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Sommergrippe

SONNIGE ZEITEN FÜR VIREN

Grippale Infekte in der warmen Jahreszeit werden als Sommergrippe bezeichnet. Die Therapie richtet sich nach den Symptomen und unterscheidet sich nicht von der einer Erkältung im Winter. Lesen Sie hier, was Sie verschnupften Kunden raten können.

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Sonne, Schwimmbad, Biergarten – für viele Menschen ist der Sommer die schönste Jahreszeit. Doch er hat auch seine Schattenseiten. Denn egal, ob wir zu lange in der Sonne liegen, ausgiebig im Badesee plantschen oder uns im Cabrio den kühlen Fahrtwind um die Ohren wehen lassen: Vieles, was uns in dieser Jahreszeit Vergnügen bereitet, kann das körpereigene Immunsystem schwächen. Und dann haben es Krankheitserreger bekanntlich leicht, in den Körper einzudringen und eine Infektion auszulösen. Beispielsweise eine Sommergrippe.

Die Erreger sind zwar andere als im Winter, doch die Folgen sind beinahe identisch: Wer sich mit der Sommergrippe infiziert hat, klagt meist über Schnupfen, Halsschmerzen und Husten. Beschwerden wie Kopf- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost und mäßiges Fieber können hinzukommen. Im Unterschied zur Erkältung im Winterhalbjahr wird die Sommergrippe manchmal auch von Durchfall und Erbrechen begleitet. Verursacher einer Sommergrippe sind häufig Coxsackie-Viren, die nach dem gleichnamigen Ort bei New York benannt sind. Hier wurden die Viren 1948 erstmals identifiziert.

Bei Coxsackie-Viren handelt es sich um unbehüllte RNS-Viren, die zum Genus Enterovirus gehören. Wie auch andere Enteroviren, sind Coxsackie-Viren relativ umweltresistent. Die Erreger sind weltweit verbreitet und treten in den gemäßigten Klimazonen gehäuft in der warmen Jahreszeit auf. Die Sommergrippe kann sowohl durch Coxsackie-A- als auch durch Coxsackie-B-Viren hervorgerufen werden.

Die Erreger können übrigens auch andere Krankheiten verursachen. So etwa die Hand-Fuß-Mund-Krankheit, eine epidemische Erkrankung mit Bläschenbildung und Ulzerationen, von der überwiegend Kinder betroffen sind. Möglich auch, dass die Sommergrippe durch Echoviren hervorgerufen wird, die ebenfalls der Gattung Enterovirus zugeordnet sind. Übertragen werden die Erreger fäkal-oral oder durch Tröpfcheninfektion. Und das bedeutet auch: Eine gute Hygiene kann das Ansteckungsrisiko senken. Wichtig ist dabei vor allem häufiges und gründliches Händewaschen.

Namenswirrwarr Ist es den Viren erst gelungen, in den Körper zu gelangen und sich hier zu vermehren, ist die Sommergrippe mit ihren charakteristischen Beschwerden nicht mehr fern. Gut zu wissen: Mit der echten Grippe, die im Winter ihr Unwesen treibt, ist sie nur dem Namen nach verwandt. Denn bei der Sommergrippe handelt es sich – im Gegensatz zur gefährlichen Influenza – schlichtweg um eine Erkältung im Sommer. Und die ist für ansonsten gesunde Menschen harmlos und nach wenigen Tagen wieder vergessen.

