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Parodontitis

NUR NICHT DEN HALT VERLIEREN

Eine bakterielle Entzündung führt zum Zurückweichen des Zahnhalteapparats. Da sie keine Schmerzen verursacht, bleibt sie häufig lange unentdeckt. Die mögliche Folge ist Zahnverlust.

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Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können – so lautet der Slogan für eine bekannte Zahnpasta. In den wechselnden Spots immer dabei: Ein grüner Apfel, in den die Darsteller hineinbeißen, ohne Zahnfleischbluten zu bekommen. Denn die Inhaltsstoffe der Zahncreme, so das Versprechen, schützen vor Zahnfleischbluten und Parodontose.

Heute sprechen Fachleute lieber von Parodontitis, meinen aber dasselbe Krankheitsbild: Breitet sich eine Entzündung des Zahnfleisches in tiefere Schichten des Zahnbetts aus, können sich die Zähne lockern und schlimmstenfalls ausfallen. Laut Bundeszahnärztekammer ist dies nach dem 45. Lebensjahr die wichtigste Ursache für Zahnverlust.

Mehrere Ursachen Einerseits sind es bestimmte Bakterienarten in der Mundhöhle, sogenannte paropathogene Bakterien, andererseits kann aber auch das Immunsystem beim Versuch diese zu bekämpfen, Schaden im Gewebe anrichten. Menschen mit einer genetischen Disposition entwickeln eher eine Parodontitis, mangelhafte Mundhygiene und Rauchen erhöhen das Risiko erheblich.

Zusammenspiel In der Regel entwickelt sich eine Parodontitis aus einer oberflächlichen Zahnfleischentzündung oder Gingivitis . Diese äußert sich durch Rötung, Schwellung und Blutungen des Zahnfleisches. Sie entsteht, wenn sich Bakterien an den Zahnfleischrändern an die Zähne anlagern, vermehren und eine Plaque bilden. In diesem Biofilm produzieren sie Stoffwechselprodukte und Toxine, die das Zahnfleisch reizen. Daraufhin bekämpfen Immunzellen die Bakterien – das Zahnfleisch entzündet sich.

Dabei werden aber nicht nur die Bakterien abgetötet, sondern auch das Zahnfleisch selbst wird in Mitleidenschaft gezogen. Weil das Gewebe durch die Entzündung stärker durchblutet wird, kann es zudem leichter zu Zahnfleischbluten kommen. Von einer Parodontitis sprechen Zahnärzte, wenn auch tiefere Schichten des Zahnhalteapparats, des sogenannten Parodontiums, von der Entzündung betroffen sind. Dann kommt es zu einem Verlust von Alveolarknochen und es entstehen Zahnfleischtaschen, in denen sich die Bakterien weiter vermehren.

Letzteres befeuert die Entzündung zusätzlich – die Parodontitis ist eine chronische Erkrankung. Die Zahnfleischränder gehen zurück, die empfindlichen Zahnhälse liegen zunehmend frei. Aus den Zahnfleischtaschen kann sich Sekret entleeren, Mundgeruch ist möglich. Weil sich der Zahnhalteapparat zurückbildet, können sich die Zähne lockern und schlimmstenfalls sogar ausfallen.

Mehr als jeder Zweite betroffen Laut der Vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie des Instituts der Deutschen Zahnärzte leiden 52,7 Prozent der erwachsenen Deutschen an einer mittelschweren und 20,5 Prozent an einer schweren Parodontitis. Bei Senioren (über 65 Jahren) kommt die schwere Form sogar doppelt so häufig vor. Ob hinter einem Zahnfleischbluten eine Parodontitis steckt, kann nur der Zahnarzt feststellen. Als standardisiertes Tool kann er dafür den Parodontalen Screening Index (PSI) nutzen. Dafür benötigt er eine spezielle, gebogene Sonde mit Längenmarkierungen und einer winzigen Kugel am Ende.

Führt der Zahnarzt nun diese Sonde neben dem Zahn in eventuelle Zahnfleischtaschen ein, so kann er mit der Kugel Unebenheiten am Zahn aufspüren und gleichzeitig mithilfe der Markierungen die Tiefe der Zahnfleischtaschen ermitteln. Dieses wiederholt er bei sechs gleichmäßig über das Gebiss verteilten Zähnen an jeweils sechs Stellen. Aus den Befunden berechnet sich der PSI: Code 0 bedeutet, dass der Zahnhalteapparat gesund ist.

DER ZAHNHALTEAPPARAT
Das Paradontium besteht auf Seiten des Kiefers aus dem Alveolarknochen mit dem darüber liegenden Zahnfleisch – beide bilden quasi die Fächer, in denen die einzelnen Zähne mit ihren Wurzeln stecken. Auf der Seite des Zahns ist die Zahnwurzel von Zahnzement umgeben. Zwischen Zahnzement und Alveolarknochen liegt die Wurzelhaut, die beides fest miteinander verbindet und so die Zähne im Kiefer verankert.

Bei Code 1 oder 2 bleibt die Längenmarkierung sichtbar (es haben sich also keine oder nur minimale Zahnfleischtaschen gebildet), aber durch die Sondierung beginnt das Zahnfleisch zu bluten. Bei Code 2 sind zusätzlich Zahnstein und/oder Plaque und defekte Restaurationsränder erkennbar. In diesen Fällen handelt es sich um eine Gingivitis. Bei Code 3 bleibt das schwarze Band der Längenmarkierung nur teilweise sichtbar, die Tiefe der Zahnfleischtasche beträgt 3,5 bis 5,5 Millimeter.

Die Sondierung kann zu einer Blutung führen, Zahnstein und/oder Plaque und defekte Restaurationsränder sind möglich. In diesem Fall spricht der Zahnarzt von einer mittelschweren Parodontitis. Bei Code 4 verschwindet das schwarze Band vollständig, die Sondierungstiefe beträgt mehr als 5,5 Millimeter. Dieser Patient hat eine schwere Parodontitis. Zusätzlich können in schweren Fällen eine mikrobiologische Diagnostik oder Röntgenbilder weiteren Aufschluss geben.

Behandlung Eine oberflächliche Entzündung lässt sich meist schon durch eine professionelle Zahnreinigung erheblich reduzieren – die in regelmäßigen Abständen wiederholt werden sollte. Entzündete Zahnfleischtaschen werden unter lokaler Betäubung in einer geschlossenen Behandlung gereinigt. Bei schweren Defekten und großen Taschentiefen kann es erforderlich sein, die Zahnfleischtaschen chirurgisch zu öffnen und auf diese Weise zu säubern. Dann kann auch eine antibiotische Therapie notwendig werden.

Heute existieren verschiedene Ansätze, das natürliche Gewebe nach Beseitigung der Entzündung wieder zum Nachwachsen anzuregen. Je früher die Behandlung beginnt, desto größer sind die Chancen auf Erfolg. Um das Behandlungsergebnis zu erhalten, sind eine gute Zusammenarbeit zwischen Patient und Zahnarzt sowie regelmäßige Mundhygiene notwendig.

Mehr als eine Erkrankung der Mundhöhle Ein schlecht eingestellter Diabetes erhöht das Risiko für eine Parodontitis, und umgekehrt kann eine effektiv therapierte Parodontitis die glykämische Einstellung verbessern. Vermutlich wegen der Entzündungsprozesse im Körper erhöht eine Parodontitis zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Während einer Schwangerschaft ist das Parodontitisrisiko wegen der hormonellen Umstellungen erhöht. Ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und Frühgeburt wird diskutiert.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 122.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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