Natürlich besser?

STEVIOLGLYKOSIDE

Seit dem 3. Dezember 2011 reiht sich Stevia unter der Nummer „E 960“ in die Liste der als Zusatzstoff zugelassenen Süßstoffe ein. Was bedeutet das?

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Gab es Stevia bisher entweder über das Internet oder Ihren Großhandel, werden in diesem Jahr zunehmend Produkte, die mit Steviolglykosiden gesüßt wurden, in den Handel kommen. Steviabasierte Süßstoffe können beispielsweise für Tafelsüßen, Saucen, Fertiggerichte, eingelegte Lebensmittel, Brot, Konfitüren, Desserts, Speiseeis, Milchprodukte, Tee, Säfte und Erfrischungsgetränke verwendet werden.

Zunächst einmal ist jedoch wichtig, dass man den Begriff Stevia nicht verallgemeinert. Heißt es umgangssprachlich Stevia, sind hier die Glycoside gemeint. In Zutatenlisten wird sich deshalb auch der Begriff Steviolglycoside, Stevia rebaudiana A oder Rebiana finden. Das in Südamerika heimische Kraut wird wegen seiner stark süßenden Eigenschaften – es ist rund 300mal süßer als Zucker – dort seit langer Zeit verwendet. Es ist praktisch kalorienfrei, verursacht keine Karies und eignet sich auch bei Diabetes.

Für den Extrakt – die Steviolglycoside – hat die EFSA – eine tägliche Aufnahmemenge (ADI-Wert) von vier Milligramm Steviolglycosiden pro Kilogramm Körpergewicht als unbedenklich angegeben. Je leichter ein Mensch, desto weniger kann er aufnehmen. Insbesondere bei Kindern könnten deshalb größere Mengen des süßenden Stoffes leicht überschritten werden. Beispielsweise bei Erfrischungsgetränken könnte das schnell der Fall sein. Deshalb enthält die Zulassung Höchstmengen, die strikt eingehalten werden müssen.

Aktuelles Die Europäische Kommission geht in den im November 2011 beschlossenen beiden Zusatzstoffverordnungen sogar noch weiter. Sie kündigte an, dass sie von Herstellern und Verwendern der Steviolglycoside Angaben über die tatsächliche Verwendung des Süßstoffes einfordern und diese den Mitgliedstaaten zugänglich machen wird.

Und die Geschichte ist noch nicht ganz vom Tisch: Reines Steviakraut darf nach wie vor nicht als Zutat in Lebensmitteln eingesetzt werden. Auch der Anbau in Europa bleibt vorerst verboten. Was die Produktqualität betrifft, gibt es Unterschiede. Steviosid, das im Steviablatt hauptsächlich enthaltene Steviolglycosid, hat einen eher bitteren, Lakritz- oder weihnachtsgewürzartigen Nachgeschmack. Beim hochreinen Steviaextrakt Rebaudiosid A (Rebiana), ist der Nachgeschmack weitaus dezenter.

Alles nur ein Hype? Im Grunde ist Stevia lediglich ein Zuwachs für die Süßstofffamilie. Von Natur oder Bio kann nicht die Rede sein. Denn zur Gewinnung unterlaufen die Blätter ein mehrstufiges Verfahren. Zunächst geht es an die Trocknung, dann Mazeration (Einweichen), Fällung und Entfärbung, Ionenaustausch und mehrfache Kristallisation. Ohne Lösungsmittel und andere chemische Stoffe, die Farbstoffe sowie sonstige unerwünschte Substanzen aus dem Gemisch filtern, läuft nichts. Man darf also gespannt sein, wie sich Hersteller ökologischer Lebensmittel positionieren werden, wenn es darum geht, ob das neue E 960 in den Anhang der für Bio-Produkte erlaubten Zusatzstoffe aufgenommen wird.

„Die Branche fragt gerade ihre Mitglieder nach deren Einschätzung“, berichten Dr. Christina Rempe und Britta Klein vom Bonner aid Infodienst. Obwohl illegal, werden die Blätter nach wie vor „getarnt“ als Badezusatz oder für rein kosmetische Zwecke in so manchem Geschäft und Internet angeboten, direkt neben Steviakochbüchern. Zum Teil steht auch schlicht „Stevia“ auf der Packung. Was für eine Art von Produkt das letztlich ist, mag der Käufer selbst entscheiden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/12 auf Seite 26.

Kirsten Metternich, Journalistin

×