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Haarausfall

SCHWINDENDE HAARPRACHT

Haare verfügen über eine begrenzte Lebensdauer: Sie wachsen und fallen wieder aus – unterliegen also einem Zyklus. Legt das Wachstum eine längere Ruhepause ein, lichtet es sich auf der Kopfhaut.

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Gesunde Haare sind ein Symbol für Ge- sundheit, Jugend und Schönheit. Schwindet die Haarpracht, kann dies für Betroffene sehr belastend sein. Erste Anlaufstelle ist häufig die Apotheke, dort wünschen sich Kunden eine umfassende Beratung zu Ursachen und Therapieoptionen. Das menschliche Haar setzt sich im Wesentlichen aus Keratinen zusammen. Diese hochspezialisierten Proteine werden in den Haarfollikeln, also in den Strukturen, welche die Haarwurzel umgeben und dadurch das Haar in der Haut verankern, synthetisiert. Etwa 100 000 bis 150 000 Haare befinden sich auf der Kopfhaut und wachsen täglich 0,35 bis 0,5 Millimeter. Davon fallen circa hundert Haare täglich beim Duschen oder beim Bürsten aus – ein Verlust in diesem Umfang ist völlig normal.

Der reguläre Haarzyklus Sechs Jahre verbleibt ein Haar in der Regel auf dem Kopf, danach geht es verloren und ein Neues wächst nach. Der Haarwachstumszyklus besteht aus drei Phasen: In der mehrjährigen Wachstumsphase (Anagenphase) entsteht ein Haarfollikel, der die Generierung eines neuen Haares einleitet. Die darauf folgende Katagenphase, in welcher der Haarfollikel einschrumpft und sich in Richtung Epidermis ausrichtet, dauert zwei bis vier Jahre an, während in der Telogenphase der Wachstumsprozess endet. In dieser Ruhephase wird die Stoffwechselaktivität des Haarfollikels eingestellt, sodass das Haar verkümmert und ausfällt. Ist dieser Zyklus, etwa durch eine verkürzte Anagenphase, gestört, kann es zu übermäßigem Haarausfall kommen.

Verschiedene Auslöser Haarausfall kann die unterschiedlichsten Ursachen haben: Krankheiten, Mangelernährung, Störungen im Haar- wachstumszyklus, Stress, Hormonschwankungen sowie die Einnahme von Arzneimitteln wie Betablockern, Cholesterinsenkern oder Retinoiden. Der Haarverlust kann jedoch auch genetisch bedingt oder auf eine falsche Behandlung der Haare (zum Beispiel ein straff gebundener Zopf) zurückzuführen sein. Der vererbte Haarausfall (an- drogenetische Alopezie, übersetzt: Haarausfall durch männliche Hormone) kann Frauen und Männer betreffen. Erhöhte Spiegel des Botenstoffs Dihydrotestosteron (DHT), dem biologisch aktiven Metabolit von Testosteron, schädigen dabei die Haarfollikel.

Bei Männern mit erblich bedingtem Haarausfall liegen zum einen vermehrt DHT- empfindliche Rezeptoren vor, zum anderen produzieren sie durch ein überaktives Enzym eine hohe Menge an DHT. Auch bei Frauen mit androgenetischer Alopezie ist DHT für den Haarausfall verantwortlich. Es verkürzt die Wachstumsphase, folglich werden die Haare dünner und fallen schließlich aus. Das weibliche Sexualhormon Estrogen schützt normalerweise vor dem schädlichen Einfluss des DHT, seine Konzentration kann jedoch nach einer Schwangerschaft oder im Klimakterium abnehmen. Bei Frauen macht sich die androgenetische Alopezie vorwiegend am Scheitel bemerkbar, bei Männern bilden sich zunächst Geheimratsecken, später lichten sich auch die Haare am Hinterkopf und oft verbleibt lediglich ein Haarkranz im Nacken.

