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Neue Serie: Schlaf – Teil 1

STILL, STILL, STILL

Wenn wir ihn in nicht ausreichender Menge oder Qualität bekommen, werden wir müde und unkonzentriert. Doch was genau passiert eigentlich, wenn wir die Augen geschlossen haben?

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Säuglinge verbringen etwa 16 Stunden von 24 schlafend, Erwachsene immerhin noch acht. Im Schnitt verschlafen wir ein Drittel unseres Lebens. „Ver“schlafen? Nein. Heute ist klar, dass währenddessen wichtige Prozesse ablaufen, ohne die wir nicht existieren könnten. Doch welche und wie genau, ist ein Feld aktiver Forschung und Diskussion. Zweifelsohne können wir ohne Schlaf nicht auskommen. Das wissen wir aus Erfahrung und das zeigen auch Experimente.

Schlafentzug führt dazu, dass Konzentration, Wahrnehmung und geistige Leistungsfähigkeit nachlassen. Bei extremem Schlafentzug drohen Halluzinationen und Psychosen. Aber auch körperlich schlägt sich Schlafmangel nieder: Der Kohlenhydratstoffwechsel wird in Mitleidenschaft gezogen, die Ausschüttung von Hormonen gerät durcheinander und eine ganze Reihe von Körperfunktionen mit ihnen. In Tierversuchen führt dauerhafter Schlafentzug zum Tod.

Nicht passiv Doch was genau geschieht eigentlich, während wir schlafen? Der Brockhaus definiert Schlaf als „beim Menschen und den meisten Tieren auftretenden Zustand mit Herabsetzung beziehungsweise Aufhebung des Bewusstseins und der Aktivität“. Heute weiß man, dass vor allem unser Gehirn den Schlaf benötigt. Doch dabei ist es keinesfalls passiv, nachdem wir die Augen geschlossen haben. Im Gegenteil: Elektroenzephalografien, also die Aufzeichnung der Hirnströme, sowie bildgebende Verfahren zeigen, dass das Gehirn anders, aber zumindest phasenweise kaum weniger aktiv ist als im Wachzustand.

Wie viel Schlaf wir brauchen, hängt wesentlich von unseren Genen ab. Für die ganz überwiegende Mehrheit aller Erwachsenen liegt das Schlafoptimum pro Nacht bei sieben bis neun Stunden – Ausreißer nach unten und nach oben sind möglich. Frauen brauchen etwas mehr Schlaf als Männer. Während Säuglinge zwei Drittel der Zeit schlafend verbringen, sinkt die Schlafdauer bis zur Kindheit ab. Jugendliche brauchen dann wieder eher mehr. Ältere Menschen benötigen etwa eine halbe Stunde weniger als junge Erwachsene; zudem schlafen sie leichter.

Jugendliche Eulen Auch daran, ob wir Frühaufsteher oder Langschläfer sind, sind hauptsächlich die Gene schuld. Als Lerchen werden Menschen bezeichnet, die früh am Abend müde werden und einschlafen – um dann ebenfalls früh am Morgen wieder aufzuwachen. Eulen nennt man dementsprechend Personen, deren natürlicher Biorhythmus sie erst spät müde werden lässt. Sie gehen später ins Bett und schlafen entsprechend länger.

NEUGIERIG?
Über den normalen Schlaf und seine Funktionen, unterschiedliche Schlafprobleme und ihre Therapien sowie mögliche Auswirkungen unseres westlichen Lebensstils auf unseren Schlaf und unsere Gesundheit berichteten wir ab sofort in einer neuen Serie.

Bei allen Jugendlichen verschiebt sich der Schlafrhythmus übrigens in Richtung Eule. Selbst wenn ihre Eltern sie frühzeitig ins Bett schicken, können sie noch nicht einschlafen. Weil sie aber morgens wegen der Schule trotzdem früh wieder raus müssen, häufen sie über die Woche ein immer größeres Schlafdefizit an – das sie regelmäßig am Wochenende ausgleichen.

