Rentnerpaar mit Regenschirmen. © Picturesque Japan / iStock / Getty Images Plus
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Wie sag ich's meinem Kunden?

SPÄTFOLGEN – IMPFUNG VERSUS INFEKTION

Viele Kunden haben Angst vor den Folgen der Impfung gegen SARS-CoV-2. Ist die Angst berechtigt? Es gilt abzuwägen, welche unerwünschten Folgen nach einer Impfung auftreten können und welche nach der Infektion mit dem Virus.

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Auch wenn die Impfbereitschaft in der Bevölkerung derzeit zunimmt – sei es wegen der Verknappung des Gutes oder der Angst vor der Invasion von Virusmutationen – beschäftigt die Menschen nach wie vor die Frage, wie sicher die neuen Impfstoffe sind. Vor allem ein Thema kursiert immer wieder in den Köpfen der Bevölkerung und die Bedenken werden bei Ihnen in der Apotheke offen angesprochen: Können Spätnebenwirkungen der Vakzination in einem oder zwei Jahren nach der Impfung auftreten, die bislang wegen fehlender Langzeitdaten noch nicht abzuschätzen sind?

„Langzeitfolgen bei Impfstoffen gibt es nicht“, so kurz und prägnant formulierte es Petra Falb, Veterinärmedizinerin und Gutachterin für die Zulassung für Impfstoffe beim österreichischen Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen. In Ihrem Blog klärt sie ihre Leser darüber auf, warum das so ist: Anders als Arzneistoffe, die über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, werden Impfstoffe einmalig appliziert. Sie werden nicht zu einer Dauerbehandlung eingesetzt, sondern maximal im Rahmen einer Grundimmunisierung zwei- bis dreimal über einen größeren Zeitraum gespritzt. Anders als Arzneistoffe werden sie nicht verstoffwechselt, sodass sich keine Metabolite im Körper anreichern können, die organschädigend wären oder durch Kumulation toxisch würden.

Ein Zeichen der Wirksamkeit Unerwünschte Folgen treten meist unmittelbar oder wenige Tage nach einer Impfung auf. Hier gibt ganz klassische Impfreaktionen, die bei verschiedenen Impfungen auftreten. Dazu gehören lokale Reaktionen oder grippeähnliche Symptome wie leichtes bis mäßiges Fieber oder Mattigkeit, die der Impfling in den ersten ein bis zwei Tagen spürt. Auch Allergien treten innerhalb weniger Tage auf. Selbst Autoimmunreaktionen, die als sehr seltene Nebenwirkung bei Impfungen beobachtet werden können, erkennt man nach wenigen Wochen. Trotzdem spielen Langzeitdaten eine wichtige Rolle. Hierbei geht es darum, seltene Nebenwirkungen, die möglicherweise nur bei einer von 100 000 Personen auftreten, zu erfassen, denn das setzt voraus, dass so viele Menschen den Impfstoff überhaupt bekommen haben – und das dauert.

Narkolepsie – keine Spätfolge Vielleicht können Sie sich noch daran erinnern: Eine solche seltene Nebenwirkung war die Narkolepsie, die nach Applikation des Impfstoffs gegen die Schweinegrippe bei genetisch veranlagten Personen auftrat. Das Phänomen trat bei den Betroffenen nach einigen Wochen, im Einzelfall nach vier Monaten auf. Ein Zusammenhang mit der Impfung konnte jedoch erst ein Jahr später hergestellt werden, da die Symptomatik nur bei einem von 20 000 Menschen auftrat, die Probandenzahl der Phase-III-Studie lag aber nur bei 2000. Der Begriff Spätschaden ist in diesem Zusammenhang irreführend, da die Nebenwirkung bereits nach relativ kurzer Zeit auftrat, allerdings nur so selten, dass sie nicht als Folge der Impfung erkannt wurde. Dass solche Beobachtungen erst während der klinischen Phase IV (Surveillance-Phase) – also in der Phase nach der Zulassung erkannt werden, ist eben sehr wahrscheinlich.

Wie hoch ist das Impfrisiko? Wenn Kunden zu bedenken geben, dass sie sich vor einer Impfung fürchten, gilt auch immer die Frage zu stellen: Was kann passieren, wenn ich mich impfen lasse und was kann passieren, wenn ich mich nicht impfen lasse? Das bedeutet abzuwägen, welche Risiken von der Erkrankung und welche von der Impfung ausgehen. Wie sieht die aktuelle Situation bei den inzwischen zugelassenen Impfstoffen aus? Alle drei in Deutschland zugelassenen Impfstoffe wurden bereits vor der Zulassung an einer ungewöhnlich hohen Probandenzahl getestet. Mit Comirnaty®, dem Impfstoff von BionTech und Pfizer sind inzwischen weltweit Millionen von Menschen geimpft worden.

