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Caspar Neumann gilt heute als der bedeutendste Leiter der Berliner Hofapotheke in ihrer über 300-jährigen Geschichte überhaupt. © DIE PTA IN DER APOTHEKE

Berühmte Apotheker

MUSIZIEREN MIT DEM KÖNIG

Ein Apotheker, der den Herrscher auf dem Cembalo begleitete? Und die Hofapotheke im Berliner Schloss leitete? Und sehr viele Reisen per Stipendium unternahm? Das war Caspar Neumann.

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Am 11. Juli 1683 wurde Caspar Neumann als Sohn des Kaufmanns und Instrumentalmusikers (Kunstpfeifers) Georg Neumann (gestorben 1695) und dessen Frau Rosina Weichart (gestorben 1693) in Züllichau (heute Sulechów in Polen) geboren. Als die Mutter starb, war er zehn Jahre, als der Vater starb zwölf – da besuchte er gerade die Lateinschule in seiner Heimatstadt. Seit dem Tod der Eltern lebte er bei seinem Paten, dem Züllichauer Apotheker Johannes Romke.

Und so scheint es auch nicht verwunderlich, dass er Apothekerlehrling wurde, also bei seinem Patenonkel in die Lehre ging, und nach der Gehilfenprüfung ab 1701 dessen Apotheke im benachbarten Kargowa/Unruhstadt verwaltete. 1705 wechselte er nach Berlin, wo er zunächst in der Apotheke „Zum schwarzen Adler“ tätig war, kurz darauf aber Reise-Apotheker in der königlichen Hof-Apotheke wurde.

Musik als Hobby, Bildungsreisen als BerufungMusik sowie Reisen waren Neumanns „Ausgleich“ viele Jahre seines Lebens. Schon als Kind war aktives Musizieren und damit die musikalische Begabung durch seinen Vater gefördert worden, nach dessen Tod übernahm dies der Konrektor seiner Schule. Auch während seiner Tätigkeit als Geselle des Königlichen Reiseapothekers zwischen 1705 und 1711, aber auch viel später noch als leitender Berliner Hofapotheker widmete Neumann viel Zeit der Musik, ein „Clavier“ reiste gerne mit.

Der preußische König Friedrich I. (1657 bis 1713), den er auf Reisen durch Preußen, nach Holland, Karlsbad, Hannover und Schwerin begleitete, war nicht nur ein prachtliebender Herrscher, sondern wie später sein Enkel, Friedrich II. (1712 bis 1786) auch der Musik sehr zugetan. Gemeinsam verlebte glückliche Musizierstunden förderten sicherlich, dass Neumann mit einem königlichen Stipendium ausgerüstet, von 1711 bis 1713 Bildungsreisen durch Deutschland, Holland (Hauptstationen: Leiden, Amsterdam, Utrecht) und England unternehmen konnte.

Nach dem Tod Friedrichs I. (1713) zunächst ohne diese königlich-finanzielle Unterstützung, wurde er fünf Jahre lang Laborant im Privatlaboratorium des reichen Chemikers Abraham Cyprianus (gestorben 1718) in London, hielt dort nach kurzer Zeit auch Vorlesungen. 1716 reiste Neumann im Gefolge des englischen Königs Georg I. (1660 bis 1727) nach Deutschland mit Stationen in Hannover und Berlin, lernte dort wiederum den in Preußen wirkenden berühmten Mediziner Georg Ernst Stahl (1659 bis 1734, einem der Hauptbegründer der Phlogistontherorie) kennen. Mit dessen Unterstützung erhielt Caspar Neumann erneut ein königliches Stipendium, jetzt eben von König Friedrich Wilhelm I. (1688 bis 1740), kehrte aber zunächst nach London zurück.

Nach dem Tod des Berliner Hofapothekers Friedrich Wilhelm Memhardt (gestorben 1718) unternahm Neumann noch eine größere Reise nach Frankreich und Italien, wo er Kontakte zu vielen bedeutenden Wissenschaftlern der damaligen Zeit knüpfte, etwa dem Mediziner Hermann Boerhaaves (1668 bis 1738), den Brüdern Étienne Francois Geoffroy (1672 bis 1731) und Claude-Joseph Geoffroy (1685 bis 1752), beide Chemiker und Apotheker, ersterer aber auch Mediziner, dem Natur- und Materialforscher René-Antoine Ferchault de Réaumur (1683 bis 1757), aber auch dem Nürnberger Arzt Christoph Jacob Trew (1695 bis 1769), den er in Paris kennenlernte und mit dem er einen lebenslangen Briefwechsel pflegte.

