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Parfumherstellung

STADT DER DÜFTE UND AROMEN

Ob blumig, würzig, dezent oder kräftig: Duftstoffe gehören zu den ältesten und begehrlichsten Gütern aller Kulturkreise. Einst war Venedig der wichtigste Handelsplatz für Luxuswaren aus dem Orient.

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Als die Seefahrer auch exotische Gewürze und Riechstoffe auf ihren Frachtschiffen mitbrachten, entstanden in dieser Stadt Parfume, wie man sie noch heute kennt. Düfte betören, beleben die Sinne und spielen eine große Rolle in der Kunst des Heilens – seit Menschengedenken sorgen sie für Faszination und Begeisterung. Frühe Kulturen verbanden mit Wohlgerüchen vorerst einmal Göttlichkeit und Inspiration. Frische Blüten und Blätter, aber auch Rinden und Hölzer brachten die ersten Duftstofflieferanten. Früh tat sich aber schon die Erkenntnis auf, dass die Pflanzenteile ihre Aromen in der Hitze des Feuers viel besser entfalten.

Am Anfang war der Rauch Im Altertum entwickelte sich der Brauch, duftende Hölzer und Harze abzubrennen, um böse Geister zu vertreiben, die Luft zu reinigen, vor allem jedoch, um die Gottheiten gnägig zu zu stimmen. „Per fumum“, durch den Rauch sollten die Gebete die Weiten des blauen Himmels erreichen. Die Ägypter waren die ersten, die sich in der Herstellung von Essenzen und Salben übten. Schönheit und Körperpflege waren ihnen so wichtig, dass sie sogar ihre Sklaven in der Kunst des Parfümierens lehrten. Salben, die zur Anwendung kamen, schützten vor der heißen Sonne Ägyptens und dufteten zugleich. Kyphi nannte man die erste Duftmischung, die nach Myrrhe, Weihrauch und Koriander roch.

»Ein Tag ohne Dufterlebnis ist ein verlorener Tag«Ägyptische Weisheit

Die Schätze Arabiens Doch wie auch immer Duftstoffe zum Einsatz kamen: Was auf heimischen Böden nicht gedeihen mochte, musste über weite Strecken herangeschafft werden. Schon kleinste Mengen waren so wertvoll wie Juwelen, daher gaben die Händler den Ursprung auch nicht gerne preis. Die Römer, die die Schätze in Arabien vermuteten, nannten diese Länder „Arabia felix“, das glückliche, reich gesegnete Arabien.

Kamele und Schiffe Lange Zeit wurde der Handel zwischen den Kontinenten über lange Karawanenwege abgewickelt. Wie die Seidenstraße war auch die Weihrauchstraße eine der wichtigsten Handelsstraßen der Antike. Über gefährliche Pfade zogen die Karawanen schwer beladen durch die trockenen Wüsten Arabiens. Erst an den Küstenstädten des Mittelmeers endete ihr langer Weg, denn dort warteten bereits die Seefahrer, um ihre Frachtschiffe mit den kostbaren Gütern zu beladen. Die Hafenstädte Italiens zählten im Mittelalter zu den wichtigsten Handelszentren in Europa. Auch für die Venezianer war der Seehandel die Grundlage ihrer Existenz.

Der Güterverkehr auf den Flüssen Italiens lief zwar nicht schlecht, doch die Gier nach den Schätzen des Orients verführte zu neuen Abenteuern. In militärischem Geleit schickte der Staat seine Handelsflotten zu weit entlegenen Häfen hinaus, um die Waren der Karawanen dort entgegenzunehmen. Die Venezianer waren geübt im Umgang mit Menschen und Märkten, verschafften sich ständig neue Zugänge zu fremden Kulturen und bauten dort ihre Handelsbeziehungen weiter aus. Bald war die Dogenrepublik alleiniger Herrscher über ein Kolonialreich, das bis nach Konstantinopel reichte.

Drehscheibe des Orienthandels Legendär für seine schillernden Märkte, aber auch geschätzt als Informationsbörse, Bankenviertel und Warenlager, war der Rialto der wichtigste Handelsplatz in der Stadt. Textilien, Seide, Edelsteine, aber vor allem gigantische Mengen an Gewürzen wechselten hier ihre Besitzer. Die Abnehmer zahlten dafür jeden Preis, denn auf exotische Duftwaren wollte damals niemand verzichten. Über mehrere Jahrhunderte lag der Gewürzhandel fest in venezianischer Hand. Doch dass sich die Dogenrepublik eine goldene Nase daran verdiente, ärgerte die die Herrscher anderer Seenationen immer mehr. Mit Nachdruck drängten sie ihre Kapitäne, nach neuen Handelswegen zu suchen und die lukrativen Märkte auf eigenen Schiffen anzusteuern.