Was uns schwach macht
Auslöser der Sommergrippe von Viren. Ursache ist jedoch ein geschwächtes Immunsystem. Dazu kommt es in der warmen Jahreszeit häufig durch …
+ Auskühlung: Ob nasser Badeanzug oder durchgeschwitztes Sportdress – während nasse Kleidung auf der Haut trocknet, entsteht durch die Verdunstung Kälte. Der Körper kühlt aus, was nicht nur einer Sommergrippe, sondern auch einer Blasenentzündung Vorschub leisten kann.
+ Rasche Temperaturwechsel: Vom gut klimatisierten Büro geht es raus in die Mittagshitze, vom kühlen Hotelzimmer gleich an den Strand – der pure Stress für die Abwehrkräfte. Hinzu kommt, dass die Luft aus Klimaanlagen die Schleimhäute austrocknet. Da haben es Viren leicht, in die Atemwege einzudringen.
+ Stress: Krank im Urlaub – so ergeht es vielen Menschen. Schuld daran ist häufig enormer Stress kurz vor den Ferien. Er sorgt dafür, dass das Immunsystem zu Höchstleistungen aufläuft. Lässt der Druck im Urlaub nach, arbeiten auch die Abwehrkräfte langsamer – das Infektionsrisiko steigt.
+ Zu viel Sonne: Klar, die Sonne ist ein Lebenselixier, doch zu viel UV-Strahlung schadet dem Körper in vielerlei Hinsicht. Nicht nur die Haut, sondern auch das Immunsystem leidet, wenn es mit dem Sonnenbaden übertrieben wird.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass sie meist gut für die Selbstmedikation geeignet ist. Zum Arzt gehen sollten jedoch Risikopatienten, zu denen beispielsweise Menschen mit geschwächtem Immunsystem, chronisch kranke Senioren und Schwangere gehören. Auch die Behandlung von Babys und Kleinkindern gehört in die Hände eines Mediziners, vor allem bei Durchfall, der für die Jüngsten schnell gefährlich werden kann.

Ansonsten gesunde Menschen können hingegen von einer Behandlung in Eigenregie profitieren. Da keine ursächliche Therapie möglich ist, zielt die Behandlung darauf ab, die oft quälenden und lästigen Symptome zu lindern. Hierzu eignen sich im Wesentlichen all die pflanzlichen und chemisch-synthetischen Arzneimittel, die auch beim grippalen Infekt im Winter Linderung versprechen. Hausmittel und die erforderlich Portion Ruhe können den Genesungsprozess darüber hinaus günstig beeinflussen.

Nase voll Charakteristisches Symptom der Sommergrippe ist der Schnupfen. Häufig beginnt das Übel mit Niesreiz und einem Kribbeln, ehe die Nase dann beinahe unaufhörlich läuft. Schwillt die Nasenschleimhaut im Erkältungsverlauf an, kann der Betroffene nur noch sehr eingeschränkt durch die Nase atmen. Ist die Nase „dicht“, leisten lokale Sympathomimetika in Form von Nasentropfen oder -sprays gute Dienste.

Bewährt haben sich Substanzen wie Xylometazolin und Oxymetazolin. Sie wirken gefäßverengend, lassen die Nasenschleimhäute abschwellen und verringern die Schleimsekretion. Nicht fehlen darf bei der Abgabe der Hinweis, dass abschwellende Nasentropfen und -sprays nur für den kurzzeitigen Gebrauch bestimmt sind, da sie sonst eine Arzneimittelrhinitis auslösen können. Faustregel: Nicht länger als sieben Tage anwenden und die in der Packungsbeilage angegebene Maximaldosierung auf keinen Fall überschreiten.

Informieren Sie Ihre Kunden im Beratungsgespräch auch darüber, dass Präparate für Erwachsene und Schulkinder für jüngere Kinder kontraindiziert sind. Für die Allerkleinsten gibt es geringer dosierte Arzneimittel. Sinnvoll ist es bei Schnupfen grundsätzlich, für eine gute Befeuchtung der Nasenschleimhäute zu sorgen. Hier leisten salzhaltige Nasensprays oder -spülungen mit entsprechenden Salzlösungen gute Dienste. Sie verengen die Gefäße nicht.

Dicker Hals Insbesondere zu Beginn der Sommergrippe klagen viele Betroffene über Halsschmerzen, oft in Kombination mit Heiserkeit, Schluckbeschwerden und trockenem, gerötetem Rachen. Linderung der Beschwerden versprechen Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays, die ihre Wirkung lokal entfalten. Gurgellösungen bieten sich vor allem an, wenn die Entzündung und die Schmerzen im vorderen Rachenbereich lokalisiert sind.

