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Viren & Bakterien

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Auf das Konto der diversen Vertreter der Gattung Streptococcus gehen die unterschiedlichsten Krankheiten. Das Spektrum reicht von Karies über Sinusitis und Scharlach bis zu Meningitis.

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Streptokokken sind unbewegliche Schleimhautparasiten. Sie vermögen sich unter aeroben wie anaeroben Bedingungen zu vermehren. Die Kokken (kugelförmige Bakterien) lagern sich häufig paarweise aneinander oder formen hintereinander ganze Ketten. Die Gattung Streptococcus wird nach ihrem Hämolyseverhalten – das ist die Fähigkeit, rote Blutkörperchen im Kulturmedium zu zerstören – unterteilt. Die Klassifizierung anhand dieses Laborkriteriums ist medizinisch wichtig, da die meisten sogenannten beta-hämolysierenden Streptokokken obligat pathogen sind, während jene, die eine Alpha- Hämolyse machen, bis auf eine Ausnahme – die Pneumokokken – Bestandteil der natürlichen Schleimhautflora von Mund und Rachenraum sind. Werden die im bluthaltigen Kulturmedium enthaltenen Erythrozyten durch Zerstörung der Zellmembran aufgelöst, wird dies als komplette oder Beta-Hämolyse bezeichnet.

Dagegen steht Alpha-Hämolyse für eine unvollständige Hämolyse, bei der das Hämoglobin im Nährboden verändert wird, sodass grünliche Höfe entstehen; man spricht daher auch von „vergrünenden“ Streptokokken. Obwohl per se harmlos – am falschen Ort und unter ungünstigen Bedingungen können auch diese gefährlich werden („opportunistische Erreger“).

Unter bestimmten Umständen pathogen Wenn sie über eine Verletzung der Mundschleimhaut (Zahnextraktion; Zahnputzverletzung) ins Blut und mit der Zirkulation ins Herz gelangen, kann es zu einer mitunter lebensbedrohlichen Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis) kommen. Vor allem, wenn eine Herzklappe vorgeschädigt ist, oder bei Klappenprothesen finden die Keime dort geeignete Voraussetzungen, um sich vermehren können. In der Folge bilden sich Blutgerinnsel, die schließlich Gefäße verstopfen und auch Embolien verursachen können. Einige Streptokokken aus dem Mundraum wie zum Beispiel S. mutans können auf der Oberfläche von Zähnen siedeln. Dort bereiten sie durch abgesonderte Polysaccharide (Dextrane) den Boden für die Kolonisierung mit einem breiten Spektrum weiterer Bakterienarten; die berüchtigte Plaque entsteht. Die sauren Stoffwechselprodukte, welche die Mikroorganismen bilden, greifen den Zahnschmelz an und bringen so die Kariogenese in Gang.

Pneumokokken Nicht zur physiologischen Bakterienflora gehört Streptococcus pneumoniae, ein wichtiger Erreger ambulant erworbener Pneumonien und von Meningitis (Hirnhautentzündung), der auch Sinusitis, Rhinitis oder Bindehautentzündungen hervorruft. Besonders betroffen von Infektionen durch die auch Pneumokokken genannten Keime sind Kinder und ältere Menschen. Nur Stämme, deren Zellwand von einer Schleimkapsel aus Polysacchariden umhüllt ist, sind pathogen. Diese äußere Schicht schützt sie vor den Fresszellen des Wirts. Zudem vermutet man, dass die Kapsel-Polysaccharide vom Immunsystem nicht so gut als Antigene erkannt werden.

In den oberen Atemwegen kann der Keim eine wichtige Barriere einreißen, indem er zilientragende Epithelzellen zerstört. Einige Produkte der Bakterien richten sich speziell gegen Immunglobulin A, also Antikörper im Speichel, und schalten so eine andere wichtige Schutzfunktion aus. Andere sezernierte Faktoren entfalten zelltoxische Wirkungen und können Entzündungen auslösen. Pneumokokken können durch Tröpfcheninfektion übertragen werden. Auch wenn die im Nasen-Rachen- Raum siedelnden Vertreter meist keine Kapsel aufweisen – sehr häufig stammen die Erreger von Pneumokokken- bedingten Lungenentzündungen aus dem eigenen Nasen- Rachen-Raum („endogene Infektion“), wo die Keime zunächst oft lange unbemerkt bleiben.

Streptococcus pyogenes Die beta- hämolysierenden Streptokokken sind für eine Vielzahl von Krankheiten, von lokalen, oft eitrigen Erkrankungen des Rachens oder der Haut (z. B. Impetigo contagiosa oder Erysipel) bis zu gefährlichen invasiven Infektionen verantwortlich. Ein wichtiger Vertreter ist Streptococcus pyogenes, in dessen Artnamen das griechische Wort für Eiter steckt. Übertragen werden die Bakterien, begünstigt durch enges Zusammensein von Menschen, über Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Besonders im Winter ist der Rachen auch bei vielen nicht erkrankten Personen mit dem Bakterium besiedelt. S. pyogenes bildet in großer Zahl Faktoren, die Gewebe zerstören können und der Ausbreitung der Infektion dienen.

Beispielsweise vermag er mit Hilfe von Hyaluronidase die extrazelluläre Matrix zwischen den Zellen des Wirts löchrig zu machen, wodurch der Erreger tiefer vordringen kann. Weitere Proteine und Enzyme ermöglichen ihm, Angriffe des Immunsystems auf unterschiedlichen Ebenen abzuwehren. Zudem bilden bestimmte Stämme Toxine, welche Scharlach hervorrufen. Die Erkrankung ist durch eine Angina mit begleitendem charakteristischem Hautausschlag gekennzeichnet. Nach überstandener Erkrankung sind die Betroffenen immun – allerdings immer nur gegen das jeweils verantwortliche Toxin, sodass man im Laufe des Lebens auch mehrmals an Scharlach erkranken kann. Einige der Streptokokken-Gifte sind sogenannte Superantigene, das heißt, sie stimulieren T-Lymphozyten zu einer überschießenden Ausschüttung von Zytokinen, die wiederum die Wände der kleinen Blutgefäße durchlässig machen.

Diese unkontrollierte Reaktion kann in der Folge zu Organversagen führen. Die betreffenden Stämme können schwerste invasive Infektionen auslösen: die lebensbedrohlichen Krankheitsbilder des toxischen Schocksyndroms und der nekrotisierenden Fasziitis.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 82.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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