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Verstopfung

NICHTS GEHT MEHR!

Verstopfung ist ein Volksleiden. Wer davon geplagt wird, sucht oft Hilfe in der Apotheke. Im Beratungsgespräch gilt es genau nachzufragen, damit Sie betroffenen Kunden die besten Tipps und wirksame Laxanzien mit auf den Weg geben können.

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Obwohl die Verstopfung eines der häufigsten Probleme des Magen-Darm-Traktes ist, wird das qualvolle Übel oft unterschätzt und mitunter als harmlose Befindlichkeitsstörung abgetan. Völlig zu Unrecht, geht Obstipation doch mit einem hohen Leidensdruck und einem Verlust an Lebensqualität einher. Vor allem, wenn die Stuhlentleerung dauerhaft unbefriedigend ist und jeder Toilettengang zu einer Tortur wird, leidet die Lebensfreude.

Über das quälende Problem „mit dem stillen Örtchen“ sprechen Betroffene meist nicht gern – für viele Menschen sind Verdauungsprobleme immer noch ein Tabu. Und wenn sich Verstopfungs-Geplagte dann doch Angehörigen oder Freunden anvertrauen, ernten sie statt Verständnis oft Vorwürfe. Denn immer noch in vielen Köpfen verankert ist die Vorstellung, an Verstopfung sei man selbst schuld. „Dann iss noch mal gesünder!“ oder „Beweg dich einfach mehr!“ heißen gängige Ratschläge, die meist jedoch fehl am Platz sind.

Richtig ist zwar, dass eine ballaststoffreiche Ernährung, eine ausreichende Trinkmenge und ein bewegter Lebensstil die Darmtätigkeit positiv beeinflussen und eine geregelte Stuhlentleerung fördern können. Falsch ist jedoch die verbreitete Ansicht, bei obstipierten Menschen handele es sich um eingefleischte Bewegungsmuffel und Fast-Food-Freaks. Im Gegenteil: Studien haben gezeigt, dass von Verstopfung Geplagte nicht weniger Ballaststoffe zu sich nehmen als ihre Mitmenschen.

Und in keiner Studie ließ sich mangelnde körperliche Bewegung als eindeutige Ursache einer chronischen Obstipation belegen. Viele Menschen, die unter Verstopfung leiden, leben sogar äußert vorbildlich, um die Defäkation zu erleichtern. Oft jedoch ohne Erfolg. Das zeigt: Obstipierte brauchen keine „gut gemeinten Ratschläge“, sondern eine kompetente Beratung und eine gezielte, verlässliche Therapie.

Akut oder chronisch? Wie es gelingen kann, die Darmentleerung zu erleichtern, hängt von Art und Ursache der Verstopfung ab. Grundsätzlich unterschieden werden kann zwischen akuter und chronischer Obstipation. Eine akute Verstopfung tritt plötzlich, innerhalb von Stunden bis Tagen auf und kann sehr unterschiedliche Ursachen haben. Sie reichen von der situativen Verstopfung – zum Beispiel auf Reisen, nach dem Genuss sehr üppiger Mahlzeiten oder bei Bettlägerigkeit nach einer Operation – bis hin zum lebensgefährlichen Darmverschluss.

VERSTOPFUNG ALS NEBENWIRKUNG
+ Anticholinerika
+ trizyklische Antidepressiva
+ Antiepileptika
+ Codein
+ Colestytramin
+ Diuretika
+ Eisenpräparate
+ Neuroleptika
+ Opiate
+ Spasmolytika
+ Sympathomimetika

Tritt die akute Verstopfung ohne „offensichtlichen Grund“ auf und wird sie von Beschwerden wie Schmerzen, geschwollenem Bauch, Fieber oder Erbrechen begleitet, ist eine sofortige medizinische, unter Umständen sogar intensivmedizinische Betreuung erforderlich. Ein eher harmloses Übel ist hingegen die Reiseobstipation, die durch Zeitverschiebung, klimatische Veränderungen, ungewohnte Kost am Urlaubsort oder das Fehlen der heimischen Toilette begünstigt wird. Hier helfen zuverlässig wirksame Laxanzien.

