© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Giftpflanzen

PRÄCHTIGE STAUDE

Die schwarz glänzenden Früchte der Kermesbeere leuchten verführerisch. Sie sind eine gefährliche Verlockung, denn es besteht die Gefahr, dass Kinder sie mit Brombeeren verwechseln.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Ursprünglich stammen die meisten der 35 Kermesbeeren- Arten vom amerikanischen Kontinent, wenige sind in Afrika oder Eurasien heimisch. Bei uns in Mitteleuropa haben sich zwei Arten angesiedelt: die aus Nordamerika stammende Amerikanische Kermesbeere (Phytolacca americana L.) und die südostasiatische Indische Kermesbeere (Phytolacca esculenta, Syn. Phytolacca acinosa). Letztere wird auch mit den Synonymen Asien- Kermesbeere und Essbare Kermesbeere betitelt, was aber irreführend ist und nicht zu einem unbedenklichen Verzehr verleiten sollte, da beide Kermesarten giftig sind.

Brombeerartige Früchte Kermesbeeren (Phytolacca) sind bis zu zwei Meter hohe ausdauernd-krautige Pflanzen aus der Familie der Kermesbeerengewächse (Phytolaccaceae) mit einem aufrechten, runden Stängel, an dem sich 30 bis 40 Zentimeter lange, ganzrandige, eiförmige, wechselständige Blätter befinden. Ihre rübenförmig verdickte mehrköpfige Wurzel gräbt sich bis zu einen Meter tief in den Boden hinein. Auffallend sind ihre grünlichweißen Blüten, die bei der amerikanischen Art in hängenden und bei der asiatischen Art in stehenden, etwa 15 Zentimeter großen Trauben erscheinen.

Die sich nach der Befruchtung entwickelnden Früchte sind erst grün und werden dann im Herbst glänzend schwarz. Sie ähneln im reifen Zustand sehr den Brombeeren und reizen daher vor allem Kinder zum Verzehr. Auf die glänzenden Früchte und ihren intensiv rot gefärben Fruchtsaft nehmen sowohl der Gattungsname als auch die deutsche Bezeichnung Bezug. Phytolacca stammt vom griechischen Wort phyton = Pflanze und dem italienischen Begriff lacca = Lack ab. Kermes kommt aus dem Arabischen und bedeutet rot.

Ungeliebter Gast Beide Kermesbeerarten fühlen sich in südlichen Regionen Deutschlands wohl und breiten sich durch Vögel, welche die Beeren essen und an anderer Stelle ausscheiden, zunehmend aus. Neben den Wildbeständen werden sie zudem von Hobbygärtnern als schön anzusehende Zierpflanzen kultiviert. Das verstärkte Auftreten der Kermesbeeren wird aber von Förstern und Landschaftsplanern mit Missbehagen beobachtet, denn die vermehrungsfreudigen Stauden besiedeln nicht nur Gartenbeete oder verlassene Schutt- und Ödplätze. Sie verdrängen in Wäldern den heimischen Baumbestand, was aufgrund der Giftigkeit der Kermesbeere ein besonderes Problem darstellt.

Giftig und teilweise essbar In allen Organen, vor allem in der Wurzel und in den Samen, sind toxische Stoffe (z. B. Triterpensaponine, Lectine) enthalten, wobei die Indische Kermesbeere aufgrund des geringeren Gehaltes an Giftstoffen nicht so giftig wie die amerikanische Art ist. Allerdings sind die frischen Blätter und jungen Triebe nahezu frei von Giftstoffen. Sie gelten im Süden der USA als Delikatesse und werden als „Poke Salad“ oder als gekochtes Gemüse, das wie Spargel schmeckt, auf den Speisekarten angeboten. Voraussetzung für den unbedenklichen Verzehr ist allerdings, dass Blätter und Triebe zuvor immer abgekocht werden und das Kochwasser verworfen wird.

Und dennoch ist trotz der Vorsichtsmaßnahmen besondere Aufmerksamkeit bei der Zubereitung geboten, da Phytolacca-Blätter mit den äußerst giftigen Blättern von Veratrum viride, dem in den USA vorkommenden Grünen Germer, verwechselt werden können. Peroral und perkutan toxisch Bei den Früchten nimmt mit zunehmendem Reifegrad die Toxizität des Fruchtfleisches ab. Zudem sind die Beeren der Indischen Kermesbeere deutlich weniger giftig als die der amerikanischen Art. Dennoch kann ihr Verzehr abhängig von der aufgenommenen Menge zu Intoxikationen führen. Bei Phytolacca americana L. geht man davon aus, dass zehn rohe Beeren für Erwachsene und ältere Kinder noch unbedenklich sind. Die gleiche Anzahl kann aber bei Kleinkindern ernsthafte Vergiftungen auslösen.

Typische Vergiftungserscheinungen nach oraler Aufnahme sind Speichelfluss, Magen-Darm- Beschwerden wie Erbrechen und Durchfall sowie in schweren Fällen Krämpfe, Schock und Atemlähmung. Giftstoffe können auch durch die Haut in den Blutkreislauf gelangen. So führen bei Hautverletzungen perkutan in den Organismus eingedrungene Lectine zu einer vermehrten Bildung von Plasmozyten (Plasmozytose) und anderen hämatologischen, also das Blutbild betreffenden Erkrankungen. 

Schneckengift und Heilmittel Die Toxizität der Pflanzen macht man sich heute auch zunutze, indem Samen und Wurzelabkochungen zur Schneckenbekämpfung eingesetzt werden. In der amerikanischen Volksheilkunde waren früher Extrakte der getrockneten Wurzel zur Behandlung von Rheuma und Erkältungskrankheiten ein beliebtes Mittel, was aber nicht selten Vergiftungen ausgelöst hat. Heute verwendet noch die Homöopathie den Extrakt aus der frischen Wurzel von Phytolacca americana L. vor allem bei Halsentzündungen und Brustdrüsenerkrankungen stillender Mütter.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 119.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

×