Die Phlogistontherapie war im späten 17. und 18. Jahrhundert populär. Man ging davon aus, dass das Phlogiston brennbaren Körpern beim Verbrennen entweicht.

Leiter der Hofapotheke Berlin Nach den Stationen in Paris, Lyon, Grenoble, Turin, Genua, Florenz und Rom, Tirol, Augsburg, Dresden und Leipzig kehrte er nach Berlin zurück, um 1719 die Leitung der Hof-Apotheke zu übernehmen und bis zu seinem Tod vorbildlich zu führen. Er modernisierte und reorganisierte sie, Apotheker Erster Klasse konnten fortan im großzügig errichteten Laboratorium ihre praktische Ausbildung erhalten. Ab 1724 war er auch Prüfer der Apotheker und übernahm zugleich die Aufsicht über alle Apotheken Preußens.

Er gilt heute als der bedeutendste Leiter der Berliner Hofapotheke in ihrer über 300-jährigen Geschichte überhaupt. Im Jahr 1723 wurde das „Collegium Medico-Chirurgicum“ in Berlin eingerichtet – Ausgangspunkt für die medizinische Fakultät der Berliner Universität – und Neumann wurde hier zum Professor der praktischen Chemie ernannt. Damit war er der erste Pharmazeut auf einem deutschen Lehrstuhl. Zusammen mit dem Chemiker Johann Heinrich Pott (1692 bis 1777) forderte Caspar Neumann schon früh eine wissenschaftliche Ausbildung der Apotheker, die allerdings erst 100 Jahre später verwirklicht wurde.

Neumann war auch einer der ersten deutschen Apotheker, der auch international große Anerkennung erfuhr. Nachdem er 1727 noch zum Doktor der Medizin in Halle (ehrenhalber) promoviert wurde und noch im gleichen Jahr in die Leopoldina, die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft im deutschsprachigen Raum, Sitz Halle (Saale), gewählt worden war, ernannte ihn auch die Royal Society in London zu ihrem Mitglied. Auch der 1711 offiziell als Preußische Akademie der Wissenschaften eröffneten „Berliner Societät“ gehörte er an.

Umfangreiche Forschungen Einerseits war er synthetisch tätig: Schon 1719 gewann er aus Thymianöl Thymol. Er entdeckte die Oxalsäure und stellte Kalomel [Quecksilber-(I)-chlorid] her. Außerdem beschäftigte Neumann sich analytisch mit der Wein- und Bieruntersuchung, aber auch mit Tee und Kaffee. Auch Amber- und Benzoeharz, Zimtsäure und Bernsteinsäure waren Untersuchungsgegenstand. Bereits 1727 erkannte er, dass der Umschlagspunkt des Indikators mit dem Neutralisationspunkt der Säure beziehungsweise Base zusammenfällt.

Auf viele Apothekerkollegen, so seinen berühmtesten Schüler, den Apotheker Andreas Sigismund Marggraf (1709 bis 1782), Entdecker des Rübenzuckers, aber auch auf Carl Wilhelm Scheele (1742 bis 1786) hatten die Werke Neumanns großen Einfluss. Allerdings blieb er bis zuletzt Anhänger der inzwischen veralteten Phlogistontheorie Stahls. Neumann starb am 20. Oktober 1737 in Berlin.

Etwa drei Jahre nach Neumanns Tod erschien ein Großteil seiner Werke zusammengefasst als „Praelectiones seu Chemicae seu Chemia Medico-Pharmaceutica Experimentalis et Rationalis oder Gründlicher Unterricht der Chemie“ (1740). Eine verbesserte Auflage in vier Teilen (und neun Bänden) wurde 1749 bis 1755 unter dem Titel „Caspar Neumanns Chymiae medicae dogmatico-experimentalis oder der gründlichen und mit Experimenten erwiesenen Medicinischen Chymie“ herausgebracht. Es war damit das erste ausführliche Lehrbuch der Pharmazie in deutscher Sprache.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 ab Seite 106.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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