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Wetterfühligkeit

SCHULD IST NUR DER FÖHN?

Meteoropathie wurde lange als Einbildung abgetan. Heute weiß man, dass das Wetter das Wohlbefinden tatsächlich negativ beeinflussen kann. Warum das so ist, ist aber noch unklar.

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Schlappheit, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden – vor allen Dingen Frauen klagen bei Wetterumschwüngen über diese Symptome. Wetterfühligkeit ist also keine Krankheit, sondern eine Überempfindlichkeit gegenüber Witterungsänderungen. Mediziner bezeichnen das Phänomen auch als Meteoropathie oder Meteorotropismus, einer Zusammensetzung aus dem Griechischen „meteor“ und den Endungen -pathie (griech. = „Leiden“) beziehungsweise „tropismus“ (Veränderung des Organismus).

Druck von außen überträgt sich Jeder dritte Deutsche ist nach eigenen Angaben wetterfühlig. Meist setzen die Symptome bereits kurz vor einem Wetterumschwung ein. Erstaunlich ist, dass die meisten Menschen, die sich als wetterfühlig beschreiben, die Wetterentwicklung genauso vorhersagen wie der Wetterdienst. Es scheint ein inneres „Barometer“ zu geben, das auf Luftdruckänderungen in der Umgebung reagiert. Tatsächlich verfügt der menschliche Körper über ein solches Messgerät: Die Barorezeptoren, Sinneskörperchen, die zum größten Teil in den Gefäßwänden der Aorta sitzen und dort Pulsfrequenz und Blutdruck regulieren.

Bei wetterfühligen Menschen scheinen diese Barorezeptoren übersensibel auf äußere Druckeinflüsse zu reagieren. So kann ein erhöhter Luftdruck zu Störungen des Blutdrucks führen und damit in leichteren Fällen zu Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Gereiztheit, in schwereren Fällen sogar zu Schwindel, Herzrasen und massiven Kreislaufstörungen. Wetterfühligkeit kann aber auch Gelenkoder Muskelschmerzen (Gliederreißen) sowie Narbenschmerz auslösen.

Elektromagnetische Felder ebenfalls Auslöser? Neben der Überempfindlichkeit gegen Druckreize werden noch kleine elektrische Entladungen in der Luft, die „Sferics“ (engl.: „atmospherics“ = atmosphärische Störungen) diskutiert. Diese Entladungen bauen ein elektromagnetisches Feld auf, welches das vegetative Nervensystem beeinflussen könnte.

»Betroffene können die Wetterentwicklung genauso vorhersagen wie der Wetterdienst.«

Dieses Nervensystem führt einen ständigen Abgleich zwischen Außen- und Innenwelt durch und hält so die gesunde Balance aller Körperfunktionen aufrecht. Sferics stehen im Verdacht, dieses ausbalancierte System zu stören und seine Reizschwelle herabzusetzen. Dadurch wird es empfänglicher gegenüber äußeren Einflüssen und kann diese nicht mehr richtig ausbalancieren.

Kein Mumpitz Das Phänomen der Wetterfühligkeit ist bisher wissenschaftlich nicht verlässlich nachweisbar. Das drängt es häufig in die Ecke der Esoterik oder Hysterie. Sicherlich gibt es auch Menschen, die Beschwerden auf das Wetter schieben, obwohl es nichts damit zu tun hat. Und wer Angst davor hat, dass das Wetter ihn negativ beeinflusst, der fällt wohl auch zu einem gewissen Teil einer selbsterfüllenden Prophezeiung zum Opfer.

Doch das Phänomen der Wetterfühligkeit ist real: Ein spezielles Wetterphänomen mit hohem Luftdruck, der Föhn, ist als Auslöser für starkes Unwohlsein bis hin zu Herz-Kreislauf-Problemen seit langem bekannt. Statistiken zeigen außerdem, dass Krankheiten und Beschwerden bei ungünstiger Wetterlage häufiger auftreten, dass bei extremen Wetterlagen sogar besonders viele Menschen an Herz-Kreislauf-Krankheiten sterben.

Viele Wetterstationen bieten seit langer Zeit ein „Biowetter“ als Service an. Darin werden Gebiete benannt, die mit extremen Wetterlagen zu rechnen haben, sodass Wetterfühlige sich vorbereiten können. Übrigens ist die Wetterfühligkeit nicht zu verwechseln mit der Wetterempfindlichkeit. Wetterfühlige haben ihre Symptome nur bei Wetteränderungen, sie fühlen sich sonst wohl. Wetterempfindliche haben bestimmte Grunderkrankungen, zum Beispiel Migräne, die sich bei Wetterumschwüngen deutlich verschlimmern.

Was hilft? Die Wetterfühligkeit betrifft das vegetative Nervensystem. Indem man es stärkt, kann man wieder eine natürliche Reizschwelle erreichen. Hierbei helfen regelmäßige Bewegung, Ausdauersport dreimal pro Woche, Saunagänge und Wechselduschen. Bei bereits bestehenden Symptomen können ätherische Öle Linderung bringen. Melisse, zum Beispiel als Melissengeist, beruhigt das vegetative Nervensystem, Lavendelöl, auf die Schläfen aufgetragen, als Tee oder Badezusatz, hilft bei Gereiztheit und depressiver Verstimmung, ebenso wie Baldrian oder Johanniskraut.

Ingwer, zum Beispiel ein rohes Stück in Mineralwasser oder als Tee aufgegossen, kann Schwindelgefühle mindern und stärkt das Immunsystem. Bei stärkeren Kopfschmerzen kann Espresso mit frischem Zitronensaft helfen. Entspannungstechniken wie Autogenes Training wirken sich positiv auf alle Symptome aus. Ganz wichtig aber: Vor allem bei Schwindel nie überanstrengen. Wer wetterfühlig ist, sollte es in den Zeiten, in denen er Symptome zeigt, ruhiger angehen lassen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/15 ab Seite 86.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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