Man weiß heute: Bei beiden mRNA-Impfstoffen treten insbesondere nach der Zweitimpfung häufig vorübergehende Nebenwirkungen auf wie Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber, Kopf-, Muskel- oder Gelenkschmerzen und Schüttelfrost. Sie bleiben aber meist leicht und halten selten länger als drei Tage an. Gelegentlich traten Lymphknotenschwellungen oder Juckreiz als Zeichen einer allergischen Reaktion auf. Auf dem Aufklärungsblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit mRNA-Impfstoffen ist aufgeführt, dass während der Studie mit Comirnaty® bei vier Patienten (bei der Gabe von COVID-19 Vaccine Moderna® bei drei Probanden) akute reversible Gesichtslähmungen auftraten. Ob ein Zusammenhang mit der Impfung besteht, ist bisher nicht geklärt, da die Beeinträchtigung auch bei einem vergleichbaren Kollektiv Nichtgeimpfter auftritt (sog. Hintergrundinzidenz).

Integration des mRNA-Impfstoff ins Erbgut möglich?

Die mRNA ist ein Botenmolekül, das nicht in die DNA einer Zelle eingebaut werden kann – so lautet der aktuelle wissenschaftliche Stand. Es wird relativ schnell vom Körper abgebaut und für diese kurze Zeit werden nach seinem Bauplan Virusproteine erstellt. Danach wird es wieder abgebaut. Ein gesunder Körper erkennt das feindliche Protein und produziert Antikörper. Später erkennen die Antikörper den Feind nach dem Eindringen und machen ihn unschädlich. Die Virus-mRNA aus dem Impfstoff kann nicht in den Zellkern wandern oder in DNA umgebaut werden, also keine Erbgutveränderungen hervorrufen, die beispielsweise Krebs verursachen können. Übrigens: Auch einfache Erkältungsviren bringen ihre mRNA in die Zelle ein, eine krebserregende Wirkung ist bislang noch nicht festgestellt worden.

Welche Folgen kann eine Infektion haben? Auch wenn die SARS-CoV-2-Infektion bei den meisten Infizierten einen symptomfreien oder harmlosen Verlauf nimmt, stehen demgegenüber auch mehr als 60 000 Menschen, die im vergangenen Jahr mit oder an den Folgen der Erkrankung verstarben. Ein hohes Alter gilt als Hauptrisikofaktor für einen tödlichen Verlauf: 89 Prozent der an Corona-positiven Verstorbenen (statista 26.1.2021) war über siebzig Jahre alt. Aber auch in der Altersgruppe zwischen 35 und 59 Jahren verstarb einer von 556 Infizierten und selbst junge Menschen zwischen 18 und 34 Jahren haben mit einem Sterbefall von 10 000 Infizierten ein relevantes Risiko, an den Folgen von COVID-19 zu sterben.

Bei den Überlebenden der Infektion bedeutet virusfrei in vielen Fällen nicht, dass die Patienten beschwerdefrei sind: Die Betroffenen brauchen zum Teil Monate, bis sie sich von ihren gesundheitlichen Schädigungen erholen. Eine aktuelle, im Lancet veröffentlichte Befragung im Rahmen einer Nachsorgeuntersuchung von 1733 Patienten (DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32656-8), die sich aufgrund ihrer Infektion bis Ende Mai 2020 im Krankenhaus aufhielten, zeigte, dass drei von vier Patienten auch nach sechs Monaten noch unter den Folgen der Infektion litten.

Diese auch als „Long-COVID“ oder „Chronisches COVID-Syndrom“ bezeichneten, auch in anderen Publikationen veröffentlichten Langzeitfolgen durchziehen alle Altersgruppen und treten teilweise auch nach mildem Infektionsverlauf auf. Sie äußern sich vor allem in Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Muskelschwäche, Schlafstörungen, Haarverlust, Gelenkschmerzen, Herzrasen, Atemnot sowie gestörtem Geruchs- und Geschmackssinn. Fazit: Schäden einer vorangegangenen COVID-Infektion können eine Einschränkung von Lebensqualität und Lebenserwartung nach sich ziehen, die es grundsätzlich mit dem Risiko einer Impfung abzuwägen gilt.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 03/2021 ab Seite 30.

Dr. Susanne Poth, Apothekerin/Redaktion

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