Besonders schnell wirksam sind rektale Entleerungshilfen wie Klistiere und Suppositorien, bei denen die Wirkung oft schon nach zehn bis 30 Minuten einsetzt. Bewährte Helfer sind auch Präparate zum Einnehmen mit Wirkstoffen wie Macrogol, Bisacodyl und Natriumpicosulfat. Im Beratungsgespräch sollten Sie empfehlen, ein geeignetes Laxans, das erfahrungsgemäß gut vertragen wird, in die Reiseapotheke zu packen.

Vielen Menschen bereitet die Stuhlentleerung nicht nur in besonderen Lebenssituationen, etwa fern der eigenen Toilette oder an stressigen Tagen, sondern vielmehr dauerhaft Probleme. Dann liegt häufig eine chronische Verstopfung vor – und damit eine der häufigsten Gesundheitsstörungen in Deutschland. Fünf bis 15 Prozent der Bevölkerung leiden darunter, Frauen häufiger als Männer, alte Menschen häufiger als junge.

Selten, hart, unvollständig? Von chronischer Verstopfung ist laut aktueller S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) und der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) die Rede, wenn unbefriedigende Stuhlentleerungen seit mindestens drei Monaten bestehen und mindestens zwei der folgenden Leitsymptome aufweisen:

  • starkes Pressen,
  • klumpiger oder harter Stuhl,
  • subjektiv unvollständige Entleerung,
  • Gefühl der Blockierung im Analbereich,
  • manuelle Unterstützung zur Erleichterung der Defäkation,
  • weniger als drei Stühle pro Woche.

Die aktuelle Leitlinie misst der Stuhlfrequenz eine geringere Bedeutung zu als frühere Definitionen. Der Grund: Viele Obstipierte können den harten Stuhl dauerhaft nur mühevoll und unter starkem Pressen absetzen – das aber mitunter täglich. Insofern werden ältere Definitionen, die sich vor allem an der Anzahl der Stühle orientieren, dem komplexen Beschwerdebild nicht gerecht und führen dazu, dass viele Betroffene nicht erfasst werden.

Träger Darm? Eine chronische Verstopfung sehr kann unterschiedliche Ursachen haben. Eine häufige Form ist die kologene Obstipation, auch als Slow-transit-Obstipation bezeichnet. Typischerweise transportiert der „träge“ Darm den Darminhalt hierbei zu langsam. Der Stuhl verweilt deshalb lange im Dickdarm (Kolon), in dem ihm permanent Wasser entzogen wird. Folge: Der Fäzes dickt ein, wird hart und kann schließlich – mit deutlicher Zeitverzögerung – nur sehr mühevoll abgesetzt werden.

Die Ursachen für die veränderte Beweglichkeit des Darms sind vielfältig: Möglicherweise liegen ihr andere Erkrankungen zugrunde, zum Beispiel Nervenstörungen im Nervengeflecht des Darms. Auch Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson und systemische Sklerodermie, eine seltene Erkrankung des Bindegewebes, sowie endokrine Erkrankungen (wie eine Schilddrüsenunterfunktion) sind mögliche Ursachen. Bekannt ist auch, dass zahlreiche Medikamente chronische Verstopfung als Nebenwirkung haben können – vom Opiat bis zum Eisenpräparat.

»Obstipierte brauchen keine „gut gemeinten Ratschläge“, sondern eine kompetente Beratung und eine gezielte, verlässliche Therapie.«

Im Beratungsgespräch sollten Sie von Verstopfung gepeinigte Apothekenkunden deshalb auch fragen, ob regelmäßig Medikamente eingenommen werden müssen, deren Nebenwirkung Verstopfung sein könnte. Falls ein solcher Zusammenhang naheliegt, sollten Sie Betroffenen raten, mit dem behandelnden Arzt zu sprechen. Eventuell ist es möglich, die Präparate niedriger zu dosieren oder andere Arzneimittel zu verordnen, die diese Nebenwirkung nicht haben. Bei einigen Betroffenen wird die Slow-transit-Obstipation auch durch eine ballaststoffarme Ernährung begünstigt.

Entleerungsstörung? Von der kologenen Obstipation unterscheidet sich die anorektale Obstipation, die durch strukturelle Veränderungen im Enddarm- und Analbereich hervorgerufen wird. Dazu zählen unter anderem eine Verengung des Darmausgangs (Analstenose), eine verminderte Rektumsensibilität oder Beckenbodenfunktionsstörungen. Bei der ebenfalls häufigen idiopathischen Obstipation kann der Mediziner keine krankhaften Veränderungen der Darmfunktion feststellen. Möglicherweise ist die Verstopfung dann auf Stressfaktoren oder willkürlich unterdrückten Stuhldrang zurückzuführen.

