© Masyanya / fotolia.com

Noroviren

SCHIFF AHOI!

Sie sind hoch infektiös, extrem widerstandsfähig und sehr variabel und anpassungsfähig; das hat diesen Viren die Bezeichnung „perfekter Erreger“ eingetragen.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Noroviren sind weit verbreitet. Ein großer Teil aller akuten Gastroenteritiden, also der meist infektiösen Magen-Darm-Entzündungen, wird von ihnen verursacht. Ihr Genom besteht aus einem Einzelstrang einer RNA (Ribonukleinsäure). Wie häufig bei RNA-Viren entstehen im Zuge ihrer Vermehrung laufend Mutationen – und damit immer neue genetische Varianten, so wie dies zum Beispiel auch von den Influenzaviren bekannt ist.

Wegen ihrer hohen Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit ist eine vom Körper erworbene Immunität gegen das Virus allenfalls von kurzer Dauer. Die humanen Noroviren gehören zudem zu den Virusarten, die nicht in Zellen kultiviert werden können und für die kein Tiermodell existiert, an dem man sie genauer studieren könnte. Das erschwert die Entwicklung eines Impfstoffs.

Übertragungswege Durch Schmierinfektion fäkal-oral oder – wenn sich im Rahmen des heftigen Erbrechens virushaltiges Aerosol bildet – durch Tröpfcheninfektion. Ein weiterer Infektionspfad geht über kontaminierte Lebensmittel, wie beispielsweise Salat, Muscheln, Austern, Sandwiches – alles, was nicht oder nur kurz erhitzt wird. Schon oft haben auch tiefgekühlte Beeren Erkrankungswellen verursacht, zuletzt im Herbst 2012, als über 10 000 Kinder durch das Schulessen damit infiziert wurden.

Bereits 10 bis 100 Viruspartikel reichen für eine Infektion aus. Geschätzte Billionen Viren werden aber allein während eines Stuhlgangs ausgeschieden. Wo viele Menschen auf engem Raum leben und gemeinsam essen, können sich die Viren gut verbreiten, deshalb sind vor allem Bewohner von Gemeinschaftseinrichtungen (Heimen) gefährdet, genauso aber Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen, Kinder in Kitas, Jugendherbergen, etc. Während der Krankheitsphase sind Infizierte am stärksten ansteckend, sie können aber noch bis zu 14 Tage, nachdem die Symptome abgeklungen sind, Viren ausscheiden.

Kurz, aber heftig Man kann sich zu jeder Zeit mit Noroviren anstecken, in der kalten Jahreszeit bis in den März hinein ist das Infektionsaufkommen regelmäßig am höchsten. Hat man die Viren aufgenommen, kommt es innerhalb von sechs bis 48 Stunden zum Krankheitsausbruch. Charakteristisch ist ein plötzlicher Beginn mit heftiger Übelkeit, schwallartigem Erbrechen und/oder starkem wässrigem Durchfall.

Betroffene haben ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl, zumal Kopf-, Glieder- und Leibschmerzen und Erschöpfung hinzukommen. Rasch wie sie gekommen sind, verschwinden die Beschwerden bei ansonsten gesunden Menschen wieder, in der Regel nach etwa zwei Tagen. Kritisch kann die Situation jedoch für kleine Kinder und betagte Personen sowie Patienten mit geschwächter Abwehr werden. Sie müssen in manchen Fällen stationär mit Infusionen behandelt werden, um schwere Folgen der Dehydrierung wie Nierenversagen oder Schock zu verhindern. Im schlimmsten Fall kann die Infektion (selten) tödlich enden.

Die Erkrankung ist meldepflichtig; jährlich werden rund 100 000 Fälle registriert. Da längst nicht in jedem Fall einer Magen-Darm-Grippe eine Stuhldiagnostik veranlasst wird, ist eine hohe Dunkelziffer anzunehmen.

