Beim Thema Inkontinenz sollte man für die Beratung ausreichend Zeit einplanen. Am besten in einem geschlossenen Raum. © Gligatron / iStock / Getty Images Plus

Interview

„INCOAID ERLEICHTERT UNSERE INKONTINENZ-BERATUNG ENORM“

Tanja Steigenberger aus der SONNEN-Apotheke in Peißenberg berät im Monat 70 bis 80 Kunden mit Inkontinenz-Problemen. Insbesondere der Prozess der ersten Anamnese mit Dokumentation und Aufzahlungsberechnung war für sie in der Vergangenheit sehr zeitaufwendig. Seit März 2019 arbeitet die Apotheke mit INCOAID von HARTMANN. Im Interview berichtet sie von den Erfahrungen mit dem Online-Tool, das die Beratung vereinfachen soll.

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Der Interviewpartner: Das Online-Tool INCOAID soll die früher zeitaufwendige Beratung von Inkontinenz-Betroffenen effizienter machen. Inwiefern merken Sie einen Unterschied im Tagesgeschäft?

Tanja Steigenberger: Es bringt auf alle Fälle eine Zeitersparnis und – was noch wichtiger ist – es ist für die Patienten viel verständlicher. Anhand der Produktbilder und des einheitlichen Fragebogens in INCOAID können sie das Beratungsgespräch besser nachvollziehen. Wenn ich das Ganze ohne iPad beziehungsweise INCOAID erkläre, geht sehr viel an den Patienten vorbei. Mit dem standardisierten Verfahren können sie besser umgehen.

Ohne das Tool braucht man mit Sicherheit eine halbe bis Dreiviertelstunde für die erste Anamnese mit der gesamten Dokumentation und Berechnung der Aufzahlung. Mit INCOAID dauert dieser Prozess nur noch 15 bis 20 Minuten bei besserer Qualität der eigentlichen Beratung. Das ist natürlich eine enorme Zeitersparnis, vor allem, wenn man mehrere Patienten an einem Tag berät. Für die Patienten ist es ebenfalls angenehmer, wenn sie nicht so lange dasitzen müssen – bei einem für sie unangenehmen Problem.


Bleibt Ihnen dadurch mehr Zeit, individuell auf die Betroffenen einzugehen?

Auf jeden Fall! Das schätzen wir gerade daran, dass man nicht einfach nur Punkt für Punkt abarbeitet. INCOAID wird in das Beratungsgespräch einbezogen. Die Patienten sehen, was wir eintippen. So bekommen sie bewusst mit, was wir tun und fühlen sich nicht übergangen. Wenn sie vorab wissen, dass wir eine Bestandsaufnahme darübermachen, wie sich die Inkontinenz äußert, welche Probleme zusätzlich auftreten und was für ein Pflegegrad benötigt wird, ist das Verständnis größer und das Gespräch mit dem Patienten besser.

Wie reagieren die Betroffenen auf diese neue Art der Beratung?

Die Patienten sind dafür sehr offen. Es ist äußerst selten, dass jemand sagt: „Das möchte ich nicht“. Wenn Bedenken auftreten, erkläre ich, dass die Richtlinien eine Dokumentation erfordern – ob sie händisch oder mit INCOAID ausgefüllt wird. Digital geht es natürlich wesentlich schneller. Viele Patienten überzeugt auch, dass somit nicht nur die Dokumentation gewährleistet wird, sondern zugleich ermittelt werden kann, was benötigt wird. Der Empfehlung am Ende begegnen die meisten dann mit größerem Vertrauen.

Wie läuft das Beratungsgespräch bei Ihnen ab?

Wir haben einen eigenen, diskreten Beratungsraum, in dem die Patienten ungestört und ohne Scham mit uns über ihr Problem sprechen können. In einem geschlossenen Raum lassen sich natürlich die Produkte viel besser präsentieren als auf einem kleinen Tisch in der Offizin. Wir haben hier Proben aller Inkontinenz-Produkte von HARTMANN aufgestellt, sodass wir im Beratungsgespräch darauf zurückgreifen können. Für die Patienten ist das unheimlich wichtig, dass sie die Produkte anfassen und erfahren, wie sie sich anfühlen. Außerdem können die Patienten mitlesen.

Haben Sie den Eindruck, dass sich – auch kritische – Betroffene leichter durch das Beratungstool von der Produktempfehlung überzeugen lassen?

