Maske © unomat / iStock / Thinkstock
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NÄRRISCHE ZEIT

Ab Weiberfastnacht geht es in den meisten Teilen Deutschlands hoch her. Aschermittwoch ist der Trubel dann wieder vorbei. Aber was feiern wir eigentlich?

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Während manche fluchtartig das Land verlassen, nehmen sich andere extra frei, um die komplette Zeit mit allen dazugehörigen Ausschweifungen genießen zu können. Denn darum geht es ja letztlich: über die Stränge zu schlagen, maßloser Genuss in Form von Tanz, romantischer Neckerei und Alkohol. Richtig sündigen, um im Anschluss, ab Aschermittwoch, die 40-tägige Reue, Buße und Enthaltsamkeit einzuhalten, denn es schließt sich nahtlos die Fastenzeit an. Die Zeit im Jahr, in der man nach christlicher Tradition durch den bewussten Verzicht an die Leiden und das Sterben Jesu erinnert.

Fastnacht (die Nacht vor dem Fasten) bezeichnete dabei ursprünglich nur den Dienstag vor Aschermittwoch, wurde mit der Zeit aber auf die kompletten sechs Tage übertragen. Der Name Karneval wiederum setzt sich aus den Worten „caro“ (Fleisch) und „elevare“ (aufheben) zusammen, bedeutet demnach „Aufhebung des Fleisches“ und beschreibt damit gut die bevorstehenden enthaltsamen Wochen, in denen vor allem früher auf den Genuss von Fleisch und tierischen Produkten verzichtet wurde.

Christliche Tradition? Heidnische Feste, zu denen beispielsweise die Winterverabschiedung oder das Geisteraustreiben des alten Jahres zählen, finden sich schon sehr früh, vor ungefähr 5000 Jahren. Im Vordergrund stand das Gleichheitsprinzip: Während des Festes verbrachten einfache Arbeiter und Herrscher Seite an Seite in ausgelassener Weise den Abend. Im frühen Mittelalter wurden die heidnischen Traditionen mehr und mehr durch die heutige Fastnacht abgelöst. Zu dieser Zeit wurden die tollen Tage auch auf die Zeit vor Ostern gelegt. Das Fasten stellte einen starken Einschnitt in das alltägliche Leben dar. Der Verzicht auf tierische Produkte, Alkohol und die sexuelle Enthaltsamkeit wurde früher von der gesamten Bevölkerung streng eingehalten.

Verderbliche Lebensmittel, Schlachtvieh und Getränkereserven wurden davor gerne in großen Festen mit Tanz gemeinsam verzehrt. Ebenso wurde die Zeit vor dem Fasten zur beliebten Hochzeitssaison. Die katholische Kirche befürwortete das Feiern nicht konkret, tolerierte es aber weitgehend. Dies änderte sich mit den Reformatoren um Luther, die Fasching komplett ablehnten, weil es ihrer Ansicht nach allen christlichen Werten widerspricht. Dies ist auch einer der Gründe, warum die großen karnevalistischen Hochburgen eher in katholisch geprägten Regionen zu finden sind.

Speis, Spaß und Spiel Ohne Berliner, Kreppel oder Krapfen geht natürlich nichts. Das in Fett ausgebackene Hefeteilchen spielt seit jeher eine große Rolle. Früher aus rein ökonomischen Gründen, zur Verwertung verderblicher und während der Fastenzeit „verbotener“ Lebensmittel, gehört es heute zu den Klassikern der Faschingszeit. Auch die organisierten Umzüge gehören einfach dazu. Entwickelt haben sie sich im 14. und 15. Jahrhundert, in der Spiel- und Schaubräuche, die vor allem von Handwerksgesellen ausgetragen wurde, als neues Element der Fastnacht hinzukamen. Aus den Wettkämpfen, Pflugziehen und Theateraufführungen, bei denen die Teilnehmer zunehmend maskiert auftraten, entwickelten sich die heutigen Umzüge und Sitzungen.

Anfang des 19. Jahrhunderts gab es außerdem zunehmend Bestrebungen das „Vulgäre“ aus den Feierlichkeiten zu entfernen – es entstand die organisierte Fastnacht inklusive Komitee-Gründung und Umzugs-Organisation am Rosenmontag. Die Entwicklung begann in Köln und breitete sich am gesamten Rhein entlang aus. Eine Sonderform stellt dabei die Mainzer Reform dar, die eine politische Ausrichtung der Fastnacht in Form von Büttenreden, Glossen und Liedern durchsetzte. Auch die heutigen Veranstalter versuchen sich jedes Jahr gegenseitig zu übertreffen: Frau Merkel, Obama und Trump – sie alle fanden schon Platz auf den Umzugswagen, wenn auch in parodierter Pose und aus Pappmaché geformt.

Die närrischen Tage Traditionell beginnt der Karneval am 11. November um 11 Uhr 11. Die Zahl Elf findet sich auch im Elferrat (Organisationskomitee), dem Wappen vieler Vereine oder dem Beginn der Festivitäten (11 Minuten nach einer vollen Stunde) wieder. Zum einen trägt sie den Ruf der närrischen Zahl, wobei jeder, der die zehn Gebote übertritt, also die Sittengrenze überschreitet, als Narr gilt. Sie spiegelt andererseits aber auch das Gleichheitsprinzip wider (eine Eins neben der Eins) und ist, ebenso passend für diese Zeit, eine Schnapszahl.

Nach einer kurzen Pause geht es ab Altweiber- beziehungsweise dem schmutzigen Donnerstag dann aber wieder richtig los. Dieser Tag gilt vornehmlich den Frauen. Ihr närrisches Treiben besteht im Besonderen aus dem symbolischen Brauch, den Männern an diesem Tag die Krawatte abzuschneiden. Weiter geht es über den rußigen Freitag, Fastnachtssamstag, –sonntag und Rosenmontag bis zum Veilchendienstag. Rosenmontag gilt dabei als der Höhepunkt der fünften Jahreszeit. An diesem Tag finden die größten Umzugsfestivitäten, Sitzungen und Bälle statt.

Ab Aschermittwoch geht die Fastenzeit los, die mit der Zeichnung eines Kreuzes auf die Stirn des Gläubigen die Zeit der Buße und Entsagung einläutet. Und natürlich wird nicht nur in Deutschland gefeiert: Samba in Rio de Janeiro, kunstvolle Masken in Venedig, traditionelle Festlichkeiten in Santa Cruz oder Bolivien regen vielleicht zur nächsten Frühjahrsreise an, als eine Flucht der besonderen Art.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 auf Seite 96.

Farina Haase, Apothekerin

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