© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Berühmte Giftmorde

MORD MIT DEM „ERBSCHAFTSPULVER“

Sie gilt als eine der bekanntesten Giftmörderinnen der Kriminalgeschichte: Marie-Madeleine d’Aubray, Marquise de Brinvilliers, vergiftete ihren Vater und ihre Brüder. Entdeckt wurde sie durch einen Zufall.

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Die junge Adlige Marie-Madeleine heiratete 1651 in Paris den Kavallerieoberst Marquis Antoine Gobelin de Brinvillieres. Die zwei standen sich in nichts nach; sie nahmen es beide mit der ehelichen Treue nicht so genau und verprassten das Geld mit beiden Händen.

Geldsorgen Schließlich lernte die junge Frau – die ihrem Mann fünf Kinder gebar – den Rittmeister Jean Baptiste Godin de Sainte-Croix kennen. Er wurde ihre große Liebe und durch ihn lernte sie die faszinierende Welt der Gifte kennen. Denn langsam wurde es finanziell eng für die Marquise (die, zu dieser Zeit ungewöhnlich, ihr eigenes Geld verwalten durfte); sie konnte zwar beim Tod ihres Vaters auf ein großes Vermögen hoffen, doch erfreute sich dieser bester Gesundheit. Der Vater war es auch, der den Umgang von Sainte-Croix mit seiner Tochter für nicht passend erachtete. 1663 veranlasste er, dass der Chevalier verhaftet und für ein Jahr in die Bastille gesperrt wurde.

Damit hatte er sich selbst einen Bärendienst erwiesen. Denn Sainte-Croix, der bereits vor seinem Gefängnisaufenthalt der Giftkunde zugetan war, wurde in der Gemeinschaftszelle zum Vollprofi. Ein Italiener namens Eggidi brachte ihm dort alles bei, was er wusste – und das war nicht wenig. Vor allem in der Verabreichung (von zu dieser Zeit) nicht nachweisbarer Gifte kannte er sich aus. Eines davon war Arsen, genauer gesagt Arsen-III-oxid, auch Arsenik genannt. Dieses entsteht bei der Verbrennung von elementarem Arsen als feines weißes Pulver.

Die Verabreichung desselben war so beliebt, dass es in gewissen Kreisen auch „Erbschaftspulver“ genannt wurde. Gibt man Arsenik in ein Glas Wasser, wird das weiße Pulver farblos und ist praktisch geruchsfrei. Wie man heute weiß, greift Arsenik in zahlreiche biochemische Prozesse ein: Es blockiert die funktionellen Gruppen (Sulfhydrylgruppen/SH-Gruppen) von Proteinen und stört so unter anderem den zellulären Energiestoffwechsel, Transportvorgänge oder die Signaltransduktion, sowie DNA-Reparaturvorgänge. Bereits 1,4 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht sind für einen Menschen tödlich.

Giftküche Wer den mörderischen Plan ersann, wurde nie ganz klar. Die Marquise wollte sein Geld; der Rittmeister sich rächen – Brinvilliers siedelte eine Zeitlang zu ihrem Vater über, achtete streng darauf, dass nur sie ihm das Essen zubereiten durfte und versetzte dieses um die dreißig Mal mit Arsenik. Die letzte Dosis war tödlich. Nun standen nur noch ihre Geschwister im Weg, denn mit diesen musste sie das Erbe teilen. Zuerst sollten ihre Brüder sterben, doch der Wein schmeckte ihnen komisch, und so misslang der erste Mordversuch. In den Osterferien 1670 probierten sie schließlich von einem Ragout, das in mörderischer Absicht zubereitet worden war – sieben Personen erkrankten, darunter auch die Brüder, und diese starben schließlich im Verlauf weniger Wochen. Noch immer aber fiel kein Verdacht auf die Marquise, denn die hatte das Fleischgericht von einem Strohmann, dem sie eine üppige Belohnung versprochen hatte, servieren lassen.

Herstellungspanne Jetzt stand nur noch die Schwester Therèse zwischen dem Erbe des Vaters und der mittlerweile 40-jährigen Adligen. Doch diese ahnte bereits etwas und bereitete ihre Speisen nur noch selbst zu. Bevor die findige Madeleine noch einen Weg finden konnte, um das letzte nahe Familienmitglied zu beseitigen, wurde sie durch einen Zufall enttarnt. Ihren Liebhaber Sainte-Croix ereilte in seiner Giftküche ein Missgeschick. Bei der Herstellung des weißen Arsenik-Pulvers, rutschte ihm die Glasmaske vom Gesicht und zerbrach. Er atmete die Dämpfe ein und starb auf der Stelle.

In seinem Nachlass entdeckten die Ermittler eine Auflistung sämtlicher Lieferungen an Marie-​Madeleine; es fanden sich Schuldscheine seiner Geliebten und auch die Adresse des Strohmannes. Ein penibel geführtes Laborbuch über Tierversuche mit toxischen Substanzen wies ihn als Experte seines Faches aus. Um sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen, floh die Marquise in ein Kloster. Dorthin verfolgte sie auch der ermittelnde Kommissar. Er schlüpfte in das Gewand eines Mönches und lockte sie unter einem Vorwand in einen Garten außerhalb der Stadt – so wurde sie dann festgenommen und der Gerichtsbarkeit übergeben.

Finale Man war nicht zimperlich bei den damaligen Verhörmethoden. Unter der Wasserfolter gestand Marie-Madeleine, dass sie auch noch eines ihrer Kinder umgebracht hatte und es bei ihrem Ehemann zumindest versucht hatte. Denn dieser stand ihrem Plan, Sainte-Croix zu heiraten, im Wege. Da der Chevalier ihrer jedoch bereits überdrüssig geworden war und seine Geliebte gar nicht ehelichen wollte, verabreichte er dem rechtmäßigen Gatten ein Gegengift – wahrscheinlich einen Chelatbildner – sodass dieser den Anschlag überlebte. Die Marquise wurde am 17. Juli 1676 hingerichtet, ihr Körper verbrannt und ihre Asche in alle Winde verstreut.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/19 ab Seite 96.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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