Bei Beschwerden in tieferen Abschnitten des Rachenraums sind Sprays und Lutschtabletten wirkungsvoller. Letztere haben den Vorteil, dass sie den Speichelfluss anregen, was den Entzündungsschmerz lindert. Diesen Effekt haben auch Halsbonbons, etwa mit Salbei oder Honig, die bei Halsschmerzen eine gute Zusatzempfehlung sind. Rezeptfreie Rachentherapeutika enthalten beispielsweise lokalanästhetische Wirkstoffe (z. B. Benzocain, Lidocain und Ambroxol), oftmals auch antiseptische (z. B. Benzalkoniumchlorid, Dequaliniumchlorid, Chlorhexidin) oder entzündungshemmende (z. B. Flurbiprofen).

Eine gute Therapieoption sind schleimhautauskleidende pflanzliche Präparate, etwa Isländisch Moos und Eibisch. Linderung versprechen auch befeuchtende Mineralsalzpastillen oder Lutschtabletten mit Hyaluronsäure. Empfehlen Sie Ihren Kunden, diese langsam im Mund zergehen zu lassen. Denn so lässt sich ihre Einwirkungszeit verlängern. Weisen Sie außerdem darauf hin, dass man nach der Anwendung lokaler Rachentherapeutika nicht sofort essen oder trinken sollte, um die Wirkdauer nicht zu verkürzen.

Mal stillen, mal lösen Das dritte typische Symptom einer Sommergrippe ist der Husten. Er wird von Betroffenen häufig als besonders quälend empfunden, vor allem in der Nacht, wenn heftige Hustenattacken das Ein- und Durchschlafen beinahe unmöglich machen. Ehe Sie Medikamente für die Selbstmedikation empfehlen, sollten Sie sich nach der Art des Hustens erkundigen.

Bei trockenem Reizhusten, der dem produktiven mit Schleimbildung oft vorangeht, haben sich pflanzliche Präparate mit Schleimdrogen wie Eibischwurzel, Isländisch Moos und Spitzwegerichkraut bewährt. Außerdem stehen für die Selbstmedikation Antitussiva mit den Wirkstoffen Dextromethorphan und Pentoxyverin zur Verfügung. Bei produktivem Husten ist das Ziel der medikamentösen Behandlung, den Schleim zu verflüssigen und das Abhusten zu erleichtern. Zu diesem Zweck kommen Expektoranzien mit Wirkstoffen wie Ambroxol, Bromhexin oder Acetylcystein (ACC) zum Einsatz.

Pflanzliche Präparate enthalten Extrakte aus Efeublättern, Primelwurzeln und Thymiankraut. Bei der Abgabe ist der Hinweis sinnvoll, dass Antitussiva und Expektoranzien nicht zeitgleich eingenommen werden dürfen, da sie sich in ihrer Wirkung gegenseitig blockieren. Möglich ist es aber, das Abhusten am Tag mit einem Hustenlöser zu fördern und zur Nacht hin einen Hustenstiller einzunehmen.

Therapiebegleitend haben sich auch Husten- und Bronchialtees bewährt, in denen beruhigende und schleimlösende Arzneipflanzen ihre Wirkung entfalten. Kräutertees sind auch hervorragend geeignet, um einen Teil des Flüssigkeitsbedarfs zu decken, der bei grippalen Infekten bei sommerlichen Temperaturen beachtlich ist.

Analgetikum oder Kombipräparat? Geht die Sommergrippe mit stärkeren Kopf- und Gliederschmerzen einher, sind Analgetika mit Wirkstoffen wie Paracetamol, Acetylsalicylsäure und Ibuprofen geeignet. Alle genannten Wirkstoffe verfügen zugleich über antipyretische Eigenschaften. Alternativen zur klassischen Schmerztablette sind spezielle „Grippemittel“, die neben dem schmerzlindernden und fiebersenkenden Wirkstoff weitere Substanzen enthalten, etwa Vitamin C. Für die Selbstmedikation geeignet sind auch Kombinationspräparate, die beispielsweise Analgetikum und Sympathomimetikum vereinen.