Flüssigkeitsdefizit ausgleichen Da es keine spezifischen antiviralen Medikamente gibt, beschränkt sich die Behandlung neben Bettruhe im Allgemeinen auf den Ersatz von Flüssigkeit und Salzen, beispielsweise durch Wasser mit etwas Salz, Brühe, Tee oder spezielle Elektrolytlösungen. Zusätzlich sind kaliumreiche Speisen wie zum Bispiel Bananen empfehlenswert. Patienten, die unter starker Übelkeit leiden, können Antiemetika helfen.

Hohe Umweltstabilität Ein Problem ist die hohe Widerstandsfähigkeit des Erregers: Weder tiefe Temperaturen (minus 20 °C) noch Erhitzung (60 °C für 30 Minuten) können ihm etwas anhaben; er ist bei Raumtemperatur zum Teil noch nach vier Wochen nachweisbar. Auch gegen gängige Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis ist er offenbar resistent.

Bei Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen empfiehlt das RKI sowohl für die Hände- als auch zur Flächendesinfektion nur Mittel mit nachgewiesener viruzider Wirkung (Wirkungsbereich B). Das heißt, das Präparat sollte das Virus so schädigen, dass es möglichst inaktiviert wird. Dies wird durch besonders hohe Alkoholkonzentrationen (mindestens 70, am besten 95 Prozent Äthanol) oder Kombination mit anderen wirksamen Bestandteilen erreicht.

Im Privathaushalt halten einige Experten eine Desinfektion für unnötig. Wenn sich jemand damit sicherer fühlt, so sollte man ihm zu Produkten mit über 90 Prozent Alkoholanteil raten. Wesentlich ist in jedem Fall die ausreichende Einwirkzeit, je nach Herstellerangabe (Minimum 30 Sekunden). Erklären Sie Ihrem Kunden, dass solche Produkte kein Ersatz für gründliches Händewaschen sind und informieren Sie ihn auch über die nötige Rückfettung und Hautpflege.

Hygienemaßnahmen Für Kranke wie Angehörige sollte an erster Stelle die sorgfältige Hände- und Sanitärhygiene stehen. Nützlich sind Einmalhandtücher. Flächen in der Umgebung des Kranken oder von ihm benutzte Gegenstände wie insbesondere Türklinken, Waschbecken etc. reinigt man am besten unter Verwendung von Gummihandschuhen mit Einmaltüchern, die gleich entsorgt werden. Wer einem infizierten Familienmitglied helfen will, das sich übergeben muss, trägt am besten Mundschutz und Einweghandschuhe.

Die Wäsche von Patienten sollte bei mindestens 60 °C mit einem Vollwaschmittel gewaschen werden. Da viele moderne, auf geringen Energieverbrauch ausgelegte Waschmaschinen laut Stiftung Warentest im 60 °C Waschgang diese Temperatur gar nicht erreichen, ist es sicherer, die 95 °C-Einstellung zu wählen.

Wie man sich schützen kann So banal die Empfehlung sich anhört, so essenziell ist sie: Gründliches Händewaschen über 30 Sekunden mit Wasser und Seife nach Kontakt mit Gegenständen, die viele Menschen anfassen, zum Beispiel Einkaufswagen, Halte- und Türgriffe, sollte zur Routine gehören, nach Toilettenbenutzung sowieso. Besonders wichtig ist die Reinigung vor dem Zubereiten von Speisen oder dem Essen.

Je weniger man die Hände zum Gesicht führt, umso geringer ist das Risiko, dass Krankheitserreger auf die Schleimhäute gelangen. Die Verwendung von Mitteln zur Händedesinfektion auf Alkoholbasis kann in falscher Sicherheit wiegen. In einer Untersuchung zeigte sich: In Heimen mit vorwiegender Nutzung dieser Produkte verbreitete sich ein grassierender Erreger stärker unter den Bewohnern als in Einrichtungen, wo man die Hände vor allem mit Wasser und Seife reinigte.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 146.

Waltraud Paukstadt,Dipl. Biologin

×