© Die PTA in der Apotheke
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Wissen Sie es noch?

RACEMATE UND ENANTIOMERE

Mit dieser neuen Serie möchten wir Sie erinnern. Und zwar an Dinge, die Sie damals in der PTA-Schule gelernt, aber inzwischen vielleicht nicht mehr parat haben. Jenes Wissen, das man nicht unbedingt täglich braucht, das jedoch die beratungsstarke PTA ausmacht.

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Vielleicht haben Sie damals im Chemie-Unterricht auch etwas über Racemate und Enantiomere gelernt. Bestimmt dachten Sie, wozu brauche ich das eigentlich.

Es gibt Substanzen, die im Grunde dieselbe chemische Struktur besitzen, aber dennoch nicht identisch sind. Denn sie verhalten sich wie Bild und Spiegelbild oder wie die rechte zur linken Hand. Man sagt auch, sie sind chiral und sie verhalten sich enantiomer zueinander. Solche Moleküle werden als Enantiomere bezeichnet. Die Mischung zweier Enantiomere im Verhältnis 1:1 heißt Racemat.

Wenn es um physikalische Eigenschaften, wie Schmelzpunkt und Dichte geht, verhalten sich die beiden Enantiomere eines Stoffs genau gleich. Lediglich bei der optischen Drehung unterscheiden sie sich. Das eine Enantiomer dreht die Ebene des polarisierten Lichts um einen bestimmten Betrag in die eine Richtung, das Spiegelbild dreht sie um denselben Betrag in die andere Richtung – rechtsdrehend und linksdrehend.

Auch die meisten chemischen Reaktionen laufen mit beiden Enantiomeren völlig identisch ab. Im Organismus jedoch können sie ganz unterschiedlich reagieren, denn auch unsere Enzyme und Rezeptoren haben die Eigenschaft der Chiralität. Unsere Zellen bilden jedoch nur ein Enantiomer. Da das Andocken eines Moleküls an ein Protein nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktioniert, ist es einleuchtend, dass unter Umständen nur das eine Enantiomer eines Arzneistoffs gut zur Zielstruktur, also dem Rezeptor oder dem Enzym, passt. Das Spiegelbild passt vielleicht gar nicht oder kann nur ganz langsam umgesetzt werden.

So kann es bei chiralen Arzneistoffen, und davon gibt es eine ganze Menge, einen Unterschied machen, ob man ein Enantiomer einsetzt oder die Mischung beider Moleküle, eben das Racemat. Dies kann nicht nur die Pharmakodynamik beeinflussen, sondern auch pharmakokinetische Parameter verändern – wenn beispielsweise das eine Enantiomer besser an ein Transportprotein andocken oder ein abbauendes Enzym besser zupacken kann.

Racemisch oder enantiomerenrein Bis vor wenigen Jahren war es noch sehr aufwändig und teuer, enantiomerenreine Arzneistoffe herzustellen. Inzwischen werden die ursprünglich als Racemat eingesetzten Wirkstoffe teilweise durch enantiomerenreine ergänzt. Hat eines der beiden Enantiomere eine stärkere Wirkung, nennt man es Eutomer. Das Spiegelbild mit der schwächeren Wirkung heißt Distomer.

Nicht immer ist der Einsatz des isolierten Eutomers klinisch relevant, manchmal verbessert es jedoch die Therapie. Dies ist zum Beispiel beim Antihistaminikum Levocetirizin der Fall, dem linksdrehenden Enantiomer des Racemats Cetirizin. Da Levocetirizin wesentlich stärker an den H1-Rezeptor bindet als sein Spiegelbild, kann die Dosis halbiert werden.

Citalopram, der selektive Serotonin-Reuptakehemmer, wirkt durch Wechselwirkung mit dem Serotonin-Transportprotein. Auch hier bindet ein Enantiomer, das Escitalopram, wesentlich stärker an das Protein, sodass sich die Dosis halbieren lässt und der Organismus vor unwirksamem chemischem Ballast bewahrt wird.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/12 auf Seite 99.

Sabine Bender, Apothekerin / Redaktion

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