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Viren & Bakterien – Teil 6

SIE LIEBEN NEURONEN

Diese Virenart „benutzt“ Zecken, um von Wirt zu Wirt zu gelangen. Eine Infektion damit kommt allerdings wesentlich seltener vor als die Borreliose.

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Der Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis ist ein kleines umhülltes Virus sphärischer Gestalt (kugelförmig). Die Art gehört zur Gattung der Flaviviren. Dieser Name verdankt sie einer anderen Spezies der Gruppe: dem Gelbfieber-Virus (lateinisch flavus: gelb). Die FSME-Viren zirkulieren zwischen Zecken und kleinen Säugetieren wie zum Beispiel Mäusen oder Igeln; bisweilen werden sie auch auf Wildschweine oder Schafe übertragen.

Für die natürlichen Wirte sind sie im Allgemeinen nicht pathogen. Zwischen 200 und 400 Erkrankungsfälle wurden bei uns in den letzten Jahren registriert. Die Zahlen variieren, je nach Wetterlage und der Neigung der Menschen, nach draußen zu gehen. Am aktivsten sind die Zecken bei etwa 14 bis 23 Grad Celsius und möglichst hoher Luftfeuchtigkeit. Bei anhaltender trockener Witterung ziehen sie sich eher zurück.

Verbreitung Anders als die Borreliose, die durch Zecken überall in Deutschland übertragen werden kann, tritt die FSME regional begrenzt auf. Das Virus hat feste Ansprüche an Mikroklima und ökologische Bedingungen; das lässt seine Verbreitung erkennen: Allein, dass sein „Vehikel“, die Zecke in einer Region lebt, reicht ihm nicht als Voraussetzung. Weite Risikogebiete liegen vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen und im südöstlichen Thüringen. Bis zu fünf Prozent der Zecken in den Endemiegebieten, so wird angenommen, sind infiziert.

Die Viren scheinen sich offenbar besonders entlang von Flüssen „wohlzufühlen“. FSME-Herde erstrecken sich oft auch über recht kleine Areale, auch innerhalb von Landstrichen, die als Niedrigrisiko-Gebiet vermerkt sind, warnt das Robert Koch-Institut. Vereinzelt kann daher eine Übertragung auch in jeder Region Deutschlands vorkommen.

Übertragungswege Anders als bei einer Infektion mit Borrelien, die erst zu einem relativ späten Zeitpunkt während der Blutmahlzeit stattfindet, werden die Viren bereits ab Beginn des Saugakts übertragen, da sie sich in der Speicheldrüse der Zecken befinden. Eine rasche Entfernung der Zecke, die die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit den Bakterien reduzieren kann, hilft also in Bezug auf eine mögliche virale Infektion wenig.

In die Stichstelle gelangt, vermehrt sich der Erreger zunächst lokal und in den regionalen Lymphknoten. Über das Blut verbreitet er sich dann im Körper. Als neurotropes Virus hat es eine große Affinität zum Nervengewebe und ist in der Lage, Neuronen zu infizieren. Eher selten kann man sich das Virus auf anderem Wege „einfangen“: beim Verzehr von nicht-pasteurisierter Milch oder Rohmilch-Käse von Schaf oder Ziege.

Keine spezifische Behandlung Nur etwa drei von zehn Infizierten bekommen Symptome, meist zunächst grippeartige Beschwerden. Bei etwa jedem Dritten dieser Erkrankten entwickelt sich, nachdem das Fieber vorübergehend zurückging, eine ZNS-Manifestation: eine Hirnhautentzündung (Meningitis), Hirnentzündung (Enzephalitis) oder die Namen gebende Mischform. An Symptomen können Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit, Fieber, Erbrechen, Verwirrtheit, Konzentrations- und Gehstörungen auftreten. Bei etwa jedem Zehnten ist zusätzlich das Rückenmark entzündet (Myelitis); insbesondere dann können Lähmungen oder andere Beeinträchtigungen lange persistieren, aber auch nach Monaten heilt die Krankheit oft ganz aus.

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Am häufigsten unter den viralen Tropenkrankheiten bringen Touristen von Fernreisen das Dengue-Fieber mit. Charakteristisch für diese Infektion sind neben den hohen Temperaturen und Kopfschmerzen sehr starke Muskel- und Knochenschmerzen. Andere Vertreter der Virengattung sind die Erreger des Gelbfiebers, der Japan-Enzephalitis und des West-Nil-Fiebers. Das West-
Nil-Virus hat sich inzwischen auch weit auf gemäßigte Gebiete ausgebreitet: Es tritt jetzt auch in Teilen Nordamerikas und Europas auf (etwa Osteuropa, Griechenland, Italien, die Region Wien).

Mit zunehmendem Alter erleiden Infizierte öfter Komplikationen. Etwa ein Prozent der Fälle mit ZNS-Beteiligung endet tödlich. Die Krankheit kann nur symptomatisch behandelt werden. Die gute Nachricht: Jede Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität – und: Kinder bleiben meist von schweren Verläufen verschont!

Prävention Zur Impfung mit inaktivierten, nicht vermehrungsfähigen FSME-Viren wird allen Bewohnern und Besuchern von Risikogebieten geraten, die sich in der Natur aufhalten. Auch vor Reisen in andere Endemiegebiete, zum Beispiel in Österreich (vor allem die östlichen Landesteile), Osteuropa, Russland, dem Baltikum oder manchen Regionen Chinas empfiehlt sich die aktive Immunisierung. Personen mit nachgewiesener Hühnereiweißallergie sollten die Notwendigkeit einer Impfung in Absprache mit ihrem Arzt gut abwägen.

Exkurs: Ablauf der Impfung Das RKI schreibt dazu auf seiner Homepage : „In der Regel sind drei Impfungen notwendig, um den vollen Impfschutz zu erreichen. Nach der ersten Impfung findet entsprechend dem klassischen Schema die zweite etwa ein bis drei Monate später statt. Die dritte Impfung ist dann fünf bis zwölf beziehungsweise neun bis zwölf Monate nach der zweiten Impfung fällig. Der Impfschutz hält dann mindestens drei Jahre. Nach vollständiger Impfung kann bei 99 Prozent der Geimpften mit einem vollständigen Schutz vor FSME gerechnet werden. Bereits nach zwei Impfungen besteht bei 98 Prozent ein Schutz, der allerdings nur etwa ein Jahr anhält.

Derzeit werden von den Herstellern verschiedene Impfschemata angeboten, unter anderem auch sog. Schnellschemata, die kurzfristig angewendet werden können, zum Beispiel bei anstehender Reise in ein Risikogebiet. Eine Kontrolle der durch die Impfung induzierten Antikörper wird vor allem für immunsupprimierte Personen sowie älteren Personen nach der zweiten Teilimpfung empfohlen, zur Entscheidung, ob gegebenenfalls eine zusätzliche Dosis notwendig ist (siehe hierzu auch die Fachinformationen des jeweiliegn Impfstoffes).

Zur Entscheidung, ob eine Auffrischimpfung notwendig ist, sind serologische Kontrollen in der Regel nicht empfohlen. Die Indikation für eine FSME-Auffrischungsimpfung bei einer gesunden Person sollte aus den in den Fachinformationen empfohlenen Impfabständen abgeleitet werden.“

Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/15 ab Seite 84.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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