Zecke © Bidouze Stephane / 123rf.com
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Viren & Bakterien – Teil 5

MIT BLUTSAUGERN UNTERWEGS

Diese Bakterien sind für die häufigste durch Zecken übertragene Krankheit verantwortlich – und sie beherrschen zahlreiche Tricks, es sich im jeweiligen Wirt gut einzurichten.

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Der Erreger blieb lange unbekannt: Die hohen Ansprüche von Borrelia burgdorferi an ein Nährmedium machten eine Anzucht und damit Charakterisierung und Nachweis unmöglich. Erstmals gelang die Kultivierung 1981, nach einer Häufung von Gelenkerkrankungen im amerikanischen Ort Lyme . In Europa kennt man heute vier humanpathogene Arten der Gattung.

Der langgestreckte Körper der Bakterien ist spiralig gewunden. Ihre speziellen Geißeln ermöglichen ihnen eine ganz eigene Art der Fortbewegung, wobei der ganze Körper um die eigene Achse rotiert und, einem Bohrer ähnlich, sich in das umgebende Medium „schraubt“. Auf die Weise können sich die Keime selbst in Medien mit hoher Viskosität fortbewegen, welche andere Bakterien stoppen würden; auch dichtes Gewebe im Inneren eines Wirts hält sie nicht auf.

Täuschen, tarnen und verstecken Zusätzlich vermögen sie den „Erkennungsdienst“ des Immunsystems zu „verwirren“ – und können sich auf die Weise der Abwehr entziehen –, indem sie immer wieder ihre äußeren Merkmale, die Oberflächen- Proteine, neu kombinieren und dadurch nicht mehr als Eindringlinge erkannt werden. Zusätzlich vermögen sie, sich an Körperstellen zurückziehen, an denen sie relativ sicher vor Immunreaktionen sind, wie beispielsweise im Knorpel.

Hauptwirte der Keime sind kleine Nager und Vögel; bei ihnen kann sich die übertragende Zeckenart, der „gemeine Holzbock“, beim Blutsaugen mit Borrelien infizieren. Zecken, die sich auf Gras und in Sträuchern tummeln, werden vom Menschen beim Vorbeigehen abgestreift und „mitgenommen“. Ihr Stich bleibt meist unbemerkt, da sie mit dem Speichel ein Anästhetikum absondern. Eine Blutmahlzeit kann sehr lange dauern. In den ersten zwölf Stunden – andere Experten sprechen von bis zu zwei Tagen – ist das Übertragungsrisiko noch gering; man hat also gute Chancen, den Parasiten loszuwerden, bevor er die Erreger weitergibt.

Zecken fachgerecht entfernen Nach einem Aufenthalt im Grünen die Haut – vor allem auch Hautfalten – gründlich nach Zecken absuchen. Das kann das Risiko entscheidend verringern, denn die Spinnentierchen sind oft Stunden unterwegs auf der Haut und unter der Kleidung, bis sie eine Hautstelle finden, die ihnen gefällt.

  • Das Tier möglichst weit vorn am Kopf, also nah an der Hautoberfläche greifen, da beim Zupacken weiter hinten am Körper die Gefahr besteht, dass sich dessen möglicherweise Erreger-haltiger Inhalt in den Stichkanal entleert. Generell muss darauf geachtet werden, den Blutsauger nicht zu quetschen.
  • Man zieht den Parasiten, langsam und kontrolliert, möglichst senkrecht heraus, am besten mit einer spitz auslaufenden, vorne gebogenen Pinzette oder einem speziellen Instrument zur Zeckenentfernung.
  • Eventuell verbleibende Reste in der Haut sind kein Problem: Es handelt sich um den Stechapparat, der kein eigenes Infektionsrisiko birgt und später abgestoßen wird.
  • Keinesfalls sollte man versuchen, die Zecke mit Öl, Klebstoff oder anderen Chemikalien zu ersticken. Damit provoziert man schlimmstenfalls, dass die Zecke ihre ganze unerwünschte Fracht in die Wunde abgibt.

Buntes klinisches Bild Charakteristisches Zeichen einer Infektion ist das sogenannte Erythema migrans, die Wanderröte: ein roter Fleck, der sich Tage oder Wochen nach dem Zeckenstich ringförmig nach außen ausbreitet, während in der Mitte meist eine helle Stelle bleibt. Begleitet wird diese Erstmanifestation oft durch unspezifische, Grippe-ähnliche Symptome.

»Die Erreger gelangen, wenn auch sehr langsam, praktisch an alle Stellen im Körper.«

Aber durchaus nicht jeder, der erkrankt, weist das sichtbare Zeichen auf. Überhaupt ist das Krankheitsbild sehr variabel: Es gibt Borrelien- Infektionen, die völlig symptomfrei bleiben, und andere, die mit Beschwerden über unterschiedlich lange Phasen, unterbrochen durch längere Intervalle, einhergehen oder chronisch verlaufen. Die Erreger gelangen, wenn auch sehr langsam, praktisch an alle Stellen im Körper; hauptsächlich Haut, Gelenke und Nerven, manchmal auch Herz oder Augen können betroffen sein.

Häufig ist etwa die nach wenigen Monaten auftretende Neuroborreliose, mit schmerzhaften Nervenentzündungen oder Gesichtslähmungen. Andere Symptome können bei einigen Betroffenen noch nach Monaten oder sogar Jahren auftreten. Dies können chronische Hautveränderungen mit abnehmender Hautdicke und Verlust von Unterhautfettgewebe sein oder auch Entzündungen großer Gelenke (oft das Knie).

Behandelt wird mit Antibiotika; in der Frühphase der Infektion verspricht die Therapie am meisten Erfolg. Weil die in Europa verbreiteten humanpathogenen Borrelien- Arten sich durch große Heterogenität ihrer Antigene auf der äußeren Membran auszeichnen, gestaltet sich die Entwicklung eines Impfstoffs so schwierig. Aus dem gleichen Grund bietet auch eine einmal durchgemachte Infektion mit den dabei gebildeten Antikörpern bei einer neuen Invasion eines Borrelien- Vertreters keine Immunität.

Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/15 ab Seite 30.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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