Kartenscanner © Jenhung Huang / iStock / Getty Images
© Jenhung Huang / iStock / Getty Images

Elektronische Gesundheitskarte

SPRUNG IN DIE DIGITALE ZUKUNFT

Die schlechte Nachricht: Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist auf den ersten Blick nach über 14 Jahren nicht über den Status eines rund eine Milliarde teuren Modellprojektes hinausgekommen.

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Die gute Nachricht: Die ursprünglich avisierten Ziele der eGK können im Kontext der Telematik tatsächlich erreicht werden. Und die Zielvorgaben beim Start des Modellprojekts eGK waren ehrgeizig! Im Wesentlichen sollte die eGK ein elementarer Baustein in Bezug auf die digitale Zukunft des Gesundheitswesens sein und auch für mehr Patientensouveränität sorgen. Und natürlich geht es – wie bei fast allen Baustellen im Gesundheits- wesen – um das Thema Geld.

Die digitale Zukunft ist ganz nahe Einen Teil der vielbeschworenen digitalen Zukunft im Gesundheitswesen führt vermutlich jeder von uns als Alltagsgegenstand mit sich: die aktuelle eGK. Allerdings ist sie in der aktuellen Version nicht viel mehr als ein Mitgliedausweis der betreffenden Krankenkasse. Darauf sind lediglich administrative Daten – Versichertennummer, Adresse und ähnliches – gespeichert. Das auf der Karte abgebildete Foto des Versicherten hilft, missbräuchliche Inanspruchnahme zu vermeiden. So weit so gut. Aber: Ursprünglich sollte die e-Gesundheitskarte beispielsweise auch dazu dienen, den Medikationsplan zu speichern, um somit Wechselwirkungen zu vermeiden.

Zur Erinnerung: Seit Oktober 2016 haben alle Menschen, die mehr als drei Arzneimittel gleichzeitig anwenden, einen Anspruch auf einen Medikationsplan, auf dem im günstigsten Fall auch alle Arzneimittel aus der Selbstmedikation aufgelistet sind. Obwohl wir in anderen Bereichen längst im Zeitalter der Digitalisierung angekommen sind, wird der Medikationsplan in Papierform ausgestellt. Wie viel bequemer – auch und gerade für ältere Menschen – wäre es, wenn der Medikationsplan auf unserer Krankenkassen-Mitgliedskarte beziehungsweise auf unserer eGK hinterlegt wäre?

Im Grunde genommen leistet sich Deutschland damit einen Anachronismus und schon alleine unter diesem Aspekt ist es verständlich, dass viele Kritiker – Ärztefunktionäre, Kassenchefs, die Staatsministerin für Digitales – in jüngster Vergangenheit bereits die Aufgabe des Modellprojektes gefordert haben. Die Enttäuschung der Kritiker ist noch verständlicher, wenn man die weiteren Vorteile, die mit der eGK verbunden werden, in Betracht zieht: So war geplant, dass beispielsweise alle Notfalldaten auf der Karte hinterlegt werden. Ein Arzt kann dann beispielsweise mit einem Blick alle relevanten Daten wie etwa Vorerkrankungen und Allergien erfassen.

Mehr Patientensouveränität Selbstverständlich behält der Patient die Datenhoheit. Nur wenn er seine Einwilligung gibt, sollen Informationen wie etwa der Medikationsplan gespeichert werden. Ist er der digitalen Technik gegenüber jedoch aufgeschlossen, kann er weitere Vorteile für sich nutzen. So könnte er besondere Services unter dem Stichwort Patientenfach nutzen, indem er seine persönlichen Daten speichern kann. Ein Tagebuch über Blutzuckermessungen ist nur ein Beispiel dafür, wie Patienten von dieser Form der Digitalisierung profitieren könnten. Natürlich soll der Betroffene selbst die Möglichkeit haben, die Daten aus seinem Patientenfach jederzeit und überall einsehen zu können. Zusätzlich bestehen damit aber auch Vorteile für den Arzt, sofern der Betroffene ihm die Erlaubnis erteilt, sich über – um beim Beispiel zu bleiben – sein Blutzuckermessungstagebuch zu informieren.

Kann Datensicherheit gewährleistet werden? In Zeiten, in denen das amerikanische Verteidigungsministerium von einem 15-Jährigen gehackt wurde, ist die Frage nach der Datensicherheit gerade in Bezug auf persönliche gesundheitliche Informationen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Einerlei, ob schlussendlich die eGK oder ein anderes Medium für den Datentransfer eingesetzt wird – Fakt ist, dass derzeit an der sogenannten Telematik-Infrastruktur (Telematik = Telekommunikation + Informatik) beziehungsweise an einem sektorenübergreifenden digitalen Gesundheitsnetz gearbeitet wird, das den Zugriff unbefugter Personen grundsätzlich unmöglich machen soll.

