Nase voraus! Mit ihrer feinen Nase riechen Ratten auch kleinste Duftnuancen. © gallinago_media / iStock / Getty Images Plus

Lungenkrankheiten | Duftstoffe

RATTEN RIECHEN TUBERKULOSE

Ratten verfügen über unglaublich feine Nasen, sie können sogar zwischen zwei Enantiomeren unterscheiden. In einem afrikanischen Projekt werden die Nagetiere zu Spür-Ratten ausgebildet, die Tuberkulose-Erreger aus dem Sputum Betroffener riechen können. Welche chemischen Vorgänge sind dabei ausschlaggebend?

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Diese Frage stellte sich auch Professor Stefan Schulz vom Institut für Organische Chemie der Technischen Universität Braunschweig. Denn wie genau Ratten Tuberkulose am Geruch erkennen, ist noch unklar. Zwar ist bekannt, dass viele Bakterien – wie wohl auch der Tuberkulose-Erreger – flüchtige Verbindungen produzieren, die von Tieren, aber auch teilweise Menschen, als Duftstoffe wahrgenommen werden, doch aus welchem Grund und wie die Bakterien diese Stoffe produzieren, ist nicht klar. Dazu arbeitet Schulz mit dem Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin und mit der gemeinnützigen tansanischen Initiative APOPO zusammen. Die Initiative bildet in verschiedenen afrikanischen Ländern Riesenhamsterratten dazu aus, Tuberkulose zu erkennen. Das Projekt befindet sich derzeit in der Auswertungsphase.

„Wir prüfen, ob es spezielle Duftmarker gibt, sogenannte flüchtige Biomarker, die jeweils mit den Tuberkulosebakterien einhergehen“, erklärt Schulz. „Das ist auch deshalb interessant, weil sich das Verfahren vielleicht für weitere Anwendungen nutzen lässt, um Tuberkulose oder auch andere Krankheiten schneller erkennen zu können.“ Die Untersuchungen gehen aber noch weiter. „Wir analysieren, ob es Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Duftstoffe in frühen und späten Tuberkulosestadien gibt“, sagt Schulz. Und auch, ob sich verschiedene Bakterienstämme an ihrem Geruch unterschieden lassen. All dies könnte dazu beitragen, dass die Krankheit schneller erkannt und eine Diagnose differenzierter gestellt werden könnte. Denn weiterhin stellt die Erkrankungen ein großes, globales Gesundheitsrisiko dar: Weltweit starben 2017 etwa 1,6 Millionen Menschen an der Krankheit.

Vor allem in weiten Teilen Afrikas werden viele Fälle erst in späten Stadien erkannt oder bleiben sogar unbehandelt. Das liegt zum einen am eingeschränkten Zugang der Bevölkerung zu Gesundheitsleistungen als auch an dessen Unterfinanzierung. So ist das Klinikpersonal häufig nicht ausreichend geschult und das Diagnostikmaterial veraltet. Durch APOPO geschulte Tiere, sie nennen sich HeroRats, sollen Versorgungslücken schließen, die kleinen Nager arbeiten mit einer Erfolgsquote von 75 Prozent. Dazu absolviert sie ein neunmonatiges Training, auf jede korrekt identifizierte Probe folgt eine Belohnung. Entdeckt die Ratte eine positive Probe, verharrt sie mindestens drei Sekunden darüber – dann ist alles klar. Ausgelernte Nager gelangen per Motorradkurier zum Einsatzort, im Labor kann eine Ratte bis zu hundert Proben in weniger als zwanzig Minuten prüfen. Eine Laborfachkraft benötigt hierfür vier Tage. Aktuell werden die Proben noch von Menschenhand kontrolliert. Die Erfolgsrate der dortigen Labore hat sich jedoch durch die kleinen Helfer um 40 Prozent erhöht.

Mit Hilfe einer Headspace-Analyse können die produzierten Gerüche aufgefangen und durch einen Filter fixiert werden. Trotzdem ist es eine Herausforderung, derartig kleine Mengen zu analysieren. „Das ist echte Spurenanalytik“, so Professor Schulz „Wir versuchen, die verschiedenen Substanzen des Duftraumes herauszufinden und sind oft damit konfrontiert, dass wir die Strukturen der Substanzen nicht kennen. Wir machen also auch Strukturaufklärung.“ Professor Schulz erklärt weiter: „Bei der Analyse des Duftraumes von Tuberkuloseerregern haben wir bestimmte Verbindungen gefunden. In einem nächsten Schritt muss dann getestet werden, ob diese isolierten Substanzen das gleiche Verhalten bei den Ratten hervorrufen, wie die eigentlichen Bakterien.“

Nachdem sie die Untersuchungen an isolierten Bakterien durchgeführt hatten, wurden auch Sputumproben untersucht. Hier können die Zusammensetzungen natürlich mehr variieren und die Duftnoten hängen von mehr Faktoren ab, wie beispielsweise Alter oder Speiseplan der Probanden. „Deshalb ist es besonders interessant herauszufinden, welche Duftstoff-Verbindungen spezifisch für Tuberkulosebakterien sind und an welchen Substanzen Ratten die Krankheit erkennen“, so Schulz. Ergebnisse sollen nächstes Jahr vorliegen. „Gleichzeitig könnte es sein, dass wir Duftstoffe finden, die für infektiöse Tuberkulosebakterien typisch sind und an denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch Labortests, unabhängig von den Ratten, Tuberkulose identifizieren können.“

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quelle: www.deutschesgesundheitsportal.de

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