© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Nackenschmerzen

STEIFER HALS

Wer kennt das nicht: Gerade noch beim Fernsehen auf dem Sofa gelümmelt und plötzlich geht gar nichts mehr: Hals und Nacken sind wie versteift und schmerzen bei der kleinsten Kopfdrehung. Alles ist total verspannt.

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Meist werden solche Verspannungen der Muskulatur durch Fehlhaltungen und daraus resultierende Überlastung einer Muskelpartie ausgelöst. So liegt man auf der Couch oft verquer und mit einem Großteil des Körpergewichts auf dem abgeknicktem Hals an der Rückenlehne. Eine ähnliche Symptomatik tritt auf beim exzessiven Gebrauch des Smartphones mit abgeknicktem Kopf, dem sogenannten Handynacken. Wen wundert᾽s: Amerikanische Wissenschaftler haben gemessen, dass dabei bis zu viermal so große Kräfte auf der Halswirbelsäule lasten wie beim Geradehalten des Kopfes.

Aber nicht nur physische, auch psychische Lasten und Stress können hinter schmerzhaften Nacken- und Schulterverspannun- gen stecken. Die Muskulatur wird durch diese Ursachen verhärtet, verkürzt und unphysiologisch belastet. Das reizt die Nerven im betroffenen Bereich. Oft ist es dann eine kleine ungünstige Bewegung oder Zugluft, die zu einem schmerzhafte „Rien-ne-va-plus“ führen. Wie können Sie in solchen Fällen in der Apotheke helfen? Natürlich gilt es immer erst abzuklären, dass keine anderen Erkrankungen hinter den Beschwerden stecken.

So könnte ein Prolaps der Halswirbelsäule, degenerative Wirbelveränderungen oder eine Stenose des Wirbelkanals in diesem Bereich die Schmerzen auslösen. Auch systemische Erkrankungen kommen als Verursacher in Frage, die vom Arzt abgeklärt werden sollten, wie Morbus Bechterew, Osteoporose, Fibromyalgie oder Tumorerkrankungen. Oft stecken berufsbedingte Haltungsfehler beispielsweise durch einen nicht ergonomisch eingestellten Arbeitsplatz oder Schlafbedingungen, die die Halswirbelsäule belasten, hinter den Problemen, die chronische Schmerzen zur Folge haben können. Regen Sie den Kunden dazu an, solche Ursachen zu überprüfen.

Häufig in der MenopauseEine oft nicht berücksichtigte Ursache ist der nachlassende Estrogenspiegel in den Wechseljahren, der Schmerzen in Muskeln und Gelenken nach sich zieht. Nacken, Rücken und Schultern sind besonders häufig betroffen. Oftmals beklagen die betroffenen Frauen auch morgendliche Steifheit und Schwellung der Gelenke, im Laufe des Tages bessern sich die Beschwerden dann. Auch wenn Muskel- und Gelenkschmerzen nicht zu den klassischen Wechseljahrsbeschwerden gehören, legen verschiedene Studien nahe, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zum Estrogendefizit gibt. Folgende Effekte durch den Hormonmangel werden diskutiert: Abschwellender Effekt von Estrogen auf die Gelenke entfällt.

Durch Estrogenmangel büßt der Körper einen Teil seiner Wasserspeicher-Kapazität ein. Estrogen-Rezeptoren in bestimmten Nervenstrukturen legen einen schmerzlindernden Effekt von Estrogen nahe. Sinkende Estrogenspiegel könnten zu einer verstärkten Schmerzwahrnehmung führen. Bestimmtes Estrogen-Progesteron-Verhältnis führt zum Ausgleich des Knorpelmetabolismus, was bei Störung des Verhältnisses zu Beschwerden führt. Beteiligung der Geschlechtshormone an der Immunabwehr. Frauen, bei denen andere Ursachen als Trigger ihrer Beschwerden ausgeschlossen werden können, sollten bei entsprechendem Leidensdruck und sofern keine Kontraindikationen gegen die Einnahme sprechen, eine Hormonersatztherapie in Erwägung ziehen.

Move it!Lassen sich schwerwiegende Ursachen ausschließen, ist der wichtigste Ratschlag für Ihren Kunden: Bleiben Sie in Bewegung! Auch wenn es zunächst so erscheint, als könne man sich nicht mehr rühren, ist es wichtig, durch kleinste Rotationen, wie vorsichtiges Kopfdrehen, die dann minimal gesteigert werden, wieder in eine Beweglichkeit zu kommen. Dies geht meist erstaunlich rasch, wenn man vorsichtig, aber kontinuierlich arbeitet.

Alle Maßnahmen zielen darauf ab, dem Hals schnell wieder eine schmerzfreie Bewegung zu ermöglichen.