Auch das Reizdarmsyndrom (RDS) geht häufig mit Verstopfung einer – oft auch im Wechsel mit Durchfall. Weitere typische Symptome des RDS sind Völlegefühle, Blähungen, Bauchkrämpfe und Bauchschmerzen. Die Auflistung der zahlreichen möglichen Ursachen von chronischer Verstopfung unterstreicht die Notwendigkeit einer exakten Diagnose. In vielen Fällen ist es möglich und dringend erforderlich, eine zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln, damit auch der Darm wieder reibungslos arbeiten kann.

Darmfreundlicher Lebensstil? Laut aktueller S2k-Leitlinie sollte die chronische Obstipation nach einem Stufenschema behandelt werden. Im Anschluss an die Basisdiagnostik folgen auf Stufe I Allgemeinmaßnahmen wie ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Bewegung und eine ballaststoffreiche Ernährung. Sinnvoll ist es, täglich etwa 1,5 bis zwei Liter zu trinken. Eine Menge, die von Ernährungsexperten grundsätzlich für Erwachsene empfohlen wird.

Keinen therapeutischen Nutzen hat es bei chronischer Verstopfung hingegen, die Trinkmenge auf über zwei Liter täglich zu erhöhen. Darauf sollten Sie im Beratungsgespräch hinweisen. Ähnlich verhält es sich mit der Bewegung: Altersentsprechende körperliche Aktivitäten sind unbedingt empfehlenswert, jedoch hilft „Sport über die Maßen“ nicht, um chronischer Verstopfung entgegenzuwirken.

 Und fürs Essen gilt: Eine ballaststoffreiche Kost kann die Symptome der Obstipation verbessern. Ein Therapieversuch mit zusätzlichen Ballaststoffen, zum Beispiel in Form von Flohsamenschalen oder Weizenkleie, ist deshalb empfehlenswert. Ballaststoffe verfügen über ein enormes Quellvermögen, machen den Darminhalt voluminöser und weicher. Dadurch wird die Darmpassagezeit verkürzt und die Defäkation erleichtert. Viele Betroffene vertragen Quellstoffe gut, bei anderen kann das Mehr an Ballaststoffen jedoch auch Verdauungsbeschwerden wie Blähungen und Bauchkrämpfe nach sich ziehen.

Wichtig ist im Beratungsgespräch der Hinweis, dass bei der Einnahme von Kleie, Leinsamen & Co. unbedingt auf eine ausreichende Trinkmenge geachtet werden muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Mittel nicht ordnungsgemäß quellen und schlimmstenfalls den Darm verkleben können. Ebenfalls sollten Sie Ihre Kunden informieren, dass Ballaststoffe nicht „sofort“ wirken.

Abführhelfer erforderlich? Führt ein verdauungsfreundlicher Lebensstil nicht zum gewünschten Erfolg, spricht sich die Leitlinie auf Stufe II für den Einsatz von Laxanzien aus. Bei Darmtransport-Störungen werden als Mittel der ersten Wahl Präparate mit den Wirkstoffen Macrogol, Bisacodyl oder Natriumpicosulfat empfohlen. Eine Begrenzung des Einnahmezeitraums sei unbegründet, so die Experten. Mittel der zweiten Wahl sind Zuckerstoffe und Anthrachinone. Salinische Laxanzien seien bei chronischer Obstipation zwar wirksam, sollten aber wegen potenziell unerwünschter Arzneimittelwirkungen eher nicht zur Behandlung eingesetzt werden.

Nicht zum Einsatz kommen sollte Paraffinöl. Zur Erinnerung: Grundsätzlich kann bei Laxanzien zwischen osmotisch wirkenden Präparaten und Stimulanzien differenziert werden. Erstgenannte halten osmotisch bedingt Wasser zurück, wodurch der Darminhalt weicher und voluminöser wird. Zu dieser Gruppe gehören salinische Abführmittel (z. B. Bittersalz, Glaubersalz), Zuckerderivate (z. B. Sorbit, Laktose, Laktulose) sowie Macrogole.

