällen meistens nur von Strümpfen spricht, gibt es nicht nur Knie- und Oberschenkelstrümpfe, sondern auch Strumpfhosen oder verschiedene Kombinationen für das rechte und linke Bein.

Welches sind Ihre Zielgruppen für Stützstrümpfe? Es sind längst nicht nur Senioren, an die Sie natürlich immer denken dürfen, sondern auch:

  • Menschen, die im Job zu wenig Bewegung haben. Da Bildschirmarbeit immer mehr zunimmt, verbringen sehr viele Menschen einen großen Teil des Tages im Sitzen. Bei ihnen fehlt den Venen die unterstützende Wirkung der Muskeln, die bei Bewegung durch abwechselnde Kontraktion und Entspannung mithelfen, das Blut entgegen der Schwerkraft zurückzupumpen. Die sogenannte Muskelpumpe ist somit nicht aktiviert, was genauso bei langem Stehen auftreten kann.
  • Personen, die beruflich viel reisen müssen. Dabei kommt es zu langem Sitzen, ob im Flugzeug, im Auto oder in der Bahn. Besonders bei Flugreisen wird zusätzlich meistens zu wenig getrunken, da vor den Sicherheitskontrollen die Getränke abgegeben werden müssen und oftmals die Zeit fehlt, sich danach neue Getränke für teures Geld zu besorgen. Dadurch wird das Blut dickflüssiger. Dies erhöht die Gefahr, eine lebensgefährliche Thrombose, also ein Blutgerinnsel zu bekommen.
  • Urlaubsreisende, zumal weitere Ziele für immer mehr Menschen durch sogenannte Billigflieger erschwinglich geworden sind. Gerade bei diesen Fluggesellschaften ist Verpflegung oft nicht im Preis inbegriffen. Da hier jeder Schluck Wasser extra bezahlt werden muss, wird dann oftmals viel zu wenig getrunken. Außerdem erfüllen sich zunehmend mehr Menschen Wünsche zu fernen Reisezielen in einem Alter, in dem sie bereits mit Inkontinenz zu kämpfen haben. Aus Angst, nicht rechtzeitig die nächste Toilette anzutreffen, trinken sie dann noch weniger. Am warmen Zielorten kommt dann noch Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen hinzu, wodurch das Thromboserisiko weiter steigt.
  • Schwangere, denn durch die hormonelle Umstellung wird das Bindegewebe schwächer. Bei fortgeschrittener Schwangerschaft müssen die Venen dann immer mehr zusätzliche Mengen an Blut zurück zum Herzen der Mutter pumpen, um das Ungeborene mitzuversorgen. Bei ungünstiger Lage des Babys drückt dieses außerdem auf die Blutgefäße.
  • Sportler! Unter diesen begeistern sich immer mehr für Kompressionsstrümpfe, sei es beim Training, um den Muskeln durch den äußeren Druck mehr Widerstand zu bieten, oder auch während der Wettkämpfe bei Ausdauersportarten wie zum Beispiel Marathonläufen, um den Rücktransport des Blutes und damit die gesamte Blutzirkulation zu fördern. Die Forschung auf diesem Gebiet steckt noch in den Anfängen, aber erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass besonders weniger trainierte Sportler davon profitieren. Diese Kunden werden Ihr Fachwissen zu schätzen wissen, wenn Sie ihnen erklären, dass nicht nur die Schuhgröße bei der Auswahl der Strümpfe wichtig ist. Auch der Umfang der Beine an entscheidenden Stellen muss genau bestimmt werden. So ist der Umfang an den Fesseln, das sogenannte B-Maß, für den Gesamteffekt besonders ausschlaggebend. Hier muss der Druck am höchsten sein.

Wer bekommt Kompressionsstrümpfe?Verschrieben werden diese in der Schwangerschaft oder wenn es bereits zu venösen Krankheiten gekommen ist. Dazu gehören Krampfadern oder Thrombosen. Um mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen zu können, muss Ihre Apotheke allerdings einen Vertrag mit der jeweiligen Kasse abgeschlossen haben. Wer Kompressionsstrümpfe anmessen will, muss ein gültiges Zertifikat besitzen. Des Weiteren muss abgeklärt werden, ob bei der jeweiligen Krankenkasse vorab ein Kostenvoranschlag eingereicht und gegebenenfalls die Genehmigung abgewartet werden muss. Wenn die Kriterien erfüllt sind, zahlt die Krankenkasse alle sechs Monate ein neues Paar.

