Personen trinken Coktails an einer Bar. © ViewApart / iStock / Getty Images
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Alkoholfreie Spirituosen

MAL NÜCHTERN BETRACHTET

Die Gesundheit hat heute, gerade in Zeiten von Corona, einen besonders hohen Stellenwert. Doch was gehört zu einem gesunden Leben dazu? Ganz sicher ist die Ernährung ein großer Faktor – das Trinken inbegriffen.

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Ernährungsexperten, Ärzte und sicher auch Sie empfehlen Ihren Kunden, viel zu trinken. Damit meinen Sie natürlich Wasser und ganz bestimmt keinen Alkohol. Dennoch greifen die meisten gerne mal zu einem Feierabendbier, dem Gläschen Wein beim Essen oder dem Longdrink beim Ausgehen. Aber der Trend geht zurück: Während 1980 der Pro-Kopf-Verbrauch von reinem Alkohol noch bei 15,1 Liter lag, waren es 2017 nur noch 10,5 Liter im Jahr. Immer mehr Menschen, vor allem junge Erwachsene, wollen also auf Alkohol verzichten beziehungsweise „besser“ trinken – die „Sober Generation“, wie diese Gruppe bezeichnet werden kann.

Gesünder leben und das „bewusste“ Trinken ist ein „Trend, der nicht abflachen wird,“ so Waldemar Wegelin, einer der Geschäftsführer der Tastillery GmbH, Online-Anbieter für Spirituosen, Wein und alles was zum Drinks mixen dazu gehört. Raphael Vollmar und Gerald Koenen, Geschäftsführer von Rheinland Distillers GmbH, sehen darin keinen Trend mehr, „sondern eine logische Entwicklung der Gesellschaft, bei der gesundheitsbewusster Lifestyle mittlerweile eine zentrale Rolle spielt.“ Doch Motive für den Verzicht gibt es viele – sei es das Auto vor der Tür, die Religion oder weil einem Alkohol nicht schmeckt – was ist Ihre Alternative?

Auf den Geschmack kommt es an Anstelle des Sekts wird gern der Orangensaft angeboten. „Bisher gab es einfach keine guten Getränke, wenn man keinen Alkohol trinken möchte. Ich sag nur Schirmchen-​Mocktails mit viel Früchten“, so Stella-Oriana Strüfing, CEO und Co-Founder von Beyond Drinks GmbH. Dabei gibt es heute einiges, das Abstinenzlern zur Verfügung steht. In New York ist der Signature Drink des Restaurants „Atera“, der „Champine“, sehr beliebt: ein alkoholfreier Schaumwein auf Basis von Kiefernadeln, Apfel-, Milch- und Weinsäure – die Stadt sei verrückt danach. Der Markt für alkoholfreie Ersatzprodukte wächst auch hierzulande. In Deutschland ist bereits jedes fünfzehnte hergestellte Bier alkoholfrei, das entspricht einem Marktanteil von 5,6 Prozent – Tendenz langsam steigend.

Auch alkoholfreie Weine und Spirituosen sind mit von der Partie. Seit ein paar Jahren gesellen sich langsam alkoholfreie Varianten bekannter Spirituosen dazu. „Wir glauben fest daran, dass alkoholfreie Alternativen zu Spirituosen hier sind, um zu bleiben“, meint die Beyond-Drinks-Gründerin. Im Gegensatz zum alkoholfreien Bier soll der Geschmack von Spirituosen bei seinen alkoholfreien Vertretern meist nicht imitiert werden. „Wir haben auch gar nicht erst versucht den Geschmack zu imitieren, da dies schlichtweg nicht möglich ist. Wir haben auch davon abgesehen, mehr Schärfe für den fehlenden Alkohol durch zugesetzten Ingwer oder Pfeffer auszugleichen“, sagen Vollmar und Koenen.

Für alle Hersteller gehe es darum, die Essenz einer Spirituose einzufangen. Denn Alkohol ist nun mal ein Geschmacksträger, der in diesem Fall fehlt. Dabei stehen der Geschmack und das Erlebnis im Vordergrund. Wie lässt sich der Geschmack beschreiben? Das hängt natürlich von der Art der alkoholfreien Spirituose ab – und vom Hersteller. Manche wollen dem Geschmack des Originals nahekommen, andere eher ein eigenständiges Produkt entwickeln. Fakt ist: Die Destillate sind eher nicht zum Pur-Verzehr geeignet, sie zeigen erst im Mix ihre Stärken. Bleiben wir beim Gin: Während der eine Aromen von Wacholder, Kardamom und Lavendel, der andere neben Wacholder, Kräuternoten einen intensiven Zitrusgeschmack aufweist, sind bei dem dritten Wacholder, Orangenschale und Gewürze geschmacklich präsent.

