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Heilt Geld alle Wunden?

SCHMERZENSGELD

Mit Geld lässt sich fast alles kaufen: Zum Beispiel Kompensation für soziale Ausgrenzung und sogar körperliche Schmerzen vermag der Besitz von Geld zu lindern.

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Kennen Sie das auch? Das gute Gefühl, etwas Geld „auf der hohen Kante“ zu haben, das subjektive Sicherheitsempfinden, das einem das Ersparte geben kann? Keine andere materielle Ressource hat einen derart großen Einfluss auf unser Wohlbefinden wie das monetäre Vermögen. Aber woran liegt das? Was ist das Besondere am Geld?

Der Mensch ist ein soziales Wesen: Im Verlaufe unserer evolutiven Entwicklung haben sich Sozialstrukturen herausgebildet, bei denen die individuellen Überlebenschancen innerhalb von Gemeinschaften deutlich höher sind als außerhalb dieser Sippen: Die Gruppe bietet Schutz vor Gefahren, erlaubt effektiveres Wirtschaften durch Arbeitsund Ressourcenteilung etc. Dies ist vermutlich der Grund dafür, dass der Entzug des sozial Eingebundenseins die Empfindung körperlicher Schmerzen verstärkt, die Geborgenheit innerhalb der Gemeinschaft umgekehrt derartige Schmerzempfindungen jedoch zu reduzieren vermag.

Evolutiv betrachtet lässt sich dies damit erklären, dass der emotionale Schmerz, der durch soziale Ausgrenzung verursacht wird, sich ähnlicher Hirnareale und -mechanismen bedient wie körperlicher Schmerz. Der Besitz von Geld ist nun in der Lage, sowohl den durch Ausgrenzung verursachten sozialen Stress als auch das körperliche Schmerzempfinden zu reduzieren – und das sogar unabhängig davon, ob es sich um das eigene oder fremdes Geld handelt! Umgekehrt verstärken beide Schmerzformen das Verlangen nach Geld.

Diese Befunde demonstrieren sehr eindrucksvoll den besonderen Stellenwert des Geldes in modernen Gesellschaften: Die Tatsache, dass man mit Geld Dinge kaufen kann, etwa soziale Sicherheit und Anerkennung, die in Urgesellschaften nur durch die Zugehörigkeit zu einer Sippe erreicht werden konnten, bedingt offenbar, dass mit Geld das Fehlen dieses sozialen Rückhalts kompensiert werden kann: Es verleiht ein Gefühl der Unabhängigkeit, eine soziale Absicherung ohne sozialen Rückhalt!

Sicherheit in modernen Gesellschaften kann also auf zwei Wegen entstehen: Durch die Zugehörigkeit zu einem sozialen Netz oder eben durch Geld. Problematisch wird es für uns, wenn beide Ressourcen entzogen werden. Wird man beispielsweise betrogen, etwa in einem Spiel, in dem einem die Mitspieler durch unfaires Handeln den erspielten Geldgewinn abnehmen, so entsteht eine Extremsituation: Man ist beider Ressourcen, Geld und sozialem Rückhalt, beraubt.

Das Gehirn reagiert in solchen Kontexten mit einer Art Taubheitsgefühl: Die Aktivitäten in den genannten Hirnregionen werden gedämpft, man empfindet eine emotionale Leere und Unempfindlichkeit, gepaart mit reduziertem körperlichen Schmerzempfinden. Offenbar reduziert das Gehirn so kurzfristig das individuelle Leiden und erhält dadurch die individuelle Handlungsfähigkeit in Situationen extremer Hilflosigkeit – aber das kennen Sie ja auch …

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/14 auf Seite 12.

 


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