Ein Mädchen im Teenager-Alter zeigt ihr Pflaster am Oberarm: Sie wurde gerade geimpft.© KucherAV / iStock / Getty Images Plus
Nicht nur Mädchen, auch Jungen sollten gegen HPV geimpft werden.

Gebärmutterhalskrebs

HPV-HERDENIMMUNITÄT DURCH GEMEINSAME IMPFUNG FÜR MÄDCHEN UND JUNGEN

„Durch eine HPV-Impfung kann viel Leid verhindert werden.“ Das sagt Marion von Wartenberg vom Krebsverband Baden-Württemberg. Doch gerade hier, im Südwesten Deutschlands, geht die Anzahl der Impfungen gegen die potenziell krebserregenden Humanen Papillomviren dramatisch zurück.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Im vergangenen Jahr wurden im Ländle 24 Prozent weniger Kinder und Jugendliche als im Vorjahr gegen HPV-Krebs geimpft. Besonders stark ist der Rückgang bei 15 bis 17-jährigen Jungen (39 Prozent). Insgesamt gab es bei Jungen ein Minus von 28 Prozent und bei Mädchen von 21 Prozent.

Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt Mädchen und Jungen die Impfung gegen HPV im Alter von 9 bis 14 Jahren. Humane Papillomviren werden sexuell übertragen und können Gebärmutterhalskrebs sowie Krebs im Mund-Rachen-Raum, an weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen und im After verursachen. Eine Impfung sollte idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen.

Zur Herdenimmunität braucht es auch die Jungs

In Deutschland – hier wurde die Impfung auf Basis der Grundlagenforschung von Nobelpreisträger Harald zur Hausen erfunden – sind zwei HPV-Impfstoffe verfügbar:

  • der zweivalente Impfstoff Cervarix® und
  • der neunvaltente Impfstoff Gardasil®.

Forschende vom Schwedischen Karolinska Institut werteten nun finnische Daten zur HPV-Impfung aus. Sie verglichen Städte, in denen nur Mädchen, Mädchen und Jungen oder aber niemand geimpft wurde. In Finnland kommt vor allem der bivalente Impfstoff zum Einsatz. Er schützt gegen die HPV-Varianten 16 und 18 und bietet einen Kreuzschutz gegen die Varianten 31 und 45. All diese HPV-Varianten gelten als karzinogen.

Das Ergebnis: Wenn nur Mädchen geimpft wurden, ging die Prävalenz der Varianten 16, 18 und 31 signifikant zurück. Wurden Mädchen und Jungen gemeinsam geimpft, zudem die Variante 45. Dr. Ville N. Pimenoff, der Erstautor der Studie, erklärt: „Dies zeigt, dass man eine stärkere Herdenimmunität erhält, wenn man sowohl Jungen als auch Mädchen impft.“

Werden bestimmte Varianten ausgeschaltet, rücken andere nach

Die Studie zeigt jedoch auch: Verschwinden die Varianten, dann verbreiten sich verstärkt solche, gegen die nicht geimpft wurde. Man nennt das „Type Replacement“: Wenn durch eine Impfung bestimmte Varianten erfolgreich eliminiert wurden, besetzen andere Virusvarianten die frei gewordene ökologische Nische.

Ändert sich etwas in Deutschland?

In diesem Fall haben die nachrückenden Varianten glücklicherweise eine geringere Onkogenität, erklärt Dr. Tim Waterboer vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Ob sich das Type Replacement auf das Krebsrisiko auswirke, sie noch nicht zu sagen, so der Infektiologe weiter: „Erstmal gilt der Trend, dass durch Impfung weniger Krebserkrankungen entstehen. Wenn Virusvarianten durch andere ersetzt werden, muss das nicht zu einem Anstieg des Krebsrisikos führen, sondern eher zu einer Abschwächung des Abwärtstrends.“

Außerdem wird der in Finnland eingesetze Impfstoff in Deutschland kaum verwendet. Hierzulande wird vor allem das neunvalente Vakzin verimpft. Das hat zur Folge, dass hier ein breiterer Impfschutz gegen verschiedenste Genotypen besteht. Professorin Dr. Ulrike Wieland von der Uniklinik Köln und Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Papillom- und Polyomaviren ergänzt, der in Deutschland vorwiegend eingesetzte Impfstoff decke einige der fraglichen Genotypen bereits ab.

Ihr Kollege Professor Elmar Joura von der Uni Wien ergänzt, „dass für Deutschland, Österreich und die Schweiz die beste HPV-Impfstrategie gewählt wurde: geschlechtsneutral und breiter Impfschutz.“

Kinderärzte plädieren für elektronischen Impfausweis

Ausgerechnet in Deutschland sei nun eine erhöhte Impfskepsis zu beobachten. Und die sei ausgelöst durch die vielen Diskussionen um vermeintliche Folgeschäden der Corona-Schutzimpfungen, sagt Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder und Jugendärzte Deutschlands.

Wünschenswert, so Fischbach, sei ein elektronischer Impfausweis mit einer niedrigschwelligen Informations- und Erinnerungsmöglichkeit. Zudem müsse die Wirksamkeit der HPV-Schutzimpfung im Schulunterricht stärker thematisiert werden.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/real-life-daten-zur-bivalenten-hpv-impfung-143585/ 
dpa

×