Im 15. Jahrhundert wurde Europa vom Entdeckungsfieber gebeutelt, doch erst als der Portugiese Vasco da Gama den Seeweg nach Indien fand, verebbte der Seehandel Venedigs. Pfeffer und viele andere Duftwaren konnte man in Lissabon nun viel billiger bekommen. Venedig, die Stadt, die einst die Meere beherrschte, hielt sich nun mit ihren eigenen Industrien über Wasser. Da die vornehmen Damen nach schicker Kleidung verlangten, schneiderte man Pelze und verarbeitete Seide zu kostbarem Brokat. Von persischen Mustern inspiriert, entwickelten auch die Samtmacher ihre eigene Stoffkunst.

»Gute Gerüche sind Nahrung für die Seele und die Seele ist der Antrieb der Kraft« Aus dem Arabischen

Vom Duftstoff zum Parfum In einer Zeit, die von Schönheitsidealen beeinflusst wurde, durfte auch die Verwendung von Duftstoffen nicht fehlen. Alchemisten und Apotheker nahmen sich als erste der Geruchskunst an. In ihren Laboratorien wurde eifrig extrahiert und mazeriert, doch viel schneller als mit diesen Methoden gelangte man zu Duftessenzen durch die Kunst der Destillation. Während die großen Entdecker für die Einfuhr neuer Duftstoffe sorgten, nahmen die handwerkliche Fähigkeiten und Produktionstechniken Fortschritte an.

Lange konzentrierten sich die Parfümeure auf die Herstellung einzelner Blütendüfte, doch die Vielfalt der Rohstoffe inspirierte nun auch, mehrere Destillate miteinander zu vermischen. Auf der Suche nach dem perfekten Duft gelang es ihnen, immer neuere und raffiniertere Kompositionen zu kreieren. Erst die Zugabe von reinem Alkohol verhinderte, dass die öligen Essenzen nicht schon binnen kurzer Zeit verdarben. Die Begeisterung für Wohlgerüche kannte damals keine Grenzen. Die Venezianer tränkten nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Kleidung und ihre Schuhe in Parfum.

Aus weniger wird mehr Das Rokoko brachte nicht nur kultiviertere Umgangsformen, sondern auch eine Verfeinerung des Lebensstils hervor. Parfume wurden nicht mehr in Massen auf die Körper geschüttet, sondern hauchzart versprüht. Leichte Blumendüfte, wie die von Rosen und Lavendel kamen in Mode und lösten die vormals schweren animalischen Duftnoten ab. In der ganzen Stadt wurden die Produkte venezianischer Parfümeure für ihre Vielfalt und für ihre Qualität geschätzt. Neben duftenden Essenzen und Riechwasser fanden in den Läden der exklusivsten Einkaufsvierteldort auch Seifen, parfümierte Pulvermischungen und Gesichtspomaden reißenden Absatz. Auch über die Grenzen Venedigs hinaus verbreitete sich der gute Ruf rasant. In großem Umfang belieferte man die europäischen Fürsten- und Königshäuser, denn auch bei Hofe wurde statt zu Waschen munter übersprüht.

Hüllen verführerischer Düfte Großen Wert legten die Venezianer auch auf die Gestaltung der Gefäße, in denen sie ihre kostbaren Essenzen aufbewahrten. Der Vielfalt der Materialien waren keinerlei Grenzen gesetzt, doch Glas schien am besten geeignet, die flüchtigen Aromen vor dem Entweichen zu schützen. Die Glasbläser Muranos gaben dem alten Werkstoff neue Formen und Farben. Schliff, Bemalung und filigrane Verzierung gehörten ebenfalls zu den besonderen Zeichen der venezianischer Glasbläserkunst.

Auf mehr als 30 Museen hat Venedig das kulturelle Erbe seiner Stadt verteilt; im Museum für Mode und Kostümgeschichte lässt man die Erfolgsgeschichte des Parfums lebendig werden. Ein Großteil der Austellung ist den vielfältigen Rohstoffen, alten Produktionstechniken sowie der edlen Kunst des Flacondesigns gewimet. Auch in den Buchdruck lassen sich die Spuren der Parfümerie zurückverfolgen. Inmitten der Exponante legt das Handbuch „Secreti nobilissimi dell`arte profumatoria“ mit mehr als 300 Kosmetikrezepturen wertvolle Zeugnisse des Parfums-Handwerks ab.

Alte Kunst in neuem Gewand Aus der handwerklichen Destillierkunst hat sich in vielen Ländern der Erde inzwischen eine milliardenschwere Parfumindustrie entwickelt; eine natürliche Herkunft können jedoch die wenigsten der duftenden Ingredienzen aufweisen. Inspiriert von den Reiserouten venezianischer Händler und der Kunst ihrer Parfümeure hat ein venezianisches Parfumhaus seiner Stadt ein außergewöhnliches Denkmal gesetzt. In der Produktlinie „The Merchant of Venice“ vereinen Duftkompositionen aus wertvollen Naturessenzen und farbenprächtige Glasflacons den besonderen Charme und die Geschichte der Lagunenstadt. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 124.

Dr. Andrea Hergenröther, Apothekerin

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