Von Botanicals zum Destillat Wie der Name bereits verrät, sind die alkoholfreien Spirituosen ein Produkt der Destillation. Bei „Wonderleaf“ zum Beispiel, ein alkoholfreier Gin der Rheinland Distillers, kommen zwei Verfahren zum Einsatz: „Das Hauptverfahren ist die Wasserdampfdestillation. Darüber hinaus haben wir in der Entwicklungsphase festgestellt, dass sich nicht alle Botanicals in gleicher Weise für diese Destillationsart eignen. Daher verwenden wir für einen Teil der Botanicals die klassische Mazeration mithilfe von Alkohol und setzen dem Hydrolat davon sehr wenig hinzu. Die Menge ist allerdings so gering, dass das Produkt am Ende mit 0,24 Volumenprozent per Definition immer noch alkoholfrei ist“, erklären die Wonderleaf-Hersteller.

Laut Gesetz dürfen nämlich Getränke als alkoholfrei bezeichnet werden, die maximal 0,5 Prozent Alkohol enthalten. Zum Vergleich: Eine reife Banane hat circa 0,6 Volumenprozent. Um den Gin von Beyond Drinks – Laori – herzustellen, werden acht Kräuter und Gewürze ebenfalls auf Wasserdampfbasis destilliert. „So können wir besser auf die einzelnen Bedürfnisse der Botanicals eingehen und das Maximum an Aromen gewinnen“, so Strüfling. Außerdem sei die Arbeit im Labor laut Strüfling essenziell. Wäre das somit ein Arbeitsfeld für PTA? „Vom Prozess her ist es eher wie Kochen und Drinks mixen. Wenn man daran Spaß hat, ist dies sicherlich auch ein Arbeitsfeld für PTA. Hier experimentieren wir, probieren neue Verfahren aus und entwickeln unseren Prototypen, die wir dann durch unsere Tester verkosten lassen. Die Produktprüfung und Prozesskontrolle sind natürlich für uns sehr wichtig, da wir ein Lebensmittel in den Verkehr bringen. Hier arbeiten wir mit verlässlichen Partnern, die unsere Produkte im Labor für uns prüfen.“

Auch Laori ist mit 0,25 Volumenprozent gesetzlich alkoholfrei – „wir entwickeln allerdings schon eine 0,0-Variante.“ Laut dem Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) sei in der Schwangerschaft ein natürlicher Alkoholgehalt durch Gärung, der unter 0,3 Prozent liegt, unbedenklich. Möchte man als Schwangere auf der sicheren Seite stehen, sollte man aber besser ein Produkt wählen, dass den Hinweis „0,0 Volumenprozent“ trägt. KErn rät, auch von alkoholfreien Bieren, Weinen oder Spirituosen nur geringe Mengen zu konsumieren.

Wasser mit Geschmack? Preislich liegen die Destillate zwischen 30 und 50 Euro pro Liter. Ja, die Hauptkomponente ist Wasser, doch ungerechtfertigt ist der Preis bei hochwertigen Destillaten nicht. Die Destillation und der Einsatz preis- intensiver Zutaten sind etwas, das Spirituosen und ihre alkoholfreien Varianten gemein haben. Was sie unterscheidet, ist der Alkohol, der ein großer Kostenfaktor ist. Ein Liter Neutralalkohol mit 96 Volumenprozent kostet momentan rund 25 Euro. Siegfried Wonderleaf kostet 36,84 Euro pro Liter und damit ist er 21 Euro billiger als der Siegfried Dry Gin.

Somit lässt sich das Fehlen dieses Kostenpunktes gut erkennen. Zu sagen, alkoholfreie Spirituosen seien Wasser mit Geschmack, würde ihnen nicht gerecht werden. Die Entwicklung und Herstellung ist aufwendig und die fertigen Produkte bieten eine echte Alternative für diejenigen, die – aus welchem Grund auch immer – auf den Rausch, den Kater danach oder einfach auf den Alkohol an sich verzichten möchten. Wer demgegenüber offen ist und nicht zu viel erwartet, wird auch nicht enttäuscht. Bei Tastillery jedenfalls gehören die Alkoholfreien schon zu den Bestsellern.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 11/2020 ab Seite 30.

Sabrina Peeters, Redaktionsvolontärin

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