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Seltene Erkrankungen von A bis Z

NEUROFIBROMATOSE

Unter diesem Oberbegriff werden drei genetisch bedingte Krankheiten zusammengefasst. Ihnen ist gemeinsam, dass sich aufgrund von Mutationen Tumoren im Nervensystem bilden.

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Die häufigste unter diesen seltenen Erkrankungen ist die Neurofibromatose Typ 1, sie tritt bei einem von 3000 Neugeborenen auf und wird nach ihrem Entdecker auch Morbus Recklinghausen genannt. Etwa um den Faktor zehn seltener kommt die Neurofibromatose Typ 2 vor – von ihr ist etwa eine von 25 000 Personen betroffen, gefolgt von der Schwannomatose, die schätzungsweise bei einer von 40 000 Personen auftritt.

Ursache für die Neurofibromatose Typ 1 sind Mutationen im Gen NF1, welches auf Chromosom 17 lokalisiert ist. Die Krankheit wird – wie die anderen beiden Formen der Neurofibromatose auch – autosomal dominant vererbt. Das bedeutet, dass das Risiko, dass ein Kind mit einem betroffenen Elternteil ebenfalls erkrankt, 50 Prozent beträgt.

Etwa die Hälfte aller Patienten hat die Krankheit auf diese Weise geerbt, bei der anderen Hälfte ist die Mutation im NF1-Gen spontan aufgetreten. Mittlerweile kennt man rund 1000 verschiedene Mutationen in dem Tumorsuppressorgen, das normalerweise das Zellwachstum reguliert. Durch diese Fehler im Gen wird nicht ausreichend und nur eingeschränkt funktionsfähiges Neurofibromin produziert.

Merkmale der Erkrankung Bei so gut wie allen Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 entwickeln sich Neurofibrome, die der Erkrankung ihren Namen gegeben haben. Dabei handelt es sich um gutartige Geschwulste auf oder unter der Haut, die sich aus Nerven- und Bindegewebszellen (Fibro) bilden; sie können auch tiefer im Inneren des Körpers vorkommen. Diese Tumoren sind gutartig, können aber entstellend wirken.

Bei manchen Patienten finden sich sogenannte plexiforme, das heißt netzartig wachsende Neurofibrome. Bei ihnen beträgt das Risiko, dass sie im Laufe des Lebens entarten und Krebs entsteht, zwischen acht und 13 Prozent. Außerdem können sie andere Gewebe infiltrieren oder komprimieren. Schließlich entwickelt etwa jeder siebte Patient, meist bereits in der Kindheit, einen Tumor am Sehnerv, auch als Optikusgliom bezeichnet.

Einen ersten Hinweis auf eine Neurofibromatose Typ 1 stellen sehr häufig sogenannte „Café-au-lait- Flecken“ dar – Milchkaffee-farbene Verfärbungen der Haut. Sie sind bereits bei der Geburt sichtbar oder entwickeln sich kurz darauf (allerdings kommen sie auch bei gesunden Menschen vor). Zudem finden sich bei vielen Betroffenen Sommersprossen unter den Achseln und/ oder im Leistenbereich.

Neun von zehn Patienten zeigen Pigmentanreicherungen auf der Regenbogenhaut des Auges (Lisch-Knötchen). Seltener können typische Knochenveränderungen auftreten. Nimmt man das Vorhandensein eines an NF1 erkrankten Verwandten ersten Grades noch dazu, so erhält man insgesamt sieben diagnostische Merkmale für die Neurofibromatose Typ1. Treffen mindestens zwei davon zu, so ist von einer Erkrankung auszugehen.

Zusätzlich können Wirbelsäulenverkrümmungen auftreten und ein Teil der Betroffenen leidet unter Lern-, Leistungs- und/oder Verhaltensstörungen. Grundsätzlich gilt: Nicht alle Symptome treten bei allen Patienten auf und auch die Stärke der Symptome kann stark variieren. Die Mehrheit der Betroffenen kann laut Bundesverband Neurofibromatose ein normales Leben führen, manche erkranken aber auch schwer.

Neurofibromatose 2 Diese Erkrankung wird von Mutationen im NF-2-Gen verursacht, bei dem es sich ebenfalls um ein Tumorsuppressorgen handelt. Bei fast allen Patienten entwickeln sich einseitig oder beidseitig Tumoren am Hörnerv, Akustikusneurome genannt. Da dieser Nerv außerdem für den Gleichgewichtssinn wichtig ist, treten als Symptome einer NF2 häufig eine Verminderung des Gehörs bis hin zur Ertaubung sowie Gleichgewichtsprobleme auf. Auch Lähmungen der Gesichtsnerven sind möglich.

 ÜBERSICHT
In unserer Serie „Seltene Erkrankungen A bis Z“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Themen vor:
+ Osteogenesis imperfecta
+ Progressive Supranukleäre Blickparese (PSP)
+ Rett-Syndrom
+ Sarkoidose
+ Transverse Myelitis
+ Ullrich-Turner-Syndrom
+ von Hippel-Lindau Erkrankung (VHL)
+ Williams-Beuren-Syndrom
+ Xanthinurie

Knapp zwei Drittel aller Betroffenen weisen kleine Hauttumoren auf, wobei diese häufig aus Schwann-Zellen entstehen und deshalb als Schwannome bezeichnet werden. Bereits in der Kindheit kommt es vielfach zu einer Trübung der Linse und zu einer Einschränkung des Sehens. Tumoren an der Wirbelsäule können auf das Nervengewebe drücken und so zu Funktionsausfällen führen.

Schwannomatose Bei dieser seltensten Form der Neurofibromatose treten Schwannome vornehmlich im peripheren Nervensystem oder an der Wirbelsäule auf, aber selten im Gehirn. Von einer Schwannomatose spricht man, wenn ein Patient zwei oder mehr dieser Tumoren aufweist. Oftmals stellen sich die Betroffenen im Erwachsenenalter aufgrund von Schmerzen beim Arzt vor.

Behandlungsmöglichkeiten Eine ursächliche Therapie für die verschiedenen Formen der Neurofibromatose existiert nicht. Es werden daher die einzelnen Symptome behandelt. Die wichtigsten Disziplinen bei Typ 1 stellen die Onkologie/Chirurgie, Orthopädie sowie die Neuropsychologie dar. Bei Typ 2 spielen zudem Neurologen und Neurochirurgen eine wichtige Rolle. Wichtig sind Erfahrung mit der Erkrankung und regelmäßige Kontrolluntersuchungen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/14 ab Seite 50.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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