Britische Palastwache © Welsh Guards / fotolia.com
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Schlaf – Teil 6

NICHT BEWEGEN!

Vielfach sind es die Beine, die Probleme machen. Wenn sie nicht stillhalten, ist das Ein- beziehungsweise Durchschlafen schwierig. Experten nennen das schlafbezogene Bewegungsstörungen.

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Das Restless Legs Syndrom gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Etwa drei bis zehn Prozent der Bevölkerung sind betroffen, Frauen etwas öfter als Männer, Ältere häufiger als Jüngere. Mit anderen Worten: In Deutschland haben 2,4 bis acht Millionen Menschen „unruhige Beine“ (engl. restless legs = unruhige Beine).

Meist tritt die Erkrankung erstmals um das 30. Lebensjahr herum auf. Vor allem, wenn sie sich nicht bewegen, verspüren Menschen mit RLS einen unwiderstehlichen Drang aufzustehen und herumzulaufen. Er geht von den Beinen aus und kann von Missempfindungen wie einem unangenehmen Kribbeln, Ziehen oder Stechen und auch Schmerzen begleitet sein. Dieser Drang in den Beinen tritt typischerweise in Ruhesituationen auf, wie beispielsweise beim Sitzen im Zug, im Theater, in Besprechungen oder auf der Couch. Die Schwere der Erkrankung kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Zirkadianer Rhythmus Besonders stark sind die Symptome bei vielen Betroffenen abends, wenn man normalerweise eigentlich gerne zur Ruhe kommen möchte. Manche haben lediglich hin und wieder das Bedürfnis noch einen kleinen Abendspaziergang zu machen. 90 Prozent jedoch werden von ihren ruhelosen Beinen regelmäßig am Einschlafen gehindert, weil sie nicht im Bett liegen bleiben können. Die Folge sind Schlafstörungen, die sich wiederum in Müdigkeit, Abgeschlagenheit und verminderter Leistungsfähigkeit während des Tages niederschlagen.

Verminderte Lebensqualität Weil sie nicht lange sitzen bleiben können, vermeiden viele Betroffene Situationen, in denen sie eben dies tun müssten, wie beispielsweise Kino- oder Konzertbesuche. Aber nicht nur in der Freizeit, auch im Berufsalltag kann die Unfähigkeit länger zu sitzen zu großen Einschränkungen führen. Sind die Beschwerden so stark ausgeprägt, dass Entspannung kaum noch möglich ist, und kommen dann auch noch Schlafstörungen hinzu, leidet die Lebensqualität enorm.

Ursache Wie das Restless Legs Syndrom entsteht, ist bislang unbekannt. Weil die Erkrankung gut auf eine Behandlung mit dopaminergen und opioidergen Substanzen anspricht, geht man davon aus, dass diese Systeme eine Rolle spielen müssen. Bei etwa der Hälfte der Patienten sind weitere Familienmitglieder betroffen, was die Existenz einer genetischen Grundlage nahelegt.

Einige Regionen im Genom, die mit RLS assoziiert sind, wurden bereits identifiziert. Unruhige Beine können aber auch auf andere Grunderkrankungen wie Eisenmangel, eine Nierenfunktionsstörung oder eine neurologische Erkrankung zurückgehen. Auch manche Medikamente wie typische Neuroleptika und bestimmte Antidepressiva können ein RLS verursachen. In diesen Fällen spricht man von einem sekundären RLS.

Beim Arzt Die Diagnose erfolgt basierend auf einem ausführlichen Anamnesegespräch, in dem der Patient seine Beschwerden so genau wie möglich beschreibt. Die vier essenziellen Diagnosekriterien umfassen den Bewegungsdrang in den Beinen, die Verstärkung der Beschwerden in Ruhesituationen, ihre Besserung beziehungsweise Beseitigung durch Bewegung und die Zunahme der Beschwerden abends oder nachts. Unterstützend spricht für die Diagnose, wenn sich durch die einmalige Gabe von L-Dopa die Beschwerden kurzfristig bessern, wenn weitere Familienmitglieder betroffen sind sowie wenn periodische Beinbewegungen im Schlaf oder im Wachen auftreten.