Das ist auch durchaus sinnvoll, denn mit der Zeit geht die Spannkraft des Gewebes verloren, wodurch der ausgeübte Druck nachlässt. Von Seiten der Ärzte sind dabei auch keine Schwierigkeiten zu erwarten, denn als Hilfsmittel fallen Kompressionsstrümpfe nicht ins Arzneimittelbudget und somit haben sie keine Retaxationen zu befürchten. Allerdings kennt sich nicht jede Arztpraxis gut mit dem Ausstellen von Hilfsmittelrezepten aus, deshalb muss das Apothekenteam genau darauf achten, ob die entsprechende Indikation auf dem Rezept vermerkt ist, die Position 7 angekreuzt ist und das Rezept auch maximal 28 Tage alt ist.

Aber es gibt auch Kunden, die sich über Stützstrümpfe an „echte“ Kompressionsstrümpfe herangetastet haben und sich ohne Rezept welche bestellen, da diese eine zusätzliche Auswahl an Farben, Stoffqualitäten oder Befestigungsmöglichkeiten bieten. So gibt es in jeder Saison neue Farben und inzwischen verschiedenste Materialien wie Mikrofasern, Gemische mit Naturfasern oder auch Stoffe, die Aloe oder Dexpanthenol zum Feuchtigkeitsspenden enthalten. Zum Befestigen von Oberschenkelstrümpfen können Ihre Kunden zwischen einer Vielzahl von Haftbändern wählen, die bestimmt viele zum Staunen bringen werden, die vorher nur „Gummistrümpfe“ aus dem Krankenhaus gekannt haben.

Zum Ausmessen der Beine ist es wichtig, einen Termin früh am Morgen zu vereinbaren, da bei Venenproblemen der Umfang durch Schwellungen im Laufe des Tages schnell zunimmt. Bei Kunden, die sehr schlecht zu Fuß oder sogar bettlägrig sind, ist es sinnvoll, einen Hausbesuch zu vereinbaren. Wenn der Kunde sich zum Ausmessen in der Apotheke befindet, sollte aus Diskretionsgründen ein Schild vor der Tür des entsprechenden Raumes hängen, damit es nicht zu peinlichen Situationen kommt. Es müssen auch unbedingt beide Beine ausgemessen werden, denn sehr oft sind die einzelnen Seiten unterschiedlich. Auch für die Abgabe der gelieferten Ware ist es wichtig, sich genug Zeit zu nehmen.

Besonders das Anziehen der Strümpfe oder Strumpfhosen ist gewöhnungsbedürftig und kostet zumindest am Anfang Überwindung. Deshalb zeigen Sie Ihren Kunden am besten, wie die Ferse umzuklappen ist, damit sie gut über den Knöchel geht, denn dies ist recht anstrengend. Auch das Hochschieben des restlichen Strumpfes entlang der Beine wird am besten gezeigt, denn das Material darf auf keinen Fall einfach gezogen werden. Sonst kann der richtige Druckverlauf an den entsprechenden Stellen nicht gewährleistet werden. Sie dürfen auch erwähnen, dass bewährte Anziehhilfen zur Verfügung stehen, falls der Kunde zu Hause beim Anziehen nicht zurechtkommt, denn dies ist das Hauptproblem vieler Kunden und weniger das eigentliche Tragen.

Besonders beliebt sind Anziehhilfen aus Fallschirmseide, über die der Kompressionsstrumpf ganz leicht gleitet. Aber auch Metallgestänge, über die der Strumpf gespannt wird, haben sich besonders bei älteren Kunden bewährt. Das Waschen dieser Medizinprodukte sollte nicht unerwähnt bleiben. Es ist dabei wichtig, dass kein Weichspüler verwendet wird, weil die Fasern sonst ihre Funktion schnell verlieren. Viele Kompressionsstrumpfherstellerbieten geeignete Waschmittel an. Sie als PKA können dies als Zusatzverkauf mit Überzeugung empfehlen. Für das Waschen in der Waschmaschine sind Wäschesäckchen sinnvoll, um das Material vor Laufmaschen, die durch Kontakt mit anderer Wäsche entstehen, zu schützen.

Zum Trockenen müssen die nassen Strümpfe dann horizontal ausgebreitet werden, denn durch Aufhängen würden sie mittels der Schwerkraft langgezogen und ihre Form verändern. Trotz vieler Tipps ist klar, dass Ihren Kunden zu Hause die ein oder andere Sache noch durch den Kopf geht. Geben Sie Ihnen mit auf den Weg, dass Sie Ihnen gerne weitere Fragen beantworten werden oder etwas nochmal zeigen und erklären. Dann haben Sie Ihre Kunden nicht nur von Ihrem Fachwissen überzeugt, sie werden auch mit anderen Anliegen gerne wiederkommen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/19 ab Seite 77.

Eine aktuelle PKA-Fortbildung zu diesem Thema finden Sie hier.

Ute Kropp, Apothekerin und PKA-Lehrerin

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