Ein wichtiges Informationsbindeglied im Dreieck Patient-​Arzt-Apotheke ist der sogenannte Konnektor. Mit dem Begriff Konnektor wird eine Hardware-Box bezeichnet, in der sowohl die sichere Online-Anbindung als auch die Erzeugung elektronischer Unterschriften realisiert werden. Konnektoren sollen in Arztpraxen und Apotheken aufgestellt werden. Mit Hilfe der Konnektoren kann in Zukunft beispielsweise ein elektronisches Rezept gehandelt und ein Arztbrief unterschrieben werden.

Der wirtschaftliche Aspekt Wie eingangs schon erwähnt, soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen auch dazu beitragen, Geld einzusparen beziehungsweise unnötige Mehrausgaben zu vermeiden. Sobald es gelingt, möglichst alle relevanten Daten zusammenzuführen, können beispielsweise Doppel- und Mehrfachuntersuchungen, falsche Medikamentenverabreichungen und wiederholte Tests vermieden werden. Wie oft kommt es beispielsweise vor, dass Röntgenaufnahmen mehrfach angefertigt werden. Und natürlich trägt die Digitalisierung in einem massiven Umfang zum Bürokratieabbau bei.

Bliebe dieses Einsparpotenzial ungenutzt, würde der Krankenkassen-Beitragssatz von heute 14,6 Prozent bis zum Jahr 2035 auf 18,3 Prozent steigen. Genau aus diesem Grund hat im Juli diesen Jahres Alfred Gaffal, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, in seiner gleichzeitigen Funktion als Vorsitzender des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft eine Studie zum Thema Digitalisierung erstellen lassen und kommt auf deren Grundlage zu dem eindeutigen Schluss: „Die elektronische Gesundheitskarte muss jetzt umgehend umgesetzt werden!“

Jens Spahn als Treiber Ob die e-Gesundheitskarte in der angedachten Form kommt oder nicht, hängt natürlich nicht von einzelnen Akteuren der Wirtschaft ab, sondern wird im Gesundheitsministerium entschieden. Deren Chef Jens Spahn hatte eine Zeit lang den Eindruck erweckt, dass er das Projekt beenden wolle. Fragt man in diesen Tagen im Zusammenhang mit Recherchen zum Thema im Bundesministerium für Gesundheit nach, wie es um die künftige Realisierung der eGK steht, erhält man folgende Antwort: „Die elektronische Gesundheitskarte wird nicht eingestellt, sie bleibt für den Zugang der Versicherten erhalten. Gleichzeitig arbeitet das Gesundheitsministerium aber daran, den Versicherten die Möglichkeit zu geben, per Smartphone oder Tablet auf seine Daten zuzugreifen. Künftig soll der Versicherte also die Wahl haben, wie er auf seine Daten zugreifen will.“

Und wenn es nach Spahns Vorstellungen weitergeht, wird die Digitalisierung im Gesundheitswesen an ein Bürgerportal gekoppelt. Wie man auf Spiegel-Online vom 6. Mai dieses Jahres nachlesen kann, hat sich der Gesundheitspolitiker in einem Interview folgendermaßen geäußert: „Ich will nicht, dass man eine digitale Identität für die Steuererklärung braucht, eine um seinen Pass zu beantragen und eine dritte im Gesundheitswesen.“

Die Rolle der Apotheker Apotheker spielen bei der Digitalisierung eine wichtige Rolle und sind konkret neben anderen Leistungsbringern und Kostenträgern in die 2005 gegründete gematik GmbH mit eingebunden. Die generelle Aufgabe der gematik GmbH besteht darin, die Telematik-Infrastruktur aufzubauen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) trägt nach Auskunft der ABDA „die fachliche Verantwortung für das Projekt „elektronischer Medikationsplan/AMTS-Datenmanagement“. Das Projekt Arzneimittelsicherheit (AMTS) wurde bei der gematik übrigens im Jahr 2013 gestartet.

Bedeutung für den PTA-Alltag? Im Moment haben die Entwicklungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen noch keinen Einfluss auf den Alltag. Das kann sich aber sehr rasch ändern. Spätestens wenn die ersten sogenannten Konnektoren flächendecken in Apotheken ausgeliefert werden, kann man davon ausgehen, dass PTA beispielsweise den Umgang mit e-Rezepten, e-Gesundheitspartnern und entsprechenden Gesundheits-Apps erlernen müssen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/18 ab Seite 70.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

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