Behandlung Bei leichten Beschwerden reichen vielfach einfache Maßnahmen, um sie zu lindern. Neben einer guten Schlafhygiene (regelmäßige Schlafenszeiten, etc.) können beispielsweise kalte oder warme Wadengüsse, ein Spaziergang, Massagen oder Dehnübungen vor dem Schlafengehen helfen. Ein Schreibpult anstelle eines Schreibtisches empfinden viele Betroffene als wohltuend. Meist nehmen die Beschwerden des RLS mit dem Alter zu. Lassen sie sich mit den genannten Maßnahmen nicht mehr beherrschen – in der Regel ab einem Alter ab 50 bis 60 Jahren – ist eine medikamentöse Behandlung möglich.

»Vor allem, wenn sie sich nicht bewegen, verspüren Menschen mit RLS einen unwiderstehlichen Drang aufzustehen und herumzulaufen.«

Als Mittel der ersten Wahl kommen dabei L-Dopa sowie Dopaminagonisten zum Einsatz. Hierbei ist die Dosierung niedriger als bei der Parkinson-Krankheit. Gefürchtet ist allerdings die sogenannte Augmentation, bei der sich die Symptome trotz Behandlung verschlechtern. In diesem Fall können Opioide und schließlich Antikonvulsiva, gegebenenfalls auch in Kombination, eingesetzt werden. Nicht selten erfolgt die Behandlung off-label, weil in Deutschland nicht für alle eingesetzten Präparate eine Zulassung für die Indikation des RLS besteht. Bei einem sekundären Restless Legs Syndrom ist die Grunderkrankung zu therapieren.

Periodische Beinbewegungen Die häufig mit der englischen Abkürzung PLM für Periodic Limb Movements bezeichneten Bewegungen der Beine kommen bei nicht wenigen Menschen vor und nehmen mit dem Alter zu: Etwa ein Drittel der über 50-Jährigen bewegt nachts die Beine. Dabei spreizen sie die Zehen ab, beugen das Sprung-, Knie- und manchmal auch das Hüftgelenk. PLM treten vor allem nachts auf und lassen sich im Rahmen einer Polysomnografie erfassen. Vielen ist nicht einmal bewusst, dass sie nachts ihre Beine bewegen.

Solange die PLM keine Beschwerden bereiten, wird ihnen kein Krankheitswert zugeschrieben. Doch periodische Beinbewegungen können den Schlaf auch stören. Über 80 Prozent aller Patienten mit RLS zeigen nachts häufige PLM, die zusätzlich den Schlaf stören. Auch in Zusammenhang mit anderen Schlafstörungen kommen sie vermehrt vor, wie beispielsweise bei der obstruktiven Schlafapnoe oder der Narkolepsie. Sie können aber auch unabhängig von anderen Ursachen als eigenständiges Syndrom auftreten und den Schlaf stören.

Experten sprechen dann einer Periodic Limb Movement Disorder (PLMD). Eine solche wird diagnostiziert, wenn sich im Polysomnogramm mehr als 15 solcher Bewegungen pro Stunde nachweisen lassen (bei Kindern mehr als fünf), der Betroffene über Schlafstörungen klagt und sie sich nicht durch andere Ursachen erklären lassen.

Zähneknirschen Im weiteren Sinne lässt sich auch das Zähneknirschen oder Bruxismus, so der Fachausdruck, als schlafbezogene Bewegungsstörung interpretieren. Neben Zahn- und Kieferfehlstellungen zählen hier emotionale Belastungen und Stress zu den wichtigsten Ursachen. Zur Behandlung werden vor allem Aufbiss-Schienen eingesetzt. Auch Entspannungsübungen können hilfreich sein.

Die anderen Teile der Artikelreihe finden Sie hier:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/15 ab Seite 92.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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