Vor allem ältere Personen wollen sich ihr Problem häufig nicht eingestehen und sind sich nicht bewusst, was ihnen für eine Hilfe und Erleichterung angeboten wird. Viele denken: „Oh Gott, ich muss jetzt eine Windel in meine Unterhose einlegen!“ Das Wort „Windel“ hören die Patienten besonders ungern. Aber wenn wir dann in INCOAID zu den Versorgungsvorschlägen kommen und die Vorlagen und Pants zeigen, zusätzlich Proben in die Hand nehmen, bricht das Eis. Das Tool gibt zusätzlich Argumente und Empfehlungen an die Hand, sodass die Patienten erleichtert die Produkte ausprobieren wollen. Die meisten sehen, dass die Lösung für ihr Problem besser ist als sie befürchtet haben, und holen sich anschließend, was ihnen empfohlen wird. Das ist eine große Arbeitserleichterung.

Inwieweit gibt Ihnen und Ihren Kollegen das Tool mehr Sicherheit für das Beratungsgespräch?

Für Kollegen, die das nicht jeden Tag machen, hilft es ungemein bei der Auswahl des richtigen Produkts, weil INCOAID auf Basis des ermittelten Bedarfs gleich das richtige Produkt anzeigt. Die Auswahl ist sehr einfach und gut dargestellt.

Ein Beispiel: Wenn ein Mann die Vorlagen von MoliCare Men benutzt, haben sie vier Produkte in der Farbe Blau, die sich nur in der Topfenanzahl unterscheiden. Auf Grundlage der vorherigen Angaben der Patienten wird die richtige Saugstärke in INCOAID angezeigt. So kann man schnell nach dem richtigen Produkt greifen.

Fällt es im Beratungsgespräch mit INCOAID leichter, mit dem Thema Inkontinenz umzugehen?

Man benutzt das Tool ja zusammen mit dem Patienten. Ziemlich am Anfang kommt die Frage: „Haben Sie schon Produkte getestet?“. Daran kann man schnell sehen, ob er oder sie sich traut, über das Problem zu reden. Bei allen weiteren Fragen wie „Wie viel trinken Sie?“, „Welche Arzneimittel nehmen Sie?“ und so weiter ist das gemeinsame Bedienen eine Erleichterung, denn die Patienten verstehen, dass sie die Fragen beantworten müssen, um zum Schluss zur Auswertung und zum Versorgungsvorschlag zu gelangen.

Um den Übergang zu den Pflegehilfsmitteln zu vereinfachen, wird auch der Pflegegrad abgefragt. Viele würden ja gar nicht auf die Idee kommen, mir das zu erzählen, weil der Pflegegrad nichts direkt mit Inkontinenz zu tun hat. So kann man zum Schluss aber nochmal auf die Pflegeprodukte eingehen. Wünschenswert wäre natürlich noch, wenn man den Pflegehilfsmittelantrag gleich ausgefüllt ausdrucken könnte, denn die Patientendaten wurden zuvor schon hinterlegt.

In INCOAID können Preise und Krankenkassen, mit denen Verträge bestehen, hinterlegt werden. Nutzen Sie weitere Einstellungsmöglichkeiten?

Wir haben unsere Daten und Verkaufspreise sowie die Pauschalen unserer Vertragskassen in INCOAID hinterlegt. Das heißt, wir müssen nicht rumrechnen. Wir haben allerdings nicht mit allen Krankenkassen Verträge, weil die Pauschalen teilweise zu schlecht sind. Bei einer Knappschaft mit 15 Euro kann ich keine vernünftige Versorgung gewährleisten. Die Pauschalen werden in den Versorgungsvorschlägen von INCOAID gleich berücksichtigt, sowohl bei medizinisch notwendiger als auch bei Aufzahlversorgung. Das funktioniert super und ist natürlich eine enorme Erleichterung.

Hilfreich ist außerdem, dass ich den Anamnesebogen oder Beratungsvorschlag am Schluss meinen Kollegen per Email als PDF schicken oder gleich ausdrucken kann. Der kann ohne Aufwand zur Dokumentation abgeheftet und zur Einsicht vorgelegt werden, sollte die Krankenkasse ihn anfordern.

Berater erhalten über das Tool Argumente, die es erleichtern sollen, Premium-Produkte zu empfehlen und damit eine Aufzahlung verständlich zu machen. Wie helfen Ihnen die über INCOAID ermittelten Versorgungsvorschläge bei der Argumentation?

Wir bieten immer beide Varianten an – die medizinisch notwendige Versorgung und die Aufzahlungsvariante. INCOAID bereitet quasi den Weg zu einer besseren Versorgung, indem es gute Argumente an die Hand gibt und beide Möglichkeiten gegenüberstellt. Das weckt Vertrauen. Wenn die Patienten dann beide Varianten ausprobieren, entscheiden sich bei uns etwa 90 Prozent für die Aufzahlungsvariante, weil sie sehen, dass sie sich mit den Premiumprodukten tatsächlich besser fühlen: die Haut wird geschont, der Intimbereich ist nicht gerötet und juckt nicht. Vertrauen und Wohlfühlfaktor sind entscheidend.

Das Interview führte Susanne Fleischer

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