Zirkadian Normalerweise folgt unser Schlaf-Wach-Rhythmus dem Tagesverlauf von 24 Stunden: Gesteuert wird dies von einer inneren Uhr, die Informationen über die Lichtverhältnisse vom Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus erhält, der wiederum mit der Netzhaut verbunden ist. Abends, wenn es dunkel wird, steigt die Produktion des müde machenden Melatonins in der Epiphyse – wir schlafen ein.

Ab circa drei Uhr nachts nimmt die Melatoninkonzentration wieder ab, dafür produziert die Nebennierenrinde nun vermehrt Kortisol, bis seine Konzentration in den frühen Morgenstunden ihr Maximum erreicht hat – wir werden wieder wach. Daneben hat eine Vielzahl weiterer Signalmoleküle Einfluss auf unseren Wach- beziehungsweise Schlafzustand und den Übergang zwischen beiden.

Phasenweise durch die Nacht Aber Schlaf ist nicht gleich Schlaf. Forscher unterscheiden zwischen REM-Schlaf, bei dem sich die Augen hinter den Lidern rasch hin und her bewegen und Non-REM-Schlaf, der sich wiederum in je zwei Leicht- und zwei Tiefschlafstadien unterteilen lässt. Normalerweise durchlaufen wir während einer Nacht vier bis sechs aus diesen Stadien zusammengesetzte Schlafzyklen, von denen jeder etwa 90 Minuten dauert. Dabei überwiegen in der ersten Nachthälfte die Tiefschlafphasen, in der zweiten nehmen die REM-Schlafphasen zu.

Warum muss ich schlafen? Eine endgültige Antwort auf diese Frage steht noch aus. Offenbar nutzt das Gehirn die Zeit, um Informationen, die wir am Tag aufgenommen haben, zu sortieren und sich die wichtigeren zu merken. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass es zudem vor allem nachts Stoffwechselmüll entsorgt. Doch auch für den Rest des Körpers ist der Schlaf essenziell wichtig: Er nutzt die Zeit, um sich zu regenerieren. Für das Immunsystem spielt ausreichend Schlaf ebenfalls eine große Rolle. Noch immer nicht klar: Welche Funktion haben eigentlich Träume?

Schlafstörungen Dass dies alles – und möglicherweise noch viel mehr – reibungslos funktioniert, setzt voraus, dass wir gut und ausreichend schlafen. Tun wir dies nicht, sind wir tags darauf nicht voll leistungsfähig. Dies kann soziale und berufliche Beeinträchtigungen zur Folge haben. In diesen Fällen sprechen Fachleute von einer Insomnie. Davon sind laut einer Befragung des Robert Koch- Instituts etwa sechs Prozent der Erwachsenen in Deutschland betroffen. Über Ein- und Durchschlafstörungen (ohne gravierende Folgen für den nächsten Tag) berichtete sogar ein Drittel der Teilnehmer.

Exkurs – Schlafen im Tierreich Während wir Menschen uns zum Schlafen in aller Regel hinlegen und die Muskeln sich entspannen, existieren im Tierreich unterschiedliche Variationen: Fledermäuse und Faultiere schlafen beispielsweise kopfüber hängend, Elefanten und Pferde im Stehen, Flamingos sogar auf einem Bein. Manche Vogelarten können während des Fliegens schlafen.

Delfine, Wale und Robben schlafen beim Schwimmen im Wasser – und zwar nur mit einer Gehirnhälfte. Die andere Seite bleibt wach, das Auge offen, die Flosse schlägt – das Tier schwimmt schlafend im Kreis. Nach einer Weile ist die andere Seite dran. Mit nur einer Gehirnhälfte schlafen auch Enten, die in einer Gruppe außen sitzen, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Auf dieser Außenposition wird regelmäßig abgewechselt. 

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 ab Seite 126.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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