DARMTRÄGHEIT PAROLI BIETEN
Verstopfung ist kein „hausgemachtes“ Problem. Dennoch kann jeder etwas tun, um die Darmtätigkeit anzukurbeln. Raten Sie Ihren Kunden …
+ … sich ballaststoffreich zu ernähren – mit viel frischem Obst, Gemüse und Vollkornprodukten.
+ … den trägen Darm mit Leinsamen oder Weizenkleie auf Trab zu bringen und dazu genug zu trinken.
+ … täglich eineinhalb bis zwei Liter zu trinken – bevorzugt Wasser, Saftschorlen und ungesüßte Kräuter- und Früchtetees.
+ … sich im Alltag regelmäßig zu bewegen und am besten mehrmals pro Woche moderat Sport zu treiben.
+ … Stress abzubauen, zum Beispiel beim Yoga oder Tai Chi.
+ … sich genug Zeit für den Toilettengang zu nehmen und Stuhldrang nicht zu unterdrücken.

Stimulierende Laxanzien wirken antiresorptiv und fördern den Flüssigkeitseinstrom ins Darmlumen. Dazu zählen die synthetischen Substanzen Bisacodyl und Natriumpicosulfat, die auch eine direkte Wirkung auf die Darmmotilität haben, sowie die pflanzlichen Anthraglykoside in Sennesblättern und -früchten, Aloe, Faulbaumrinde und Rhabarberwurzel.

Im Beratungsgespräch ist es unbedingt erforderlich, von Verstopfung geplagte Apothekenkunden über die richtige Anwendung und die Wirkweise des bevorzugten Präparates aufzuklären. Wichtig ist beispielsweise der Hinweis, dass es nach der Einnahme stimulierender Laxanzien wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat etwa sechs bis zu zwölf Stunden dauert, bis das Mittel wirkt. Sinnvoll ist es deshalb, das Präparat abends einzunehmen, damit der Darm am nächsten Morgen entleert werden kann.

Sehr schnell wirksam sind rektale Abführmittel wie Mini-Klistiere und Zäpfchen. Nach ihrer Anwendung vergehen häufig nur wenige Minuten, bis der Defäkationsreiz einsetzt. Rektale Entleerungshilfen sollten chronisch Verstopfte vor allem bei Entleerungsstörungen des Enddarms einsetzen. Geeignete Präparate sind beispielsweise Bisacodyl-Zäpfchen oder CO2-freisetzende Zäpfchen. Klysmen sollten nicht dauerhaft angewendet werden.

Zeigen die genannten Laxanzien bei chronischer Verstopfung nicht den gewünschten Effekt, empfiehlt die aktuelle Leitlinie verschreibungspflichtige Präparate wie Prucaloprid oder auch Kombinationstherapien. Chirurgische Eingriffe sind hingegen nur ein Ausnahmefällen erforderlich.

Obstipation bei Schwangeren, Stillenden und Kindern In der Schwangerschaft ist häufig die Darmperistaltik vermindert, wodurch es zur Verstopfung kommt. Wenn die üblichen Ernährungsratschläge (mehr Ballaststoffe, viel Obst und Gemüse, genug Trinken) nicht ausreichen, dürfen auch Laxanzien genommen werden. Dabei gilt: je milder, umso besser.

Empfehlen Sie zunächst Quellstoffe, wenn dies nicht hilft oder nicht akzeptiert wird, Macrogole oder osmotisch wirkende Zucker oder Zuckeralkohole, eventuell auch Bisacodyl. Anthrachinone sind nicht geeignet. Für die Stillzeit gilt prinzipiell dasselbe. Allerdings sollten Mittel, die zu Blähungen führen, vermieden werden. Verstopfung bei Kindern unter sechs Jahren ist kein Fall für die Selbstmedikation. Hier sollte sich zunächst ein Arzt davon überzeugen, dass keine organische Ursache zu Grunde liegt.

Ausnahme: Wenn klar ist, dass der harte Stuhl eines Säuglings auf eine Ernährungsumstellung zurück zu führen ist (z. B. Umstellung von Muttermilch auf Flaschennahrung oder Gabe der ersten halbfesten Beikost) können Sie eine kleine Menge Milchzucker als Zusatz zur Nahrung empfehlen. Bei älteren Kindern gilt wie bei Schwangeren und Stillenden: je milder, umso besser.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/15 ab Seite 58.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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