Alopecia areata ist die medizinische Bezeichnung für kreisrunden, entzündlichen Haarausfall, welcher vermutlich auf eine Störung des Immunsystems zurückzuführen ist. Die Haarzwiebel, die das Haar in der Haut verankert, ist von Entzündungszellen umgeben, die wachstumsschädigende Substanzen absondern. Humangenetiker gehen von einer gewissen vererbbaren Komponente aus und arbeiten an der Entschlüsselung der genetischen Grundlage. Für den diffusen Haarausfall, der sich gleichmäßig am gesamten Kopf bemerkbar macht, kommt eine ganze Bandbreite an Ursachen (Hormonschwankungen, Medikamenteneinnahme, Eisenmangel, Funktionsstörungen der Schilddrüse, Infekte oder Stress) in Betracht

Klarheit durch ärztliche Diagnostik Kunden mit übermäßigem Haarausfall sollten unbedingt einen Arzt konsultieren, um die Ursache herauszufinden und eine gezielte Therapie einzuleiten. Anhand des sogenannten Haarwurzelstatus (Trichogramm) lassen sich die Phasen des Zyklus, der Anteil des Haarverlustes sowie die Wachstumskapazität ermitteln. Auch eine Blutuntersuchung, bei der beispielsweise die Konzentration der Schilddrüsenhormone bestimmt wird, gibt Aufschluss über die Ursachen des Haarausfalls.

Gegen den Kahlschlag Mit Haarausfall müssen sich Betroffene nicht abfinden. Es gibt unterschiedliche Methoden zur Behandlung der Alopezie, wobei eine wichtige Voraussetzung darin besteht, dass die Haarwurzeln noch vorhanden sind. Das Antihypertensivum Minoxidil kommt zur topischen Behandlung von Haarausfall zum Einsatz, bei Frauen als zweiprozentige, bei Männern als fünfprozentige Lösung. Es erweitert die Blutgefäße und regt auf diese Weise die Blut- und Nährstoffversorgung der Haare an. Das Wachstum neuer Haare wird gefördert und vorhandenes, gesundes Haar gestärkt. Minoxidil verlangsamt auf diese Weise das Fortschreiten des androgenetisch bedingten Haarverlustes. Auch der 5-alpha-​Reduktasehemmer Alfatradiol (17-alpha-Estradiol) eignet sich zur äußerlichen Behandlung des vererbten Haarausfalls. Die Substanz inhibiert die Umwandlung des Testosterons in DHT.

17-alpha-Estradiol ist als rezeptfreie Haartinktur erhältlich und kann von Frauen und Männern angewendet werden. Der rezeptpflichtige Wirkstoff Finasterid eignet sich lediglich für Männer mit androgenbedingtem Haarausfall. Zur Anwendung bei Frauen ist die Substanz nicht zugelassen. Es mangelt nachweislich an Wirksamkeit und würde in der Schwangerschaft bei männlichen Föten zu Fehlbildungen der Geschlechtsorgane führen. Finasterid unterbindet durch die Hemmung des Enzyms 5-alpha-Reduktase die Bildung von Dihydrotestosteron und verlangsamt dadurch den Haarverlust. Auch Vitamine und Mineralstoffe können gegen Haarausfall helfen, vorausgesetzt es liegt ein Mangelzustand der essenziellen Nährstoffe vor: Folsäure, Zink, Kupfer, Eisen, Biotin und Selen kräftigen die Haare von innen und wirken sich positiv auf das Haarwachstum aus. Die Substitution bei Blutspiegeln, die sich im normalen Bereich befinden, wird kontrovers diskutiert.

Neues aus der Wissenschaft Ein Forscherteam um Dr. Jérémy Chéret vom Monasterium Laboratory in Münster berichtete im Fachjournal „Nature Communications“, dass Haarausfall möglicherweise mit dem Duft von Sandelholz gestoppt werden kann. Die Haarwurzelzellen verfügen über Rezeptoren, die von den synthe- tischen Sandelholz-Duftstoffen Sandalore und Brahmanol aktiviert werden – auf diese Weise würde die Lebensdauer der Haare verlängert.

Chirurgische Therapie Eine Möglichkeit, dem Haarausfall ohne dauerhafte Medikamenteneinnahme entgegenzuwirken, ist eine Haartransplantation, bei welcher die Haar- wurzeln vom seitlichen und hinteren Kopf verpflanzt werden. Ex-Borussia-Dortmund-​Trainer Jürgen Klopp oder Elton John sind prominente Transplantationspatienten.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Kosmetik – Anti-Aging“ 2019 ab Seite 46.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

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