Erkältung oder Pollenallergie?
Schnupfen, Niesreiz, Husten, Abgeschlagenheit: Diese Beschwerden sind typisch für einen grippalen Infekt, können jedoch auch Hinweise auf eine Pollenallergie liefern. Deshalb heißt es: Nachfragen! Denn obwohl sich die Symptome ähneln, gibt es auch Unterschiede:
+ Bei Heuschnupfen setzt der Schnupfen – anders als bei einer Erkältung – meist urplötzlich ein, schon innerhalb weniger Minuten nach dem Kontakt mit den Allergieauslösern läuft die Nase. In geschlossenen Räumen mit geringer Pollenbelastung lassen Schnupfen und Niesreiz meist wieder nach.
+ Bei einer Pollenallergie jucken Rachen und Nase meist stark, es kommt häufig zu regelrechten Niesattacken. Bei einer Erkältung sind diese Symptome weniger ausgeprägt, dafür gehören Halsschmerzen zum Beschwerdebild.
+ Das Schnupfensekret ist bei Heuschnupfen meist glasklar, bei einer Erkältung kann
es etwas dickflüssiger sein. Grünlich-gelbes Sekret deutet nicht auf Heuschnupfen, sondern auf eine Erkältung mit bakterieller Beteiligung hin.
+ Stark juckende Augen sind typisch für den Heuschnupfen, nicht jedoch für die Erkältung.
+ Husten kann grundsätzlich beide Erkrankungen begleiten. Bei einer Pollenallergie tritt er jedoch meist nicht über Tage anhaltend auf, sondern eher akut bei Pollenkontakt.
+ Bei einer Erkältung bessern sich die Beschwerden innerhalb weniger Tage wieder, bei Heuschnupfen halten sie an, solange die allergieauslösenden Pollen fliegen.

Manchmal wird die Sommergrippe auch von Durchfall begleitet. Die wichtigste therapeutische Maßnahme besteht dann darin, den Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust des Körpers auszugleichen. Empfehlen Sie betroffenen Kunden, viel zu trinken. Gut bekömmlich sind Mineralwasser sowie ungesüßte Kräutertees. Bewährte Helfer sind auch orale Glukose-Elektrolytlösungen. Starker, andauernder und/oder blutiger Durchfall sollte jedoch stets Anlass für einen Arztbesuch sein.

Auf zum Arzt Apropos: Auch wenn die Sommergrippe meist harmlos ist, so hat die Behandlung in Eigenregie doch ihre Grenzen. Dringend sollten Sie betroffenen Kunden raten, den Mediziner aufzusuchen, wenn die Infektion mit schweren oder sich verstärkenden Symptome einhergeht oder wenn die Erkältungszeichen nach etwa einer Woche trotz Selbstbehandlung nicht abgeklungen sind.

Auch hohes Fieber sowie Beschwerden, die möglicherweise auf eine bakterielle Zweitinfektion hindeuten, sind Anlass für einen Arztbesuch. Dazu gehören gelb-grünes Nasensekret und eitriger Auswurf beim Husten. Bei einer bakteriellen Zweitinfektion wird der Arzt vermutlich Antibiotika verordnen. Bei einer einfachen, komplikationslosen Sommergrippe sind Antibiotika hingegen überflüssig und wirkungslos.

Denn gegen Viren können Penicillin & Co. bekanntlich nichts ausrichten. Auf diesen Zusammenhang sollten Sie Ihre Kunden im Beratungsgespräch noch einmal hinweisen. Im Hinterkopf behalten sollten Sie auch, dass eine Reihe ernsthafter Erkrankungen ebenfalls mit den Symptomen beginnen kann, die typisch für die Sommergrippe sind.

Dazu zählt beispielsweise die Borreliose, die durch Zeckenstiche übertragen wird. Sie ist bundesweit verbreitet und mit geschätzten 60 000 Neuinfektionen pro Jahr die häufigste durch Zecken übertragene Krankheit. Nach einem Zeckenstich dauert es oft Tage bis Wochen, bis die Erkrankung ausbricht. Bei vielen, aber nicht bei allen (!) Infizierten entsteht an der Einstichstelle eine Rötung der Haut, die sich ringförmig ausbreitet.

Sie wird als Wanderröte oder Erythema migrans bezeichnet. Bei manchen Betroffenen kommt es auch zu unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopf-, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit. Genau aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass eine harmlose Sommergrippe mit einer ernsthaften Borreliose verwechselt wird. Im Beratungsgespräch ist es also sinnvoll, einmal nachzuhaken.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 ab Seite 58.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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