Schön warm! Unterstützen lässt sich dieser Prozess am besten durch lokale Wärmeanwendung - sofern der Betroffene dies nicht als unangenehm empfindet. Dadurch wird die Durchblutung des schmerzhaften Bereichs angeregt und die verspannte Muskulatur gelockert. Im Liegen können das warme Gelkompressen, eine Wärmflasche oder ein Heiz- oder Kirschkernkissen sein. Schnell wird es dem Kunden wieder möglich sein, Hals und Nacken ausreichend zu bewegen und wieder mobil zu werden. Um weiterhin von der wohlig entspannenden Wärme zu profitieren, können aufklebbare Wärmeauflagen für Nacken und Schulter genutzt werden.

In solchen Einmal-Packs reagieren Eisenpulver, Salz, Wasser und Aktivkohle miteinander, sobald die Substanzen beim Öffnen der Verpackung mit Luftsauerstoff reagieren. Sie strahlen dann über einen Zeitraum von etwa acht Stunden eine angenehme wohltuende Wärme ab. Denken Sie aber bei der Abgabe an den Hinweis, dass diese Packs sicherheitshalber nicht beim Schlafen angewendet werden sollen, da es zu Wärmestauungen kommen kann.

Echt scharf! Eine Alternative dazu sind auch Pflaster und Cremes, die die durchblutungsfördernden und Muskel-entspannenden Wirkstoffe Capsaicin und Nonivamid enthalten. Das aus dem Cayennepfeffer (Capsicum frutescens) stammende Capsaicin und sein synthetisches Analogon haben noch einen zusätzlichen Effekt: Sie unterdrücken die Schmerzweiterleitung, indem sie die Schmerzrezeptoren zunächst überstimulieren und dann dauerhaft desensibilisieren. Weisen Sie bei der Abgabe darauf hin, dass diese Externa nur auf intakter Haut und nicht in der Nähe von Schleimhäuten angewendet werden dürfen.

Nach dem Gebrauch von Salben sollten die Anwender die Hände sehr sorgfältig waschen. Weisen Sie darauf hin, dass der Kunde keine weiteren Wärmequellen nutzten sollte oder sich starker Sonnenstrahlung aussetzt. Bei Überempfindlichkeitsreaktionen wie Bläschenbildung oder neurologischen Ausfallerscheinungen muss die Behandlung sofort abgebrochen und die Haut mit Wasser und Seife gereinigt werden. Antiphlogistisch und schmerzlindernd bei Muskelverspannungen wirken auch topische Beinwellzubereitungen mit Allantoin, Gerb- und Schleimstoffen als Wirkbestandteile.

Gegen Schmerz und Entzündung Bei einigen Patienten ist der vorübergehende Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika notwendig. Sie können oral und extern lokal eingesetzt werden. Sie sind vor allem dann nötig, wenn der Patient aufgrund starker Schmerzen eine Schutzhaltung einnimmt, die die Verspannung verschlimmert. Unter den verschreibungsfreien Wirkstoffen werden meist Diclofenac und Ibuprofen verwendet. Für beide gilt in der Selbstmedikation eine maximale Anwendungsdauer von vier Tagen. In dieser Zeit gelingt es auch meist, den entzündlichen Teufelskreis zu durchbrechen. Für Diclofenac können Sie Einzeldosen von 25 Milligramm (mg) bis zu einer Tageshöchstdosis von 75 mg ab einem Alter von 14 Jahren empfehlen.

Weisen Sie darauf hin, dass es bei längerer Anwendung zu gastrointestinalen Blutungen kommen kann. Höhere Dosierungen steigern das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall. Kontraindikationen sind Herzinsuffizienz und Durchblutungsstörungen. Kunden mit Diabetes mellitus, Hypertonie, Hyperlipidämie und Raucher sollten die Einnahme mit dem Arzt besprechen. Bei Ibuprofen liegt die Einzeldosierung bei 400 mg bis maximal dreimal täglich. Wird gleichzeitig niedrig dosierte Acetylsalicylsäure zur Thrombozytenaggregation eingenommen, erläutern Sie den Einnahmeabstand der beiden Medikamente. Zuerst ASS, dann Ibuprofen: Abstand mindestens 30 Minuten; umgekehrt sollte ein Zeitraum von acht Stunden eingehalten werden.

Weniger Nebenwirkungen Sowohl Ibuprofen als auch Diclofenac werden auch topisch eingesetzt und helfen als Gel oder Klebepflaster lokal an der schmerzenden Stelle. Die Wirkung solcher Zubereitungen sind laut einem Cochrane Review von 2010 ausreichend nachgewiesen. Sie haben den Vorteil, dass nur geringe Wirkstoffkonzentrationen ins Blut gelangen, das Risiko für Nebenwirkungen ist dadurch gering. Eine zusätzliche Einnahme oraler Schmerzmittel sollte aber nicht erfolgen. Langfristig sollten die Betroffenen Bewegungen vermeiden, die zu den Verspannungen führen oder zumindest regelmäßig in eine Gegenbewegung zu gehen, die die verkürzte Muskulatur dehnt und die verspannte Muskulatur lockert. Im Yoga beispielsweise erlernen die Betroffenen solche hilfreichen Übungen. Dauerhaft verhindert auch Faszientraining über eine feste Rolle oder einen Ball, dass die Beschwerden auftreten.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 54.

Dr. Susanne Poth, Apothekerin/Redaktion

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