Illustration: Drei unterschiedlich aussehende Menschen in unterschiedlichen Kitteln. Eine hält eine Spritze, eine ein Klemmbrett und eine ein übergroßes Virus.© Alina Kvaratskhelia / iStock / Getty Images Plus
Wer wogegen geimpft werden sollte, lässt sich aus zahlreichen Blickwinkeln betrachten - deshalb sind die STIKO-Mitglieder Experten auf den verschiedensten Gebieten.

STIKO

IMPFKOMMISSION BEKOMMT NEUE MITGLIEDER

Während der Corona-Pandemie stand die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut im Zentrum des Interesses. Von ihren Empfehlungen hing ab, wer den umkämpften Impfstoff als erstes erhielt. Nun wird die Kommission modernisiert.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Die Ständige Impfkommission (STIKO) ist am Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelt und besteht aus unabhängigen Experten. Alle drei Jahre wird die STIKO vom Bundesgesundheitsministerium neu einberufen, um dann halbjährlich zu tagen. Unter Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird die Besetzung in Zukunft deutlich anders aussehen. Wie erwartet sind nicht alle damit einverstanden.

Der langjährige bisherige Vorsitzende der Kommission, der Virologe Professor Dr. Thomas Mertens, sieht die Pläne Lauterbachs kritisch. Er ist einer von zwölf Experten, die die STIKO verlassen. Aber die Neuerungen sollen deutliche Vorteile bringen.

Mathematik und Kommunikation sind neu im Impfwesen

In der Berufungsperiode bis 2027 besteht die STIKO aus 19 statt bisher 17 Personen. Neu dazugekommen sind erstmals auch Experten aus den Fachbereichen mathematische Modellierung, Kommunikationswissenschaften und Geriatrie. Die Mitglieder werden vom Bundesgesundheitsminister ernannt.

Die Kernaufgabe der STIKO ist die Herausgabe von Impfempfehlungen für die Bevölkerung. Während der Pandemie fanden sich die Mitglieder der Kommission unfreiwillig im Zentrum des Interesses wieder. Sie alle sind aber keine Medienexperten, sondern Kinderärzte, Allgemeinmediziner, Gynäkologen, Virologen, Gesundheitsbeamte, Tropenmediziner oder Immunologen, um nur ein paar zu nennen. Alle sind Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet. Sie organisieren sich in verschiedenen Arbeitsgruppen und passen die jeweiligen Impfempfehlungen an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse an.

Das Besondere: die STIKO berücksichtigt in ihren Empfehlungen nicht nur die geimpften Personen, sondern bewertet auch die Vor- und Nachteile für die Gesamtbevölkerung, berücksichtigt die Kosten für den Impfstoff und bezieht viele weitere Aspekte in ihre Arbeit ein. Es spielt also nicht wie bei der Impfstoffzulassung nur die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität des Impfstoffes eine Rolle. Das bedeutet: Auch die Personen, die gar nicht geimpft werden, müssen hier berücksichtigt werden. In den einzelnen Arbeitsgruppen, beispielsweise zu Grippe, Pneumokokken oder aktuell zum Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) werden auch externe Fachleute hinzugezogen.

Nicht langsam, sondern gründlich

Das Verfahren für die Erarbeitung der Impfempfehlungen beruht auf den Kriterien der evidenzbasierten Medizin (EbM). Seit über zehn Jahren hat es sich bewährt, sagt der ehemalige Vorsitzende Mertens, seines Zeichens Virologe und mit wissenschaftlichen Arbeitsweisen vertraut.

Vor der Pandemie, merkte er bei einer Veranstaltung im letzten Sommer an, musste er diese Arbeitsweisen nie rechtfertigen. Denn wissenschaftliches Arbeiten und das Sichten von riesigen Datenmengen kostet Zeit, die die Politik in der Krise aber oftmals nicht hatte. Vielfach sahen sich die STIKO-Mitglieder öffentlicher Kritik für langsames Arbeiten ausgesetzt. „Es war wenig hilfreich, dass die Politiker ständig ungefragt dazwischen gequatscht haben“, resümiert Mertens.

Er betont auch, dass sich früher wissenschaftliches Arbeiten eher auf Expertenmeinungen gestützt habe, und das sei heute anders. Heute beruht die Arbeit der STIKO auf Evidenz, und diese zu finden ist nicht ganz einfach. Deutschland habe zum einen großen Nachholbedarf bei der Datenerfassung, zum anderen könne sich die Evidenz vom „gefühlten Wissen“ deutlich unterscheiden. Sorgfältige Auswertungen kosten vor allem, man ahnt es, Zeit.

STIKO fast komplett neu besetzt

Neu ist nach Lauterbachs Änderungen, dass die Amtszeit der Mitglieder auf drei Berufungsperioden begrenzt wird. Jede dauert drei Jahre. Der Gesundheitsminister will damit die STIKO „jünger und noch interdisziplinärer“ besetzen. Den „abrupten“ Wechsel sieht nicht nur Mertens kritisch, auch die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern fürchten einen „Alleingang“ des Ministers und warnen vor einem „großen Verlust von Fachexpertise“.

Durch die Neuregelung werden gleich zwölf Posten neu besetzt. Mertens hatte allerdings bereits im Vorfeld angekündigt, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Der neue Vorsitzende der STIKO ist der Virologe Professor Klaus Überla, bisher Direktor des Virologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Nur fünf Mitglieder bleiben unverändert.

Es wird sich zeigen, ob Lauterbachs Plan, die STIKO unabhängiger zu machen, aufgeht – oder ob die Kritiker recht behalten. Die Bundesärztekammer hat Lauterbach bereits schriftlich ihre Bedenken mitgeteilt.

Quellen:
https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2024-03-14.html
https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Mitgliedschaft/Mitglieder/mitglieder_node.html
https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Mitgliedschaft/Mitarbeit_STIKO-AGen/Mitarbeit_STIKO-AGen_node.html
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/stiko-fast-vollstaendig-neu-besetzt-145442/
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/bmg-55-millionen-euro-fuer-eigene-apps/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/evidenz-statt-eminenz-140556/

×