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Kinderkrankheiten

MEISTENS „NUR“ EIN KOSMETISCHES PROBLEM

Infantile Hämangiome – umgangssprachlich Blutschwämmchen genannt – bilden sich überwiegend von selbst zurück. Wenn Komplikationen drohen, ist jedoch eine frühe Therapie wichtig.

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Blutschwämmchen sind häufig: Etwa vier bis fünf Prozent aller Säuglinge sind betroffen, Mädchen öfter als Jungen. Bei Frühchen kommen Hämangiome noch häufiger vor, bei einem Gewicht unter einem Kilogramm bei bis zu zwanzig Prozent. Infantile Hämangiome werden durch Zellen der Blutgefäße gebildet und sind die häufigsten gutartigen Tumoren im Kindesalter (Häm = Blut; angi = Gefäß; -om = Tumor). Warum es dazu kommt, ist unklar.

Typischerweise sind Hämangiome bei der Geburt noch nicht oder nur als Vorläufer-Läsion sichtbar, etwa als Teleangiektasien, also Erweiterung von Blutgefäßen, blutarme rötliche oder bläuliche Flecken oder Naevus flammeus-artige Veränderungen. Die Hämangiome entwickeln sind dann aber rasch in den ersten Tagen oder Wochen nach der Geburt. Eltern sollten ihre Kinder unbedingt beim Kinderarzt vorstellen – bei der großen Mehrheit wird er Entwarnung geben, und es kann abgewartet werden, dass sich das Blutschwämmchen von selbst zurückbildet. Es ist aber wichtig, dass die wenigen Fälle früh erkannt werden, in denen eben doch eine Therapie nötig ist.

Drei Phasen Grundsätzlich gilt: Infantile Hämangiome durchlaufen drei Phasen: Wachstumsphase: Dauer meistens zwischen sechs und neun Monaten Stillstandphase: von unterschiedlicher Dauer Rückbildungsphase: Rund 50 Prozent aller infantilen Hämangiome bilden sich bis zum fünften Geburtstag zurück, etwa 90 Prozent bis zum neunten Geburtstag. Allerdings ist die Rückbildung nicht immer vollständig. Vor allem bei ausgedehnten Blutschwämmchen können sichtbare Erweiterungen kleinster Blutgefäße, Areale atrophischer Haut, eine verstärkte oder verminderte Pigmentierung oder auch Hautfalten, die fetthaltiges Bindegewebe enthalten können, zurückbleiben.

Mögliche Komplikationen Kleinere lokalisierte Blutschwämmchen, besonders wenn sie am Rumpf, Armen oder Beinen lokalisiert sind, machen meist keine Komplikationen – bei ihnen wird in aller Regel abgewartet, dass sie sich von selbst zurückbilden. Dagegen ist bei Lokalisationen im Gesicht meist eine Therapie indiziert: Infantile Hämangiome im Bereich der Augen können, wenn sie nicht behandelt werden, das Sehen behindern und so eine bleibende Amblyopie (Schwachsichtigkeit) verursachen. Im Mundbereich können sie die Nahrungsaufnahme behindern und zu einer dauerhaften Deformierung der Lippen sowie zu Anomalien der Zahnstellung und des Unterkiefers führen.

Im Bereich der Nase können ebenfalls Deformitäten auftreten, die zudem die Atmung behindern können. Hämangiome am Ohr können zu großen Ohren und Veränderungen am Knorpel führen. Bei anderen Lokalisationen im Gesicht ist generell die kosmetische Belastung zu berücksichtigen; auch Gesichtsmuskeln können beeinträchtigt werden. Sind Blutschwämmchen schließlich an Stellen lokalisiert, wo sie durch Reibung aufgescheuert werden können, zum Beispiel unter der Achsel oder im Bereich des Anus, ist meist ebenfalls eine Therapie sinnvoll, da ansonsten Blutungen, Infektionen und Schmerzen drohen.

Therapie Ziel der Therapie ist es, funktionelle oder ästhetische Probleme zu vermeiden oder zu beseitigen, das Wachstum der Hämangiome zu stoppen, die Rückbildung großer Hämangiome zu beschleunigen sowie die Abheilung von Geschwüren zu beschleunigen. Befindet sich ein Hämangiom bereits in der Stillstandphase oder in der Rückbildungsphase, kann zumeist abgewartet werden. Seit gut zehn Jahren ist der Beta-Blocker Propanolol das Mittel der Wahl zur Behandlung komplizierter Hämangiome.

Das Therapieansprechen beträgt fast 100 Prozent, Nebenwirkungen können auftreten, sind aber meist temporär und harmlos. Vor diesem Hintergrund haben die Lasertherapie und die Kryotherapie an Bedeutung verloren. Sie werden noch bei kleinen flachen Hämangiomen eingesetzt. Operationen kommen nur in Ausnahmefällen als primäre Therapie infrage. Die früher übliche Behandlung mit systemischen Corticosteroiden wird heute nicht mehr angewendet. Bei schnell wachsenden, ausgedehnten Hämangiomen sowie solchen, die bereits Komplikationen verursacht haben, sollte der Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum gesucht werden.

Nachbehandlung Nicht alle Hämangiome bilden sich vollständig zurück. Es wird empfohlen, mögliche Residuen vor Beginn der Grundschule zu entfernen. Hierfür kommen unterschiedliche Lasertherapien und auch kleine operative Eingriffe infrage. Falls nötig, können Asymmetrien oder Deformitäten im Gesicht mit plastischer Chirurgie korrigiert werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 90.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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